Alice Cooper - Frankfurt

25.12.2008 | 11:37

27.11.2008, Jahrhunderthalle

Wenn geschichtsträchtige Größen der Rockmusik wie WHITESNAKE oder ALICE COOPER, die schon in den siebziger Jahren zu Institutionen gezählt haben, auf Tour gehen, fällt es schwer, dort nicht hinzugehen, da man ja nicht weiß, ob diese Bands überhaupt nochmal touren. Das Einzige, was die Vorfreude in diesem Fall etwas getrübt hat, waren Artikel im Internet, in denen es u. a. hieß: "David Coverdale bewegt seine Lippen zu Playback." Von daher waren meine Erwartungen an ihn trotz der Gegendarstellung WHITESNAKEs nicht mehr ganz so hoch.

In die Frankfurter Jahrhunderthalle, die mit ihrem - nennen wir es mal - angenehm hohen Standard perfekt für Konzerte in dieser Größenordnung geeignet ist, verirren sich über 5000 Leute, womit es dann auch gut voll ist.

Die Organisation ist sehr gut, so dass WHITESNAKE um Punkt 20.00 Uhr mit einem guten Sound loslegen. Die Band nutzt die große Bühne, und trotz nicht mehr ganz jungen Alters sticht besonders Doug Aldrich außer durch sein sehr gutes Gitarrenspiel auch durch sein auf die Entfernung noch sehr jungenhaftes Aussehen heraus. WHITESNAKE waren ja schon immer bekannt für hervorragende Gitarristen, wenn man nur an Adrian Vandenberg, John Sykes oder Steve Vai denkt, und so erfüllen Doug Aldrich und Reb Beach diese Erwartung voll und ganz, auch wenn das technisch sehr gut gespielte Gitarrenduell im Set nicht sehr essentiell war.

Die relativ neue Rhythmusfraktion mit dem Nesthäkchen Uriah Duffywar am Bass und Drummer Chris Frazier lässt keine Wünsche offen. Keyboarder Timothy Drury hält sich angenehm im Hintergrund und setzt sein Instrument den Songs angemessen ein.

Vielleicht hätte ich auf David Coverdales Gesang negativer reagiert, wenn ich die Internetgerüchte nicht gekannt hätte. Was positiv rüberkommt, ist die warme und überaus freundliche Ausstrahlung von Herrn Coverdale. So nimmt er sich selbst nicht so ernst, als er seine in den Jahren leicht ausgeuferten Köperformen mit dem Waschbrettbauch eines Doug Aldrich vergleicht. Auch spricht er von seiner Band als "die weiße Schlange" und bringt seine Deutschkenntnisse unter, wo er nur kann.

Bei den Gerüchten ging es u. a. darum, dass Coverdale sein Mikro manchmal so extrem weit vom Mund weghält. Das wurde in der WHITESNAKE-Gegendarstellung vom Soundmixer mit Coverdales besonderer Gesangstechnik erklärt. Trotz großer Aufmerksamkeit kann ich nicht bestätigen, dass hier durchgehend Playback läuft. Dafür klingt der Gesang leider Gottes einfach zu schwach. Wo die aktuelle Single 'Best Years' gesanglich nicht mehr allzu hoch angelegt ist, merkt man bei 'Fool For Your Lovin'', dass Coverdales Gesang an diesem Abend nicht diese gerade ihn auszeichnende Energie bzw. diese packenden Momente hat. Zwar kann er gerade bei den langsameren Stücken, die von Doug Aldrich auf der Akustischen sehr gut begleitet wurden, überzeugen, jedoch über das ganze Set gesehen muss man sagen, dass er einfach nicht mehr ganz so gut bei Stimme ist oder an diesem Abend leichte Probleme hat. Ich fühle mich leicht an PRIEST-Konzerte jüngeren Datums erinnert. Rob Halford klingt auch an einigen Stellen mittlerweile etwas kratzig bzw. krächzt, wo er früher die Schreie mit Leichtigkeit rausgehauen hat.

Trotz dieser leichten Abstriche auch bei David Coverdale will ich nochmal auf die Gerüchte zurückkommen: Etwas verwunderlich ist es schon, dass er gerade diesen extrem hohen Schrei bei 'Here I Go Again' perfekt hinbekommt. Von daher kann jetzt jeder denken, was er will. Meine Meinung dazu ist: Wenn da Playback mit im Spiel ist, dann nur an wenigen Stellen. Auf alle Fälle ist und bleibt David Coverdale ein guter sympathischer Entertainer, der zumindest mal zu den allerbesten Sängern gehört hat, aber - nach dem einen Abend zu urteilen - immer noch über weite Strecken passabel singt.

Aufgrund der nicht all zu hohen Erwartungen bin ich also nicht enttäuscht und verbringe die Zeit bis ALICE COOPER gemütlich unten im Foyer der Halle.

Setlist
1. Best Years
2. Fool For Your Lovin'
3. Can You Hear The Wind Blow
4. Love Ain't No Stranger
5. Lay Down Your Love
6. The Deeper The Love (Acoustic)
7. Is This Love
8. Guitar Duel
9. A Fool In Love
10. Ain't Gonna Cry No More (Acoustic)
11. Ain't No Love In The Heart Of The City
12. Give Me All Your Love
13. Here I Go Again
14. Still Of The Night

Nach ca. vierzigminütiger Umbaupause, die, was die Dekoration angeht, auch effektiv genutzt wurde, legt ALICE COOPER zwei Stunden nach WHITESNAKE genau so pünktlich los. Bei dem Intro kann man durch den COOPER-Vorhang die Schatten eines Mordes erkennen. Das deutet dann auch auf das hin, was ALICE COOPER in den kommenden zwei Stunden zu bieten hat: Horror-Rock vom Feinsten, und das dargeboten von einem Frontmann, der seiner größtenteils jungen, sehr guten Begleitband trotz des hohen Alters in Sachen Bewegungsfreudigkeit und Agilität in nichts nachsteht. Dazu kommt dann noch die Ausstrahlung, die einen in den Bann zieht.

Bei so einer Show und solch einer Attitüde ist es eigentlich nicht mehr so wichtig, was dieser Mann aus seinem über zwei Dutzend LPs umfassenden Katalog spielt. So legt seine Band mit dem '77er Kurztrack 'It's Hot Tonight' los, bevor es direkt in 'No More Mr. Nice Guy' übergeht. Spätestens da ist die Stimmung natürlich nicht mehr zu halten. Aus seinem aktuellen Werk gibt es, wenn ich mich nicht verzählt habe, nur zwei Stücke, was meiner Meinung aber auch nicht schlimm ist. Ich hätte mir zwar außer der obligatorischen Zugabe 'Poison' noch ein paar mehr Achtziger- und Neunziger-Stücke gewünscht, aber wer schon mal auf einem COOPER-Konzert war, weiß, dass er speziell für seine Show auf Songs wie 'Welcome To My Nightmare', 'Cold Ethyl', 'Only Women Bleed', 'Steven' oder eines der besten Stücke, 'Ballad Of Dwight Fry', nicht verzichten kann bzw. will. Außer den bisher genannten sind dann noch 'School's Out' und 'Billion Dollar Babies' ebenso besonderes Pflichtprogramm, was bei einer Spielzeit von ca. zwei Stunden für den Rest nur noch wenig Spielraum lässt und auch die Anzahl der neuen Songs erklärt.

Auch wenn seine Band außer dem KISS-Rock-Urgestein Eric Singer auf den ersten Blick negativ an junge Hardcore- oder Gruft-Acts erinnert, so verfliegt dieses Gefühl, wenn die Gitarristen Keri Kelli und Jason Hook sowie Bassist Chuck Garric die Songs auf der einen Seite originalgetreu und auf der anderen Seite aber auch mit frischem Wind präsentieren. Besonders Chuck Garric kommt als Backgroundsänger mit seiner Röhre relativ nahe an ALICE COOPER ran, was man in dem Medley bei 'I Love The Dead' besonders gut hören kann. In dem Medley gegen Ende der Show wird der Meister in zuvor von Arztstatisten angelegter Zwangsjacke nämlich durch den Strick eines mit schwarzer Kutte bekleideten Henkers erhängt. Für Zartbesaitete war eine ALICE COOPER-Show noch nie etwas und wird es vermutlich auch nicht mehr werden - und das ist gut so.

Der Strickszene geht eine etwas fragwürdige Pfählung eines Plastikbabys voraus, welches COOPER einer Mutter zuvor aus dem Kinderwagen gestohlen hatte. Da ja trotz Horror die Gerechtigkeit siegen soll, ist dann die Hinrichtung COOPERs auch mittlerweile ein Showritual, das er aber immer noch so überzeugend rüberbringt, dass es nicht langweilig wird. Nur die Art der Hinrichtung, ob Fallbeil, Strick oder Sonstiges, das fällt wohl meistens etwas anders aus.

Natürlich ist danach das Konzert noch nicht zu Ende, da COOPER nach den ganzen Grausamkeiten geläutert wieder aufersteht, um im weißen Anzug mit Zylinder 'School's Out' zu intonieren, während das Publikum sich gegenseitig mit bunten Riesenballons bewerfen darf. Das ist dann ein ähnliches Gefühl wie im Set an früherer Stelle bei 'Dirty Diamonds', als ALICE COOPER am laufenden Band elegant und gezielt Perlenketten oder später bei 'Billion Dollar Babies' Dollarnoten ins Publikum schleuderte.

Die Lichtshow ist perfekt auf die Musik abgestimmt, und nach Szenen, in denen der Meister z. B. im Kampf mit einem seiner von ihm so genannten "Cooper girls" von der Bühne vertrieben wurde, darf die Band diese Zeit musikalisch überbrücken, während COOPER hinter der Bühne jeweils ein neues Outfit anlegt. So gibt es ein Drumsolo des Herrn Singer, ein akustisches Intermezzo von Keri Kelli oder die ganze Band spielt wie erwähnt die Klänge zu der Handlung der dann noch übrigen Statisten.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass in der aktuellen COOPER-Besetzung kein Keyboarder an Bord ist, so dass die wenigen Keyboard-Passagen - meist zwischen zwei Songs oder im Intro - vom Band kommen. Alles andere klingt aber hundertprozentig live und verdammt nach Rock 'n' Roll.

Bei 'Poison' singt ALICE COOPER dann auch noch etwas besser, als ich es sonst bei diesem Song live von ihm gewohnt bin. Dieser Mann wird immer besser! Vielleicht liegt es an seinem schon fast fanatischen Golfspielen, dass er noch so fit ist und die meiste Zeit auf der Bühne entweder einen Stab oder ein Schwert so artistisch um seinen Körper dreht, dass die Leute in der ersten Reihe es mit der Angst zu tun bekommen müssen. Nach den letzten Akkorden der Band sind die ersten Reihen bestimmt froh, nochmal davongekommen zu sein. Weit gefehlt.

Als die Band von der Bühne geht, huscht noch einmal schnell ein "Cooper girl" auf die Bühne und schleudert Kunstblut in die Meute. Nach dem Konzert kann zumindest jeder Fan, der vom Kunstblut verschont wurde, mehr als zufrieden nach Hause gehen.

Ein ALICE COOPER-Konzert mit solch einer Show und einem sowohl stimmlich als auch sonst souveränen Frontmann wird wohl immer einen Besuch wert sein.

Setlist
1. It's Hot Tonight
2. No More Mr. Nice Guy
3. Under My Wheels
4. I'm Eighteen
5. Is It My Body
6. Woman
7. Feed My Frankenstein
8. Acoustic
9. Be My Lover
10. (In Touch With) Your Feminine Side
11. Dirty Diamonds
12. Vengeance Is Mine
13. Halo Of Flies
14. Welcome To My Nightmare
15. Cold Ethyl
16. Only Women Bleed
17. Steven
18. Dead Babies
19. Ballad Of Dwight Fry
20. Devil's/Killer/I Love The Dead
21. School's Out
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22. Billion Dollar Babies
23. Poison

Redakteur:
Tilmann Ruby

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