Blackfield - Bochum

02.03.2007 | 12:59

26.02.2007, Matrix

Seit sich PORCUPINE TREE-Chef Steven Wilson vor ein paar Jahren mit dem israelischen Singer/Songwriter Aviv Geffen zusammengetan hat, um sich unter dem Banner BLACKFIELD melancholischer Popmusik zu widmen, dürfte er endgültig nur noch zwischen Bühne und Studio pendeln und seinen Tag auf 30 Stunden erweitert haben. Für den Musikfreund hat dies den Vorteil, dass er erfreulich regelmäßig mit den Ergüssen des begnadeten Engländers konfrontiert wird.

Dass sich der Name BLACKFIELD mittlerweile weiterverbreitet hat, weil ein paar PORCUPINE TREE-Fans ihre nicht aus der Progrock-Ecke kommenden Freunde von der Qualität des im Unterschied zu Wilsons Hauptbetätigungsfeld eingängigeren Materials überzeugen konnten, schlägt sich in dem im Vergleich zum ersten Bochum-Abstecher Ende 2004 gestiegenen Publikumszuspruch nieder. Und wäre Steven Wilson wie COLDPLAY-Sänger Chris Martin mit einer berühmten Schauspielerin zusammen oder Aviv Geffen auch hierzulande ein Star (in seiner Heimat ist er auch aufgrund seines politischen Engagements ein Idol der jungen Generation), würde man demnächst auf die größeren Hallen des Landes ausweichen müssen.

Schon beim Support-Act PURE REASON REVOLUTION steht man im vorderen Teil der Matrix angenehm oder unangenehm dicht gedrängt – je nachdem, wer neben einem auftaucht. Und die aufstrebenden Newcomer rechtfertigen das Interesse der Zuschauer. Sie schlendern auf die Bühne, bringen die diversen Elektronikspielereien in Gang, schultern Bass und Gitarren und spacen dann für 45 Minuten gepflegt ab. Gediegen rocken können sie allerdings auch. Klampfer Jamie Willcox sieht dabei jedoch unfreiwillig komisch aus, weil er sich passend zu seinem äußeren Erscheinungsbild (weiße Krawatte zu schwarzem Hemd und schwarzer Jacke, fransige Britpop-Unfrisur), das von vorne bis hinten auf Viel-Lärm-um-nichts-Schülercombo von der Insel getrimmt ist, auch das affige Gezucke der gehypten Landsleute draufgeschafft hat. An der Tatsache, dass sich das Quartett viele neue Freunde macht (das großartige Debüt "The Dark Third", das kürzlich über InsideOut endlich auch in Deutschland veröffentlicht wurde, geht nach dem Konzert auffallend gut weg), ändert das jedoch nichts. Mit seiner Mischung aus PORCUPINE TREE-light, PINK FLOYD, Psychedelic Rock und klischeefreien Indie-Versatzstücken trifft es fast mit Ansage den Nerv der Zuschauer.

Für Beifallsbekundungen ob der Klasse von 'Voices In Winter', des ganz feinen Elfminüters 'The Bright Ambassadors Of Morning', 'Nimos & Tambos' oder des fast schon elektro-rockigen 'In Aurelia' bleibt allerdings keine Zeit, da der Vierer so gut wie alle Tracks lückenlos ineinander übergehen lässt. Passend dazu haben sie's mit der Kommunikation absolut nicht. Im Vordergrund stehen die sphärische Musik und die stimmungsvollen Videoprojektionen. Teilweise verschwindet die Band regelrecht auf der Bühne, weil auch eine Lichtshow quasi nicht stattfindet. Dabei könnten sie es sich locker leisten, die in der Mitte positionierte Bassistin/Co-Sängerin Cloe Alper, deren Stimme live etwas schriller kommt als auf Platte, optisch hervorzuheben. Das haben PURE REASON REVOLUTION allerdings nicht mal ansatzweise nötig. Und als der Gig nach einem dreistimmigen A-cappella-Satzgesang von trancigen Clubsounds beendet wird, weiß man auch so, dass man gerade eine talentierte Formation mit Zukunft gesehen hat. Bitte schnell wiederkommen und dann auch 'Goshens Remains' spielen!

Im Anschluss haben BLACKFIELD erwartungsgemäß keine Probleme, abzuräumen. Mit 'Once', dem wunderbaren Opener des aktuellen Albums "II", finden sie den perfekten Einstieg. Und die Blicke sind von Anfang an (natürlich) auf Steven Wilson gerichtet, der während des Gigs allerdings alles tut, um sich nicht in den Vordergrund zu schieben - was man auch von den PORCUPINE TREE-Gastspielen gewohnt ist. Außerdem dokumentiert Aviv Geffens Solospot nach der ersten Hälfte des Konzerts seinen Status innerhalb der Band. Am Keyboard intoniert er den Debüt-Track 'Glow', dem sich das ebenfalls nur mit Keyboard-Untermalung, allerdings von Steven Wilson gesungene ALANIS MORISSETTE-Cover 'Thank U' (zu finden auf dem ersten Teil von Wilsons in kleiner Auflage vertriebenen "Cover Version"-Single-Serie) anschließt.

Während der gesamten Show, die keineswegs 'ne Depri-Veranstaltung ist, überkommen einen wohlige Schauer, was bei dem emotionalen 'Pain', dem sehnsüchtig groovenden 'Epidemic', den ergreifenden '1.000 People' (Gänsehaut!), 'Miss U' (Gänsehaut!), 'End Of The World' (Gänsehaut!) und 'Where Is My Love?', das in drei Minuten das Thema Herzschmerz sowohl musikalisch als auch textlich so brillant, treffend und lebensnah beschreibt, dass man einmal kurz durchatmen muss, kein Wunder ist. Und hier offenbart sich mir ein weiteres Mal der größte Unterschied zu den stilistisch gar nicht so weit entfernten (und durchaus guten) COLDPLAY: BLACKFIELD nehme ich auch am heutigen Abend ihre Melancholie, jeden Ton, jedes Wort der bodenständig-poetischen Lyrics und jeden Gefühlsausbruch ab, während mir bei der Chris-Martin-Mannschaft auch mal das Wort "Gepose" in den Sinn kommt. Dass ein inflationär verwendeter Begriff wie "genial" bei einem Ausnahmekünstler wie Steven Wilson ausnahmsweise angebracht ist, drängt sich eben doch permanent auf.

Die Zeit vergeht wie im Flug, und nach dem Zugabenblock bestehend aus 'Hello', dem einfach noch mal gebrachten 'Once' und 'Cloudy Now' hat man eigentlich noch lange nicht genug. Aber da demnächst das neue PORCUPINE TREE-Album ansteht, wird man zumindest Steven Wilson schon bald wieder zu Gesicht bekommen. Schöne Aussichten.

Redakteur:
Oliver Schneider

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