WEINHOLD: Interview mit Jutta Weinhold

09.05.2006 | 15:16

Jutta Weinhold, seit 30 Jahren trotz verschiedener Höhen und Tiefen im Metal-/Rockgeschäft unkaputtbar, legt in diesen Tagen mit ihrer gleichnamigen Band WEINHOLD ein weiteres Stück episch-dramatischen Hard Rocks vor, das ich gern mit ihr zusammen etwas genauer beleuchten wollte.

Martin
Jutta, du hast Musical gesungen, bei Udo Lindenberg mitgewirkt, machst Blues und giltst seit deiner Zeit mit ZED YAGO als Schöpferin des "Dramatic Metal". Beschreibe doch mal bitte aus deiner ganz subjektiven Sicht das musikalische Konzept von WEINHOLD.

Jutta
Zuerst einmal möchte ich mich für dein Interesse, mit mir ein Interview zu machen, bedanken. Hast du Zeit? Ja, gut, denn ich muss ein bisschen weiter ausholen um deine erste Frage sinnvoll zu beantworten.
Die Entscheidung von zu Hause weg zu gehen, geschah unter dem Einfluss des absolut völlig Neuen. Ende der sechziger Jahre fand die einzigartige Kultur-Revolution statt, das war der Hammer und der Beginn meines Abenteuers in Sachen Rock'n'Roll.
"Hair" und "Jesus Christ Superstar" waren die ersten professionellen Engagements und für mich ausgesprochen lehrreich. 1974 ging ich nach Hamburg. Dort war der Teufel los. In den Clubs brodelte es wie in Hexenkesseln. Mit Udo Lindenberg lernte ich zum ersten Mal große ausverkaufte Hallen kennen. Klasse!
Mein eigenes musikalisches Highlight hatte ich dann mit meiner Idee von ZED YAGO, der Tochter des Fliegenden Holländers, auf der Suche nach der verlorenen Phantasie. Wir erinnern uns: Ohne Phantasie stirbt die Seele und ohne Seele stirbt der Mensch! Mein Lieblingsthema mit einem unendlichen Brunnen für nie endende Phantasie und Konzepte. Das habe ich dann bis 1993 über zwei VELVET VIPER-CDs und einer Solo-CD (die leider viel zu wenig Beachtung fand) "To Be Or Not" auch praktiziert.
WEINHOLD ist ein neues Projekt mit Songs, die aus der Literatur, der Poesie und natürlich auch der Phantasie entstehen, aber keinem strengen Konzept unterliegen.

Martin
Und worum geht es dir in den Lyrics? Nicht unbedingt um Sex, Drugs and Rock'n'Roll, glaube ich.

Jutta
Ich finde Sex, Drugs and Rock'n'Roll-Texte sind schon genug – auch hervorragende - geschrieben. Es ist wichtig auch andere Inhalte in die schwere, harte Musik zu bringen. Ich hatte immer das Gefühl, dass der Metal hauptsächlich von konservativen Einflüssen geprägt ist und wollte gerne etwas dagegen setzen. Ich glaube an Tiefgang, denn ich weiß, dass Musik mehr ist als nur Konsum. Mir liegen diese Dinge schon lange auf dem Herzen und mit ZY habe ich damit wirklich angefangen.

Martin
Wo siehst du die Unterschiede zum Dramatic Metal von ZED YAGO zu den "From Over Yonder" bzw. "Pilgrimage"-Tagen?

Jutta
"Below The Line" findet 20 Jahre später statt, natürlich auch mit Dramatic-Metal-Roots. Im Übrigen entschloss ich mich dazu, ein bisschen aufzuräumen und habe zum ersten Mal auch über persönliche Dinge geschrieben. Es gibt viel Erlebtes, über das ich mal singen wollte. Rockmusik soll ja nicht nur von tra la la und bla bla bla besetzt sein. Schlichtrock finde ich ätzend. Ich bin immer noch mit großer Leidenschaft bei der Sache und hüte mich davor, Musik als etwas Alltägliches zu empfinden. Es ist und bleibt immer etwas ganz Besonderes für mich. Nebenbei bemerkt: Ich bin sehr dankbar, dass ich mir die Musik, die ich am liebsten mag, immer noch leisten kann.

Martin
Und die Unterschiede zu VELVET VIPER, die ja das ZED YAGO-Konzept weiter entwickelt haben?

Jutta
Mit VELVET VIPER wollte ich sehr gerne das Konzept weiterführen. Der Name ZED YAGO wurde leider durch ein Gerichtsurteil der Mehrheit der beschissenen GbR zugesprochen, da ich kein privates Copyright angemeldet hatte. Mein Fehler - nur, man denkt nicht an solche Sachen, wenn man die Welt erobern will. Dann kommen sie, die Momente, in denen du fallen gelassen wirst wie die sprichwörtlich heiße Kartoffel.
Mit VV hat es nicht mehr geklappt. Die Chemie war gestört. Ich selbst finde die beiden VV-Produktionen mit dem ZY-Konzept gut, was ich ja dann auch noch für die Solo-Platte "To Be Or Not" 1993 weitergeführt habe. Ich glaube fest daran, dass man stets versuchen muss die Musik zu machen, die der eigenen Mentalität entspricht.

Martin
Das stimmt, sonst wird's unglaubwürdig. "Below The Line" ist von Lars Ratz produziert worden, den die meisten von uns hauptsächlich als treibende Kraft bei METALIUM kennen dürften. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Jutta
Lars ist damals nach dem Split 1990 bei ZED YAGO, dann bei VELVET VIPER eingestiegen. Solange kenne und achte ich ihn. Er ist ein äußerst fähiger Musiker, Produzent mit Spirit und ein "Macher".

Martin
Wie siehst du das Konzept von WEINHOLD? Ist es eine Band oder eher ein Solo-Projekt von dir mit angeheuerten Begleitmusikern?

Jutta
Eine feste Band macht nur dann Sinn, wenn auch genug Auftritte stattfinden. Ich finde WEINHOLD ist ein gutes und viel versprechendes Projekt, das fortgeführt werden sollte. Ich möchte erwähnen, dass wir ein Team von Kollegen und Freunden waren, die einfach Bock auf die Sache hatten.

Martin
In welchem Line-Up ist das Album eingespielt worden? Auf welche Musiker konntest du zurückgreifen?

Jutta
Auf der CD spielen: Michael Ehre Drums und Gitarren, Karsten Kreppert Drums, Lars Ratz Bass und Männerkehle, Benjamin Tiedemann, Victor Bullok, Angie Schiliro Gitarren. Victor Bullok ist auch für den - wie ich finde hervorragenden - Sound verantwortlich. Lars Ratz ist ein äußerst sensibler und auf den Künstler eingehender Produzent. Michael Ehre hat sehr kreativ co-produziert. Ich muss sagen, dass die ganze Produktion ein Vergnügen war.

Martin
Wird dies auch im Wesentlichen deine Live-Band sein bei den hoffentlich demnächst anstehenden Auftritten?

Jutta
Ob es zu Live-Auftritten kommt, steht wirklich in den Sternen. Ich hatte bei der ersten WEINHOLD "From Heaven Through The World To Hell" ein ganzes Jahr lang eine komplette Band am Start, aber bis auf ein paar Gigs ist leider nichts gelaufen. "Zum Gelde drängt, am Gelde hängt am Ende einfach alles!" - Zitat von J.W. Goethe. Ich bin eigentlich nicht besonders an Finanzen interessiert und versuche so etwas oft und lange zu verdrängen. Doch irgendwann kommt dann der Moment, an dem auch ich akzeptieren muss, dass es "ganz ohne" nicht geht.
Die Band steht auf "stand by". Wir wollen abwarten, wie "Below The Line" sich so macht. Wenn alles gut läuft, können wir innerhalb eines Monats zuschlagen. Natürlich wollen wir singen bis die Stimmbänder bluten und bangen bis zum Herzstillstand... das ist doch Rock'n'Roll, oder?

Martin
Das klingt sogar nach Power Metal, wenn ich das so höre. ;-) Gibt es denn wenigstens schon irgendwas Konkretes an der Live-Front bei euch?

Jutta
Dazu kann ich nichts verbindlich sagen, leider. Ich würde mir wünschen zusammen mit anderen Bands in ein Package einzusteigen. Vielleicht ergibt sich da mal etwas.

Martin
Da bleibt mir nur noch übrig dir und der Band alles Gute zu wünschen, hoffentlich sehen wir euch bald auf dem einen oder anderen Event!

Jutta
Alle Powermetal.de-Leser sollten nicht vergessen, dass nur laute Musik die bösen Geister vertreibt! Daran hat sich seit Jimi Hendrix nichts geändert.
Und noch etwas: So ehrlich und treu wie die Fans von St.Pauli. So war Rock'n'Roll und so sollte er immer sein.
Zum Dritten: Alle Powermetal.de-Leser müssen sämtliche Freunde wieder dazu bringen in die Clubs zu gehen, um Live-Bands zu hören, die ihre eigene Musik spielen. Das wäre unsere Rettung und würde den Stellenwert der Rockmusik wieder dahin bringen, wo er hingehört!

Martin
Dem ist, glaube ich, nichts mehr hinzu zu fügen.

Mehr zu WEINHOLD gibt es übrigens unter http://www.jutta-weinhold.de

Redakteur:
Martin Rudolph

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