Anthrax - Oberhausen

27.03.2017 | 19:07

21.02.2017, Turbinenhalle

Among the Nostalgie!

"Among The Kings" – die New Yorker hätten kein passenderes Motto für ihre kommenden Gigs finden können. So kann man bereits erahnen, wohin der Thrash-Hase läuft. Zum einen blickt ANTHRAX auf das letzte, noch aktuelle Album "For All Kings", zum anderen geht es stolze 30 Jahre zurück, als eine der wegweisendsten Platten der Metal-Historie veröffentlicht wurde. So feiert "Among The Living" in diesem Jahr seinen runden Geburtstag, was die Jungs um Scott Ian zum Anlass nehmen, es gebührend – auch in Deutschland – zu zelebrieren. So wird die Turbinenhalle in Oberhausen Zeuge eines mehr als denkwürdigen Abend in diesem Februar.

Doch bevor sich die Giganten in den imaginären DeLorean setzen, fungiert THE RAVEN AGE aus England als Support. Die Band um George Harris, Sohn des IRON MAIDEN-Bassisten Steve Harris, hat zu Beginn leider mit einer äußerst überschaubaren Zuschauermenge zu kämpfen. Doch als Sohn eines britischen Löwen weiß man damit umzugehen und zockt das Set spielfreudig herunter als gäbe es kein Morgen mehr. Mit 'Promised Land' und 'Eye Among The Blind' gibt es auch recht ansprechende Rock-Kost, auch wenn der mehr als bescheidende Sound nicht gerade in die Karten spielt. Trotzdem darf man sich schon auf das Debüt "The Darkness Will Rise" freuen – wenn die Jungs ähnlich agil und hungrig agieren wie heute in Oberhausen, dann haben wir sicherlich nicht zum letzten Mal etwas von THE RAVEN AGE gehört.

Doch kommen wir endlich zum Hauptact des heutigen Abends, ANTHRAX, zu dem sich der Zuschauerraum zunehmend füllt. Zwar ist die Turbinenhalle an diesem Dienstagabend noch längst nicht ausverkauft, was in Anbetracht des historischen Kerngedankens fast schon eine Beleidigung ist, doch nehmen wir es positiv und drängeln uns ungeniert ein paar Reihen nach vorne, um der Bedeutung der kommenden zwei Stündchen gerecht zu werden. So kommen Belladonna, Ian und Konsorten schnurstracks auf die Bühne, werden frenetisch mit Applaus gefeiert, die Mosh-Party kann angepfiffen werden. Ohne zu zögern und ohne Tamtam gibt es mit 'A.I.R.' und dem fabelhaft nostalgischen 'Madhouse' den ersten Keulenschwung.

Direkt im Anschluss folgen mit 'Evil Twins', 'Blood Eagle Wings' und 'Breathing Lightning' Stücke neueren Datums, die lediglich vom superben 'Medusa' – "Spreading The Disease" lässt grüßen – und 'Fight 'Em 'Til You Can't' – auch "Worship Music" möchte sich beteiligen" – unterbrochen werden. Die Stimmung ist gut, zwar noch nicht ausgelassen, doch langsam, aber sicher zocken sich ANTHRAX in einen Rausch. Das Stage-Acting lässt keine Wünsche offen, der Sound hat sich auch zunehmend verbessert und mit 'Be All, End All' geht der erste Block langsam dem Ende entgegen. Nun folgen die eigentlichen Highlights, die "Among The Living"-Diamanten werden in die Menge geworfen und nicht wenige am heutigen Abend fühlen sich in die 1980er Jahre zurückversetzt. Der Opener, 'Caught In A Mosh', 'I Am The Law' oder 'N.F.L.' werden doch desöfteren live genossen und neuerdings kann sich auch das wuchtige Brett 'Skeletons In The Closet' in die Liste einreihen.

Doch endlich auch einmal 'One World' und 'A.D.I./ Horror Of It All' live zu hören, ist einfach nur fantastisch. ANTHRAX an sich hat bei den Uralt-Perlen mächtig viel Spaß und diese Spielfreude schießen sie auch mit voller Wucht ins Publikum. Die Turbinenhalle kocht langsam. Zu guter Letzt folgen noch drei weitere Highlights der ANTHRAX-Diskographie. Some Wardance? Bitte schön – 'Indians' geht richtig gut ab. 'Imitation Of Life' ist allererste Sahne und abschließend darf natürlich das TRUST-Cover 'Antisocial' nicht fehlen. ANTHRAX bleibt heute überhaupt nichts schuldig, denn selbst in meinen feuchtesten Träumen habe ich mir den Gig am heutigen Abend nicht so bockstark vorgestellt. Nostalgie trifft auf Thrash, Riffs auf den Geist der Vergangenheit, ANTHRAX auf die Turbinenhalle in Oberhausen und überall knallt es gewaltig.

Unter großem Applaus und in sehr viele strahlende und zufriedene Gesichter blickend werden die New Yorker Haudegen in den wohlverdienten Feierabend entlassen – das hat einfach nur großen Spaß gemacht. Ein Abend der besonderen Art – ANTHRAX hat versprochen und Wort gehalten. Fraglich ist, ob das in Zukunft in dieser Klasse nochmal wiederholt werden kann. Ein kompletter "Spreading The Disease"-Abend würde sicherlich ähnlich viel Spaß machen wie der heutige. So steige ich nach dieser Lektion in Sachen Thrash Metal ins Auto, peile dein Heimweg an und schmeiß "Among The Living" in den CD-Player. Die ersten Takte vom Titelstück und die Gänsehaut ist wieder da.

Redakteur:
Marcel Rapp

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