"Und dann kam 'larsulrichen'. Da gab's dann kein Halten mehr.": Interview mit dem MetalFerdl

05.04.2018 | 10:08

Der aufmerksame Metal-und Rock-Fan hat in sozialen Netzwerken den einen oder anderen illustrierten Ferdl-Begriff bestimmt schon ergattert: da kann doropescht, gelarsulricht, manowart oder gerammsteint werden. Das Ganze wurde schnell zum Kult, vor allem, da es gleich noch ein aktives Anwendungsbeispiel zum Tun-Wort gibt. "Ich doropesch Dir gleich eine!" oder "'Lass ma', ich kenn mich aus!', sagte er und larsulrichte das Benzin in den Dieseltank."

Wohltuend ist, dass der Österreicher, der dahinter steckt, schon bei unserer ersten kurzen Unterhaltung bestätigt: "Ohne Selbstironie macht Metal keinen Spaß!" Thomas Glettler, Jahrgang 1986, lebt in Graz zur Untermiete bei einer schwarzweißen Katze, ist Cartoonist, Autor, Illustrator, Werbetexter, Grafiker und Spieledesigner. Und vor allem: Er ist Metal-Fan, seit er "Uarghh!" sagen kann. Gerade ist sein "Ferdl-Wörterbuch" analog erschienen, das kaum eine Größe des Metal ungeschoren oder ungewidmet davonkommen lässt.

Da gibt es vieles zu erfahren, also haben wir von POWERMETAL.de ihm ein paar Fragen gestellt.

Hallo Thomas, wie geht es dir? Bist du schon von Anhängern oder gar Größen der Metalszene geanselmot worden? Oder gemetallicat worden?

Servus! Vielen Dank, mir geht's bestens. Danke der Nachfrage - bis jetzt ist alles friedlich (lacht).

Wie du bemerkst, beflügelt diese schöne Idee auch meine Phantasie, solche Wörter zu erfinden. Kam sie dir eigentlich spontan und ja, wann und wie?

Das geht auf den Sommer 2017 zurück, so etwa. Wer den Ferdl kennt, der weiß ja, dass ich immer versuche, das Cartoon-Schema etwas aufzubrechen und neben den Strips und Zeichnungen ja auch gerne mit anderen Ideen experimentiere. Da gab's das Aussprache-Lexikon zu Bandnamen, die Trveheim-Reihe, auch mal ein witziges Album-Review auf derferdl.at, und und und.

Da hatte ich eben die Idee mit dem "Metal-Wörterbuch", so einer Art Duden. Also spielte ich ein wenig damit herum, um zu sehen, was man damit machen könnte. Interessant übrigens: Heute sprechen alle davon, dass das sogenannte "Neologismen" wären, und man das ja kenne, auch von Begriffen aus der deutschen Politik - ich glaube, "lindnern" und so gibt es da - aber damals war das komplettes Neuland, also zumindest für mich... und scheinbar auch für viele andere. Denn das hat mal so richtig eingeschlagen. Der erste Post war "manowaren", da gingen die Leute richtig steil drauf. Und dann kam "larsulrichen". Da gab's dann kein Halten mehr.

Ferdl 1

Ja, das kam also richtig gut an und ging folglich auch in Serie. Die Idee, daraus ein Buch zu machen, hatte ich auch schon recht bald darauf, habe allerdings erst noch gezögert, weil ich mir nicht sicher war, ob ich dieses Niveau über 50 Einträge hinweg halten kann, die ja jetzt im Buch erschienen sind. Hat sich aber als machbar herausgestellt - war nur viel Arbeit (lacht).

Wer ist denn eigentlich dieser "Ferdl"? Trotz der recht einfachen Strichweise kann ich mir den Herren eigentlich ganz gut vorstellen: nachlassendes Haupthaar, aber die die da sind, müssen lang sein, etwas übergewichtig vom Bierkonsum, schwarzer Pall Mall-Haufen im Aschenbecher neben dem vollen Plattenregal voller Sonderpressungen und in der Singleeinraumwohnung überall gerahmte Eintrittskarten von Konzerten aller erdenklicher Metalbands? Irgendwie musste ich an Hermes Phettberg denken.

Das hast du eigentlich schon perfekt zusammengefasst. Der Ferdl ist im Grunde so etwas wie ein AlterEgo für uns alle. Der ist so wie wir, nur eben ein bisschen extremer. Der ist so schlampig, wie wir gerne wären, der säuft so viel, raucht so viel, lästert so viel, wie wir gerne würden, aber nie könnten (weil wir eben keine Comic-Figur sind); der kann sich einfach alles leisten, muss nicht arbeiten und kann den ganzen, lieben, langen Tag über machen, was er will. Aber - und das ist das Wichtige: Er ist nicht perfekt! Der ist weder schön, noch superschlau, noch sonstwas. Er hat einfach nur seinen Humor.

So kann sich im Grunde jeder mit ihm identifizieren, was durch die einfache Gestaltung in Schwarzweiß natürlich noch betont wird. Über den Phettberg-Vergleich habe ich noch gar nie nachgedacht. Finde ich sehr interessant!

Wenn wir unseren andersprachigen Nachbarn erzählen, dass wir solch ein Kleinlexikon in deutsch haben, die werden neidisch sein! Kommen demnächst auch Übersetzungen der von dir geprägten Begriffe?

Ja, das wäre eigentlich ganz cool, ne? Hab mir auch schon tatsächlich Gedanken darüber gemacht, zumindest mal was die Cartoons auf Facebook und im Netz betrifft. Allerdings müsste das schon sehr gut gemacht werden, weil ja sowohl die Cartoons, als auch das Wörterbuch jetzt - logischerweise - vom Sprachwitz leben. Da komme ich mit meinem Schulenglisch nicht weit. Und ein professioneller Übersetzer kostet leider richtig Kohle. Aber vielleicht können wir das hier als Aufruf nutzen: Wenn jemand richtig gut Englisch kann und Bock darauf hätte, soll er sich doch einfach bei mir melden! Ich geb' auch ein Bier aus.

Das wäre ja schon fast Sprachwissenschaft! Apropos: Als was bist du denn so "klassisch" ausgebildet worden?

So ganz langweilig als Werbegrafiker, hier an der Kunstschule in Graz. Das war aber alles in allem ein ziemliches Missverständnis, muss man rückblickend dazu sagen. Ich war vierzehn, wollte eigentlich nur Comics zeichnen und da hieß es eben: "Ah, ja der Bub kann zeichnen, der muss auf die Kunstschule." Dass ich da hinten als Werbefuzzi rauskomme, hatte mir keiner so gesagt (lacht).

Wie bist du denn zum Metal gekommen? Und wie auf das Schreiben?

Zum Metal: so wie viele durch große Geschwister - meinen Bruder in meinem Fall. Der hatte damals 'ne Band, hat Gitarre gespielt und gute Sachen gehört, also für damalige Begriffe und vor allem für Graz. Du darfst nicht vergessen: Graz, Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, das war nicht nur Provinz, so wie heute auch noch, sondern wirklich tiefste Provinz. Da an gute Bands und Platten zu kommen, war in etwa so einfach wie für die Leute in der DDR früher (lacht). Aber mein Bruder hat sich da reingehängt und so gab's zuhause PINK FLOYD, GARY MOORE, MANOWAR, VAN HALEN, JOE SATRIANI, METALLICA, alles querbeet. Das fand ich geil.

Ja, und das mit dem Schreiben ergab sich dann später, als ich so mit vierzehn zur Leseratte mutiert bin. Wenn du richtig viel liest, in dem Alter, dann bleibt das, glaube ich, einfach nicht aus, dass du es auch mal selbst probierst. Der eine bleibt dann dabei, der andere nicht. Ich liebe es bis heute.

Ah, da erkenne ich mich in beiden Dingen wieder. Wie weit würdest du das Ganze denn treiben? Kannst du dir auch vorstellen, ein Wörterbuch im Bereich Schlager(n) aufzulegen: "Er seminorossite durch die beschlagenen Scheiben und alle begannen sofort zu weinen"?

(lacht) Nein, ich denke, das wäre dann doch etwas redundant. Ich meine, diese Szene braucht wirklich niemanden, der sie verarscht, das macht sie schon selbst.

Wie kommt man denn am schnellsten an das originale "Ferdl-Wörterbuch"?

Einfach über Amazon bestellen. Entweder die illustrierte Taschenbuchausgabe oder alternativ - für alle, die es mögen - die E-Book-Edition. Die hat zwar keine Cartoons mit dabei, ist aber dafür recht günstig.

Ferdl 2

Wird es eine Erweiterung oder weitere Auflagen geben? Du bist ja auch Spieledesigner, vielleicht in dieser Richtung?

Ich bin ja so einer, auf den das eigentlich blöde Wort "umtriebig" ganz gut passt. Ich interessiere mich für sehr, sehr viele Dinge und kann mich da überall wunderbar reinhängen. Insofern gibt es tatsächlich sehr, sehr viele Pläne für verdammt coole Dinge. Mal sehen, was da in Zukunft noch auf uns zukommt. Man kann sich auf jeden Fall auf so einiges freuen!

Hast du denn auch noch Begriffe herumliegen, die du lieber nicht veröffentlichen möchtest? Oder geht alles?

Nö, also tatsächlich ist es so, dass der Ausschuss-Anteil beim Wörterbuch recht groß ist. Auch wenn man das kaum glauben mag: So ein Buch zusammenzustellen, ist tatsächlich nicht so einfach. Die Gags müssen einfach gut sein und - was mir vor allem wichtig ist - sie müssen irgendeinen Nagel auf den Kopf treffen, oder zumindest streifen. Denn der Reiz besteht ja nicht nur darin, sich über irgendetwas lustig zu machen, sondern gleichzeitig eine irgendwo treffende Analyse zu liefern. Da den richtigen Ton, das richtige Thema, die richtige Band und so weiter, zu treffen, ist nicht so ohne. Zusätzlich muss das jeweilige Thema ja halbwegs allgemeinverständlich sein: Gags über Bands, die kein Schwein außerhalb von, sagen wir, Buxtehude, kennt, machen ja auch wenig Sinn.

Also ja: Ich habe sehr, sehr viele Begriffe in der Schublade, die aber auch dort bleiben werden. Immerhin gibt es ja auch Bands und Themen, auf die ich persönlich einfach keinen Bock habe - weder beim Wörterbuch, noch bei den Cartoons.

Es bleibt also spannend. Mal eine auch rechtlich eingefärbte Frage: Darf und muss das alles auch möglich sein, oder wo siehst du denn Schranken der Ironie und Satire?

Naja, ich denke, dass viele schon mal den Unterschied zwischen Bashing und Satire nicht kapieren. Ich betreibe mit dem Ferdl Satire, was per Definition schon mal bedeutet, dass ich nicht einfach wie irgendein vierzehnjähriger Tastaturterroristen-Troll ins Internet gehe und auf Bands oder Leuten herumhacke, von denen ich eigentlich überhaupt nichts verstehe, sondern das Thema - Metal in unserem Fall - gezielt auf's Korn nehme. Das heißt, ich muss mich mit der Materie beschäftigen, mich auskennen, Teil der Szene sein und dann kann ich "Missstände", um mal so zu sagen, oder seltsame Begebenheiten, Eigenheiten und Sachverhalte, auf lustige - und vor allem treffende - Weise verarschen. Genau das ist es ja auch, was die Leute am Ferdl mögen. Dass er "einer von ihnen" ist und sich auch auskennt. Ansonsten würde das Ganze ja auch nicht funktionieren.

Und daraus ergibt sich auch die Grenze, nach der du fragst: Ich respektiere die Bands, die Szene und die Musiker und nehme die Schnitzer und Schwächen auf die Schippe, die sie ja auch so sympathisch machen. Das ist Satire. Und deren Grenzen sind meine Grenzen.

Kommen wir zur Musik. Nenn uns doch mal drei oder vier deiner Favoriten, die dich durch dein metallenes Leben begleiten?

Schwierig, wenn es nur ein paar sein sollen... lass mich nachdenken. LAMB OF GOD, MANOWAR, BLIND GUARDIAN, ICED EARTH, MEGADETH... ohne die würde ich mich dann doch schwer tun.

Braucht der Metal, der Hard Rock, der Doom, der Black Metal ein bischen mehr Humor? Geht das denn überhaupt? Dürfen die das?

Ich glaube, die Bands an sich brauchen nicht mehr Humor, das passt schon so. Immerhin lebt das gesamte Genre ja auch bis zu einem Grad von einer gewissen Coolness, Härte, Ernsthaftigkeit oder Epik, je nachdem. Das macht ja den Charme aus. Und du wirst lachen: Ich finde ja auch so Humor-Kombos wie STEEL PANTHER, KNORKATOR, JBO usw. etwas anstrengend. Aber ich denke, die Fans könnten definitiv etwas mehr Humor vertragen. Für meinen Geschmack gibt es definitiv zu viele, die es entweder mit der Heldenverehrung etwas übertreiben (jeder, der schon mal mit einem Die-hard-METALLICA-Fanboy diskutiert hat, weiß, was ich meine) oder aber gleich das ganze Genre eine Spur zu ernst nehmen. Du weißt schon: die vielzitierte "Metal-Elite", auch bekannt als "Metal-Polizei" - die Typen, die bestimmen, was (noch) Metal ist, und was nicht. (lacht).

Ferdl 3

Ja, die kenne ich. Habe ich mich früher auch gestritten, wahrscheinlich bin ich selbst ab und zu Bulle gewesen. Und wen würdest du nie im Leben verballhornen? Oder wer hat es denn absolut verdient? Politiker? "Links ist gesperrt, also müssen wir hier entlang-kurzen!"

Ich bin ja das, was man heutzutage einen "links-links-versifften Gutmenschen" oder so nennt. Ein "Liberaler". Insofern gäbe es, speziell in diesen Tagen, schon genügend Dinge, die ich dem Ferdl gerne mal in den Mund legen würde, das kannst du dir vorstellen. Allerdings habe ich ja schon in den Anfangstagen vom Ferdl beschlossen, ihn ganz bewusst und rigoros unpolitisch zu halten. Das ist manchmal schwer, manchmal sogar sehr schwer. Aber ich hatte und habe einfach das Gefühl, dass es auch mal gut tut, so eine Art "realitätsfreien" Raum zu betreten - wo es keine Politiker gibt, keine Arschlöcher, keinen Rassismus, keine Ungleichheit; wo der ganze Scheiß, von dem man am liebsten den ganzen Tag lang kotzen würde, einfach mal ausgeblendet wird. Und so einen Raum möchte ich mit dem Ferdl bieten. Immerhin handelt es sich ja um Unterhaltung, es dreht sich um Metal, da bietet sich das an.

Hast du es denn selbst schon mal mit Musik versucht?

Ja, aber natürlich. Wer, der etwas mit Metal zu tun hat, denn nicht?! (lacht) Ich habe früher mal sehr begeistert Schlagzeug gespielt, bevor ich mich als Sänger - clean und growlend - versucht habe. War lustig, aber auf Dauer dann doch zu anstrengend.

Du bist (bestimmt) und bleibst also eher Konsument von Musik als (Mit)produzent. Was wünschst du dir im Genre, für das Genre? Ist es denn überhaupt so bitterernst bis monsterböse, wie viele vor allem der Texte, Gesten, Albencover es darstellen wollen?

Nun, der Metal ist so bitterernst und böse, wie der Schlager - weil wir vorhin davon gesprochen haben - heile Welt und happy ist. Nämlich gar nicht. Es geht hier eben um Fantasie, um imaginäre Welten und Parallelwelten, in die man abtauchen kann, wenn man sich die Musik reinzieht. Und da helfen eben die Texte, Gesten und Albumcover Eingang in diese Welt, die einem eine Band präsentieren will, zu finden. Hör' dir ein MANOWAR-Album an und du bist eine Stunde lang in einer Welt unterwegs, wo gestählte Typen in Pelzunterhosen Schwerter schwingen und auf Pferden oder wahlweise Motorrädern herumkurven. Das totale Kopfkino! Wäre nur durch die Musik, also ohne das ganze Drumherum nicht möglich. Und das ist ja auch das Tolle am Metal: Er ist eben mehr als Musik. Er ist eine Kunstform, ein Gesamtpaket - und das finde ich sehr cool. Auch neuere Bands und Strömungen setzen nach wie vor auf diese Komplexität. Insofern bin ich eigentlich ganz zufrieden, wie es ist.

Was ich mir wünsche, wäre - einmal mehr - eher an die Fans und an die Szene gerichtet: Ich denke, es wäre sehr wichtig, sich mehr zu öffnen. Neues stärker zuzulassen, den Nachwuchs stärker zu fördern, anstatt immer und immer wieder auf den alten Rössern herumzureiten. MAIDEN, METALLICA, alles schön und gut... aber es gibt noch sehr viel anderes, das auch geil ist.

Den Aufruf unterschreibe ich! Es ist meist viel durchschaubare Attitüde dabei: der Metal als der Abgrund der menschlichen Musikerszene. Oder welches Genre ist noch schwarzseeliger? Der Schlager!

Ferdl4

Ich glaube, so tibetanischer Kehlkopfgesang ist auch ziemlich derb (lacht).

Noch eine abschließende Frage: Wenn jemand sein Wörterbuch von dir signieren lassen möchte: Wo kann man dich denn treffen? Gehst du damit mal auf Reisen? Oder in welchen Clubs kann man dich denn treffen, um dir das Exemplar unter die Nase zu halten?

Ich bin ja jetzt auch schon über dreißig, was aber, durch das Saufen und Rauchen und so weiter, eher einem biologischen Alter von sechzig entspricht. Ich komme also, schon rein körperlich bedingt, gar nicht mehr so viel 'rum, wie früher (lacht). Aber in den Metal-Lokalen von Graz oder am einen oder anderen Konzert kann man mich schon noch manchmal treffen, wenn man Pech hat.

Wie unterschreibst du dann? Mit Bier oder Blut?

Mit Tränen von Jungfrauen natürlich.

Thomas, Danke für deine Zeit! Alles Gute für dich, deine Katze und Ferdl!

Vielen Dank! Und macht weiter so!

Das tun wir.

Ferdl 5

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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