30 Seconds To Mars - Köln

01.02.2007 | 11:35

29.01.2007, Live Music Hall

Es hat ein bisschen gedauert, aber irgendwann hat man auch im deutschen Virgin-Außenposten realisiert, dass es gar keine schlechte Idee wäre, 30 SECONDS TO MARS mal auf heimische Bühnen zu stellen, um ihren Bekanntheitsgrad auch hierzulande zu erhöhen. Dass die Verantwortlichen im Vorfeld keinen Plan hatten, wie es überhaupt um den Status der Amis nach zwei veröffentlichten Alben bestellt ist, zeigte sich daran, dass für die beiden Deutschland-Gigs erst mal viel zu kleine Clubs gebucht wurden, mit dem Ergebnis, dass die Show in Köln aufgrund der hohen Kartennachfrage recht schnell vom winzigen Underground in die Live Music Hall verlegt wurde (in Berlin zog man sogar gleich zweimal um). Und die Schlange vor dem Eingang beweist, dass die Hütte heute Abend sehr gut gefüllt sein wird.

Nach dem Betreten der Halle bietet sich ein bizarres Bild. Während sich der ältere Teil des bereits anwesenden Publikums erst mal entspannt was zu trinken holt oder einen Blick auf den Merch-Stand wirft, kleben in den ersten Reihen bereits 15-jährige Mädchen aneinander, jede von ihnen bereit, den erkämpften Platz bis aufs Blut zu verteidigen. Wer austreten muss, verliert und wird Hollywoodschauspieler Jared Leto später nicht anfassen können. Viele gehen dieses Risiko nicht ein.

Als der Support-Act NAPOLEON gegen 21 Uhr auf die Bühne schlurft, ist es schon verdammt voll, allerdings definitiv nicht wegen der Deutschen. Das Indie-Prog-Schrammel-Quartett nervt von Anfang an gewaltig. Selbst unter den Teenagern, die vermutlich seit Tagen mit Tunnelblick durch die Gegend gelaufen waren, macht sich mit zunehmender Spielzeit Unmut breit – beim Rest des Publikums sowieso. Mit unglaublich intellektuellen Songstrukturen für Langzeitstudenten, die in Wahrheit dilettantisch sind, Gesang, der vielleicht irgendwann mal welcher wird, und Stageacting, das außer hippiesker, bekiffter und völlig abgeschossener Orientierungslosigkeit nichts ausstrahlt, treiben die Typen viele Zuschauer aufs Klo und auch in den Wahnsinn (applaudieren deshalb drei, vier Leute?). Einer meiner Begleiter merkt an, dass dies die schlechteste Vorband sei, die er je gesehen habe. So weit möchte ich nicht gehen, aber bevor ich mich noch mal Songs wie 'Sexual Healing' freiwillig aussetze, lasse ich mir lieber alle Zähne ziehen.

Nach einer Umbaupause, in der nix umgebaut wird, die dafür aber gefühlte drei Stunden lang ist, gehen die Lichter aus und zu den Klängen von 'O Fortuna' aus der "Carmina Burana" gleichzeitig zwei Millionen Fotohandys an (einige Verstrahlte gucken fast das gesamte Konzert durch ihr Handy-Display). Hallo Mainstream-Hölle! Es geht allerdings noch mehr. Als Jared Leto auf die Bretter stürmt, ist das Gekreische groß, und man weiß endgültig, dass heute einiges möglich ist.

Erwartungsgemäß liegt der Schwerpunkt der rund 70-minütigen Show auf dem für mich nach wie vor deutlich schwächeren Zweitling "A Beautiful Lie", wobei das erfolgreich bei MTV platzierte und just als Single veröffentlichte 'The Kill' die größten Reaktionen hervorruft. Aber auch mit 'Battle Of One', 'Attack', 'A Beautiful Lie', 'The Story' oder 'R-Evolve' können 30 SECONDS TO MARS bei den Fans landen, und vor allem Jared Leto macht es vielen der Anwesenden sehr leicht, sich mächtig zu freuen. Der Sänger hat Bühnenpräsenz, springt durch die Gegend, trifft dabei aber immer noch souverän die Töne, spult nacheinander alle Rockstar-Posen ab, feuert die "motherfuckers" an, lässt sich sogar von den kleinen Mädels tragen, spart nicht mit "We love you!"-Bekundungen und hat auch ein paar Worte für die "nonbelievers" übrig. Und ja, das alles ist stellenweise etwas zu viel. Zudem wirkt es auswendig gelernt. Spontanität sucht man vergeblich, woran auch die Ich-und-meine-Gitarre-Version von 'Capricorn (A Brand New Name)' nichts ändern kann. Wer glaubt, dass die Frage, ob als nächstes ein neuer oder alter Song gespielt werden soll, ernst gemeint ist, hat ein Problem.

In einigen Momenten bekommt das Ganze sogar realsatirische Züge. Nach Jareds Aufforderung, einen Circle Pit an den Start zu bringen, ist die Ratlosigkeit im vorderen Teil der Halle groß. Viele weibliche Teenager dürften sich geärgert haben, dass sie zwar vorher daran gedacht hatten, für Jared frische Unterwäsche anzuziehen und auch obenrum alles, was bisher so gewachsen war, stramm hochzuschnallen, aber leider nicht, im Supermarkt noch schnell 'nen Circle Pit zu kaufen.

Abgesehen von dieser unfreiwilligen Komik kann man den Jungs musikalisch nichts vorwerfen. Sie präsentieren sich als Einheit, und neben den eher unauffällig, aber tadellos zockenden Tomo Milicevic (g.) und Matt Wachter (b.), die beide abwechselnd auch an den jeweils neben ihnen am Bühnenrand platzierten Keyboards aktiv werden, ist es Drummer Shannon Leto, der mit seinem druckvollen Punch restlos überzeugen kann. Was allerdings fehlt, ist die Magie, die beispielsweise das formidable Debüt auszeichnet. Selbst die grandiosen 'Buddha For Mary' und 'The Mission' lassen am heutigen Abend etwas vermissen. Trotzdem markieren sie zusammen mit den "A Beautiful Lie"-Tracks 'From Yesterday' und 'The Fantasy' die Highlights.

Gemessen an den Ansprüchen, die zumindest ich an 30 SECONDS TO MARS stelle, ist die Vorstellung letztlich enttäuschend, das Gebotene nur nett. Was auf der Bühne zu sehen ist, ist 'ne (äußerst professionelle) 08/15-Rock-Show, die nicht zu der Kapelle passt und von anderen Truppen schon zigmal vorgeturnt wurde. Mit dieser Ausrichtung brauche ich die Burschen live nicht unbedingt.

Redakteur:
Oliver Schneider

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