Blutengel - Leipzig

13.03.2008 | 14:14

07.03.2008, Werk 2

Nach dem großartigen Erfolg der "Labyrinth"-Tour im Jahr 2007 beschlossen die Jungs und Mädels von BLUTENGEL, zu Beginn des noch jungen Jahres vier weitere Shows abzuhalten. Eine davon steht uns nun kurz bevor: Vor dem durch das WGT auch international bekannten Werk 2 zu Leipzig steht um kurz nach 20 Uhr eine wahnsinnige Schlange. Wie sollen die alle da reinpassen? Was nicht passt wird passend gemacht, so dass am Ende natürlich alle Unterschlupf finden werden. Der aufmerksame Beobachter entdeckt vor den Toren jedoch eine Besonderheit - ein großer Videoproduktions-Truck macht sich breit und lässt erste Ahnungen auf die Einzigartigkeit des Abends hochsteigen. Was zunächst für Freude sorgt, schlägt aber schnell in Ernüchterung um, denn durch die DVD-Aufzeichnung bleibt es mir leider versagt, es mir im Fotograben gemütlich machen zu können. Dafür darf ich das ganze Konzert knipsen - ist doch auch was.

Es ist 20.40, F.O.D. legen los und der musikalische Abend kann beginnen. Munterer Electro-Pop, der mich leider viel zu oft an die Jungs von AND ONE erinnern sollte, durchströmt das bereits prächtig gefüllte Werk 2. "Synthesizer Tanzmusik" heißt das neue Album und mit dem Titeltrack eröffnen F.O.D. den knapp 30-minütigen Auftritt. Sänger Daniel animiert in regelmäßigen Abständen das Publikum, doch schon ein bisschen aus sich heraus zu gehen und nicht alle Energie für den Headliner aufzubewahren. Klatschen soll die Crowd - einige kommen dem nach, andere spucken aufs Gesetz und ziehen sich erstmal eine Zigarette durch. Echt blöd, wenn man sich mit Ende 30 wie im Kindergarten aufführen und den Rebell mimen muss. Das junge Volk hat auch nikotinfrei Spaß und schwingt vereinzelt das Tanzbein oder nickt artig mit dem frisch gestylten Köpfchen. Mit 'Runaway' folgt der nächste AND ONE-Klon, der die Gesamtstimmung nicht wirklich in die Höhe treiben kann. Doch dann folgt ein wenig Abwechslung - dass man das nach dem zweiten Lied schon sagen muss, spricht für sich. Ex-BLUTENGEL-Sängerin Eva Poelzing betritt die Bühne, um wie schon auf dem aktuellen Album zusammen mit Daniel einige Liedchen zu trällern. Genau genommen sind es drei Songs, bei denen die beiden in harmonischer Eintracht brillieren. u. a. 'Archangel's', bei dem es Daniel anscheinend zu heiß wird und er sich seines weißen Jacketts entledigt. Passend dazu sein Kommentar zu den Fans, dass die Stimmung am Brodeln sei - gut, kann man so sehen, muss man aber nicht. Weiter geht es mit einem DEPECHE MODE-Cover, was vor allem bei den älteren Semestern ankommt, einem Schmusesong und dem abschließenden 'Counting The Days', vor dem sich Daniel gutgelaunt bei der Crew, bei BLUTENGEL und natürlich den Fans bedankt.

Nun heißt es warten, warten, warten. Immerhin soll ja die neue DVD von BLUTENGEL an diesem Abend aufgezeichnet werden. Daher gibt sich die Crew noch mal extra Mühe, um ja alles im rechten Licht erscheinen zu lassen. Soundcheck als solchen gibt es aber nicht - Halbplayback hat natürlich auch so seine Vorteile. Nach gut 25 Minuten ist es dann endlich so weit, ich habe mich tapfer nach vorne gekämpft um einigermaßen gute Bilder zu machen - leider verstanden das diverse Schwarzkittel nicht und straften meine Fragen und Bitten mit Ignoranz. Tja, man muss ja auch nicht alles verstehen!

Das Intro 'Into The Labyrinth' ertönt: "Willst du sterben?" fragt eine düstere Off-Stimme und versucht dabei, ein kleines Kind zu beeindrucken. Die Videoleinwand wird freigegeben: Ein Labyrinth, eine Hand und jede Menge Pathos füllt den Hintergrund aus, bevor Schwarz auf Weiß der Grund für das zahlreiche Erscheinen der Fans erscheint. BLUTENGEL - Labyrinth.

Mit 'Singing Dead Man' kommen Chris Pohl, Constanze Rudert und Ulrike Goldmann unter frenetischem Jubel auf die Bühne. Das Terzett kann das Publikum sofort packen, während im Hintergrund zwei junge Damen schwarze BLUTENGEL-Fahnen schwenken. Pyros werden auch schon ausgepackt, so dass man hier von einem hervorragenden Start sprechen kann. Ein fescher Friedhof erscheint beim folgenden 'Beauty And Delight' auf der Leinwand, während Christian und seine Mädels erneut zusammen diese seichte Popnummer intonieren. Etwas düsterer und packender wird es bei 'Bloody Pleasure'. Die Bühne wandelt sich in ein finsteres rotes Meer, leicht bekleidete Mädchen betören die Kuttenmänner, die Sängerinnen und schließlich auch Herrn Pohl persönlich, der es sich natürlich nicht nehmen lässt und für die Kameras ordentlich das Gepose aus der Tasche zieht.

Chris begrüßt das Leipziger Publikum, alles kreischt - da kann sich selbst eine alter Profi wie er das Lächeln nicht verkneifen. Nach 'My Savior' folgt das wunderschöne 'Die With You', bei dem sich Chris und Constanze ein herzzerreißendes Duell liefern und mit Mimik und Gestik wunderbar den melancholischen Inhalt rüberbringen. Showtechnisch wird hier wahrlich Großes geboten. Chris verliert, macht sich vom Acker und überlässt Constanze die Bühne. Doch ganz allein bleibt sie dennoch nicht: Während sie 'Sunrise' zum Besten gibt, wird sie die ganze Zeit von zwei geheimnisvollen Kuttenträgern begleitet, die die Bühne mit ihren Feuerfackeln abermals in einen optischen Leckerbissen verwandeln. Nur frage ich mich, ob man wirklich immer ins Textbuch schauen muss, um die meist doch recht simplen Lyrics textsicher an den Mann bzw. Frau zu bringen. Zwar kaschiert man diese offensichtliche Schwäche mit diversen eleganten Buchständern, aber ablesen ist nun mal ablesen.

Weiter geht's mit der (fast) One-Woman-Show: 'Keine Ewigkeit', bei dem diesmal der Text für alle sichtbar auf der großen Leinwand erscheint, so dass auch die letzten Reihen fein mitträllern können. Diesmal zappeln die beiden jungen Damen im Hintergrund in zwei dunklen Stoffsäcken - tja, dumm gelaufen. So schnell kommt ihr da aus der Nummer nicht raus. Oder doch? Denn schon beim folgenden 'Black Roses' sind die beiden geschlüpft und haben sich in zwei wackere Rosenfrauen verwandelt. "Wolle Rose kaufe?" - Von Kaufen spricht hier keiner, denn die Mädels werfen ihr gesamtes floristisches Hab und Gut in die Masse. Auch Männer sind multitaskingfähig. Zumindest in diesem Moment, denn mit der Kamera am Auge gelingt es mir doch tatsächlich, eines der begehrten Souvenirs aus der Luft zu fischen, wie man es selbst im Superbowl nicht besser gesehen hat. Stolz wie Oskar überreiche ich das zarte Blümchen meiner reizenden Begleitung. Hach, wie süß! Weiter im Text: 'Go To Hell' ertönt (ich muss unweigerlich an SCOOTER denken) und Chris Pohl kehrt unter großen Applaus zurück. Obwohl hier ein klassischer Tanzflächenfüller geboten wird, bleibt das Publikum leider sehr ruhig - gemäß des ollen Werbespruchs "Nur gucken - nicht anfassen!". Aber wer kann es ihnen verübeln, denn optisch macht der Auftritt bisher wirklich eine gute Figur, was man musikalisch nicht immer sagen kann.

Zurück zur Gegenwart und zum aktuellen Output "Labyrinth". Denn neben Bein- und Hüftenschwingern gibt es auch die typischen Herzschmerz-Popsongs, wobei 'I Remember' einen wirklich gelungenen darstellt. Chris' musikalisches Zusammenspiel mit Constanze ist erneut eine Augenweide. Gegenseitig schütten sie sich ihre kleinen Herzel aus, dass man den beiden ihrer dramatische Konversation fast Glauben schenken mag. Zusammen mit einem tollen Videohintergrund, auf dem zwei alte Gemälde erscheinen, worin die Personen in alten Büchern blättern und die schmerzhafte Vergangenheit Revue passieren lassen, ergibt sich eine ganz besonders gefühlvolle Atmosphäre, bei der selbst die Härtesten zum Taschentuch greifen. Genug mit der Gefühlsduselei - es folgt die aktuelle Single 'Lucifer', bei der sich zwei Nonnen im Hintergrund aufstellen und den Fans ein ums andere Mal ihre netzige Unterkleidung präsentieren. Pohl zeigt Jesus den Stinkefinger, bevor sich die Nonnen zur Freude der männlichen Zuschauer endgültig entblättern. Mit 'Gloomy Shadows' geht es wieder einen Schritt in Richtung Vergangenheit, als BLUTENGEL es neben sanften Popsongs auch ab und zu noch krachen ließen. Begleitet von Bildern aus "Sleepy Hollow" kämpft Pohl mit der Vergangenheit und zwei teuflichen Damen, die ihn wohl mit in die Unterwelt bzw. Unterwäscheabteilung entführen wollen.

Doch Chris bleibt standhaft und präsentiert den Fans im Anschluss 'When The Rain Is Falling'. Weiter geht der wilde Ritt mit 'Love Killer' - Liebestöter gibt es ja 'ne Menge, unter anderem romantisches Gesinge der Marke "The moon shines sprite" (bitte genau so aussprechen!). Den Fans ist es Wurst und so erschüttert alle paar Minuten kollektives Gekreische das altehrwürdige Werk 2. Doch nicht nur das, mehrere lautstarke Explosionen auf der Bühne lassen die Halle beben und meine Hand an der Kamera zittern. Selbst Chris repariert seine Ohren nach jedem Knall aufs Neue. Schon sind wir am Ende angekommen: Chris kündet den letzten (?) Song an - und was gäbe es da besseres als 'Engelsblut', dem Mitsingklassiker aus dem Hause BLUTENGEL. Alles singt (was auch seine Nachteile hat), Pohl freut es sichtlich und er fordert die Fans energisch auf, die geheiligten Zeilen aus den singenden Mündern entgleiten zu lassen. Tänzerin Sonja hat sich ein schickes rotes Engelskostüm umgeworfen, schwingt die Flügel und muss aufpassen, nicht vom Druck des Gesangs aus den ersten Reihen weggeweht zu werden. Aber keine Sorge, alles geht gut und die Band verlässt unter tosendem Applaus die Bühne.

Doch lange bleibt die Stage nicht leer, die Zugabe-Rufe sind einfach zu laut. Und bevor den Fans noch die Stimmen versagen, kehrt Ulrike mit 'Seelenschmerz' zurück. Der Hintergrund wird beherrscht von einem feierlichen und bedrohlich wirkenden Altar, vor dem ein geheimnisvoller Mönch sein seltsames Ritual vollführt. Doch Ulrike wird gut beschützt von düsteren Kuttenträgern zu ihrer Seite, die ihr Gesicht jedoch mit einer weißen Maske verhüllen und keinen Einblick in ihr Innenleben ermöglichen. Chris kommt zu 'Oxidising Angel' lässig mit Zigarette zurück, wirft sie irgendwo hin und fragt "Wollt ihr noch was hören?" - Jubel! Sonja lässt sich die Partystimmung unter den Fans nicht entgehen und holt ihre Videokamera aus der Kiste. Voller Freude filmt sie das begeisterte Publikum, und auch Herr Pohl kann die gute Laune nicht verbergen. Erneut wird das letzte Lied angekündigt - na, was fehlt noch? Genau, ohne 'Children Of The Night' geht hier keiner nach Hause. Zwei Fackelmänner (Axel Schulz ?) und Fackelfrauen bringen Feuer ins Spiel - offenbar der richtige Heißmacher für Obervampir Chris, welcher der arme Ulrike einfach so in den Hals beißt. So geht's aber nicht! Bevor meine Sorge um die junge Frau ins Unermessliche steigt, kracht es erneut und ein Glitzerpapier-Regen überflutet die ersten Reihen. Wer kümmert sich schon um gebissene Frauen, wenn man im Papierregen steht?

Erneut ist Feierabend, doch Ruhe gibt hier keiner - so dass nach wenigen Minuten Chris Pohl die Bühne entert und einen besonderen Leckerbissen ankündigt. Eine durchsichtige Wand wird aufgebaut, Sonja dahinter, und die ersten Töne von 'Der Spiegel' erklingen. Während Chris sich in Rage singt, verzweifelt Sonja und schreibt schließlich mit Blut in großen Lettern das Wort "Help" auf den symbolisierten Spiegel. Schließlich kann sie sich doch noch befreien, um beim letzten Song 'Vampire Romance' fürchterliche Rache zu nehmen, indem sie die ersten Reihen mit Blut bespuckt und dabei so manches Kleidungsstück verfärbt. Mist - daher tragen die alle Schwarz! Die Kamera wird auch noch erwischt und verschwindet panikartig in den Niederungen der Tasche. Begleitet von alten Live-Aufnahmen der Band bedanken sich Chris Pohl, Constanze und Ulrike beim Leipziger Publikum und sagen Lebwohl.

Somit geht nach fast zwei Stunden ein optisch unterhaltsamer Gig zu Ende. Eine feine Bühnenshow und prima aufgelegte Akteure sorgten für wundervolle Unterhaltung, die ein ums andere Mal die limitierte musikalische Präsentation überdecken konnte. Insgesamt auf jeden Fall Thumps Up, wobei auch alle nicht Anwesenden sich auf die Veröffentlichung dieses Konzerts auf DVD freuen dürfen.

Setlist:
Into The Labyrinth
Singing Dead Man
Beauty And Delight
Bloody Pleasures
My Saviour
Die With You
Sunrise
Keine Ewigkeit
Black Roses
Go To Hell
I Remember
Lucifer
Gloomy Shadows
When The Rain Is Falling
Love Killer
Engelsblut
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Seelenschmerz
The Oxidising Angel
Children Of The Night
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Der Spiegel
Vampire Romance

Redakteur:
Enrico Ahlig

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