BLIND GUARDIAN und CARTHAGODS - Istanbul

18.05.2015 | 22:15

14.05.2015, Maçka Küçükçiftlik Park

Ein mal eben nach Istanbul, für BLIND GUARDIAN und meine Jungs von CARTHAGODS. Ist zwar ein ganz schöner Akt für ein einzelnes Konzert, aber einer, den ich im Nachhinein nicht missen möchte.

Dass ich mal BLIND GUARDIAN, eine deutsche Band, am äußersten Rand Europas erleben würde, hätte ich bis vor kurzem auch nicht geglaubt. Aber dann bekam CARTHAGODS, das neueste Signing meines kleinen Labels, die Gelegenheit, die Show in Istanbul zu eröffnen. Dazu wird es in einem gesonderten Bericht mehr geben, hier wollen wir uns auf die Krefelder konzentrieren, die in Istanbul einen ihrer beiden Gigs in der Türkei spielen. Das neue Album im Gepäck und auf einer ausgedehnten Welttournee ist Istanbul nur eine von vielen Stationen, aber aufgrund der Situation darf ich auch das Geschehen hinter der Kulisse miterleben, und da stelle ich fest, dass die Deutschen einen professionellen und gleichzeitig entspannten Eindruck machen. Was aber auch an der guten Organisation des lokalen Veranstalters Vera Music Productions liegt. Alles läuft wie am Schnürchen, hier sind Profis am Werk, die den Zeitplan minutiös einhalten und eine Umgebung schaffen, in der alle Verantwortlichen den Tag locker bestreiten können. Zu keiner Minute kommt so etwas wie Hektik auf. Stattdessen viel Zeit für den Soundcheck auch für die Vorgruppe CARTHAGODS, die heute durch die unglücklichen Umstände stark ersatzgeschwächt antritt. So musste der etatmäßige Bassist Yassine zwei Tage vor dem Gig gegen den ehemaligen Tieftöner Nad ausgetauscht werden. Und zu allem Überfluss gab es Pass-Probleme bei Marcel Coenen, so dass die Band auf ihren Leadgitarristen verzichten muss.

Trotzdem reisen die verbliebenen Vier an und spielen einen leicht verkürzten Gig, der nur vier Lieder enthält. Ebenfalls extra eingeflogen: die am 12. Juni erscheinende Debüt-CD. Immerhin, zwei Stück werden verkauft, der Anfang ist gemacht. Knapp dreißig Minuten dauert der Auftritt, der vom Publikum sehr begeistert aufgenommen wird, aber natürlich ist der Applaus am größten, als Mehdi, Sänger von CARTHAGODS, viel Spaß mit BLIND GUARDIAN wünscht.

Pünktlich auf die Minute, nach der Running Order im Backstage-Bereich immerhin genau um 21:54 Uhr, eröffnet 'The Ninth Wave' den Gig. Logisch, erst einmal etwas Neues. Aber was auf dieser Tour auffällig ist, ist die Tatsache, dass BLIND GUARDIAN einen schönen Querschnitt durch alle Phasen ihrer Karriere spielen. Denn gleich als zweiten Song gibt es 'Banish From Sanctuary'. Man hat es einfach nicht nötig, irgendwelche Ansprüche an die Fans zu proklamieren, es gibt einen Best-Of-Set mit ein paar eingeflochtenen neuen Songs, die sich gut einfügen und kaum für einen Begeisterungsabriss sorgen. Das Bühnenbild ist dementsprechend zwar auf das neue Werk "Beyond The Red Mirror" abgestimmt, aber nicht zu dominant. Danach 'Nightfall', 'Fly' und 'Tanelorn'. Man kann sich vorstellen, dass ein solches Tripple bei BLIND GUARDIAN-Fans völlige Begeisterung auslöst. Hansi Kürsch ist der Mittelpunkt des Geschehens, er redet mit den Fans, hat ein paar türkische Phrasen parat, die für Freude sorgen, und kündigt obendrein an, dass auch diese Show, wie alle anderen der Tour, für ein Live-Album mitgeschnitten werde. Natürlich braust Jubel auf.

Allerdings kommt nun ein leichter Durchhänger. Zwei neue Lieder, darunter das ruhige 'Miracle Machine' als Abschluss und 'Prophecies', die einen Klassiker einrahmen, nämlich das auf dieser Tour fest integrierte, aber sonst eher selten gespielte 'The Last Candle' vom "Tales of The Twilight World" Album. Doch als ob dies die Ruhe vor dem Sturm gewesen wäre, gibt es mit 'Lord Of The Ring' den Mitsingklassiker der Band vom gleichen Album. Es ist eine Gänsehautatmosphäre, eine solche Menge Menschen dieses Lied mitsingen zu hören. Ein ganz besonderes Erlebnis, und noch dazu wenn man es so weit entfernt des Heimatlandes erlebt. Ja, ich muss sagen, ich bin auch ein bisschen stolz auf BLIND GUARDIAN, da kommt dann doch so etwas wie Patriotismus auf, dass die Jungs, die ich mittlerweile auch schon seit über zwei einhalb Dekaden bewusst höre und die mich schon so lange begleiten, auch in fremden Ländern so beliebt sind. Und wie um mich zu foppen hauen sie nach Altem, nämlich 'Majesty', das tatsächlich auf wiederholte Forderungen der Fans spontan seinen Weg in die Setlist findet, und relativ Neuem, 'Otherland', noch das Meisterstück 'And Then There Was Silence' zum Abschluss des Sets hinterher. Meine Güte, was gehen die Türken ab. Und die Tunesier neben mir auch! Wahnsinn!

Zwar ist die Location in Harbiye, Istanbul, nicht komplett ausverkauft, aber die Stimmung könnte nicht besser sein. Es ist einfach die Kombination aus Spielfreude und großen Melodien, die BLIND GUARDIAN so unwiderstehlich zelebriert. Dass sie die Bühne verlassen, ist natürlich nur ein symbolischer Schritt, immerhin hatte Hansi Kürsch vorher bereits 'The Bard’s Song' angekündigt. Genug Klassiker hat die Band mittlerweile, sodass trotz der bereits gespielten Lieder genug hochwertiges Material für zwei Zugabenblöcke bleibt. Darin eingebunden findet sich sogar noch ein neuer Song vom aktuellen Album mit 'Twilight of The Gods', den ich durchaus gerne eingetauscht hätte. Nicht weil er etwa schlecht wäre, nein, aber weil noch so viele Klassiker fehlen, die wir alle noch hören wollen! Aber irgendwann neigt sich auch dieser Gig dem Ende entgegen, und nach beinahe zwei einhalb Stunden verklingt 'Mirror Mirror' unter großem Jubel und die Band verlässt zufrieden lächelnd, aber auch durchaus erschöpft die Bühne.

Es steht fest, dass BLIND GUARDIAN ihren Fans auf dieser Tour einen fast perfekten Streifzug durch die Bandhistorie liefert. Dabei wechselt die Setlist aber regelmäßig. So wurden am Vorabend in Ankara vier Lieder gespielt, die heute nicht zum Zuge kamen, und heute zwei Lieder, die sich am nächsten Tag in Sofia nicht auf der Liste fanden. Das ist bei komplexen Stücken wie die der deutschen Vorzeigemetaller durchaus eine gesonderte Erwähnung wert und sorgt dafür, dass man sich auch ruhig mehr als ein Konzert der Tour ansehen kann. Ich habe BLIND GUARDIAN heute zum fünften Mal gesehen, und ich bin sicher, die nächste Tour werde ich wohl auch nicht verpassen dürfen. Die Jungs machen einfach Spaß.

Redakteur:
Frank Jaeger

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