Bullet For My Valentine - Wiesbaden

02.12.2008 | 21:38

28.11.2008, Rhein-Main-Halle

BULLET FOR MY VALENTINE, LACUNA COIL, BLEEDING THROUGH - bei diesem Tourpaket darf sich durchaus gewundert werden. Ein breites Spektrum verschiedener Metalstile, zusammengepfercht in einer Show, mit Publikum, das untereinander unterschiedlicher kaum sein könnte. Da stechen zunächst die Orange-County-Coreler BLEEDING THROUGH mit schwerwiegendem Hardcore-Einschlag (mittlerweile mehr mental als musikalisch), düsterem Brutalo-Sound und potentiell blessurlastigen Live-Shows hervor. Daneben stehen die so gar nicht brachialen Italiener LACUNA COIL rund um Frontschönheit Cristina Scabbia, eher gotisch angehaucht, mit zarten Melodien vor einer dichten Gitarrenwand. Und ganz oben drauf sitzen BULLET FOR MY VALENTINE - für viele alteingesessene Metalheads DAS Klischee der Kommerzband, jedoch letztens sehr erfolgreich unterwegs auf längst zugewachsenen METALLICA-Pfaden. Man muss den Veranstaltern durchaus den Mut anerkennen, ein abwechslungsreiches Programm gestrickt zu haben - doch kann das überhaupt funktionieren?

Für mich sind BLEEDING THROUGH die eindeutige Motivation für einen Besuch des Spektakels in der Wiesbadener Rhein-Main-Halle. Die Amis haben sich, von vereinzelten Festivalshows abgesehen, in den letzten Monaten recht rar gemacht und kommen nun mit "Declaration", dem wohl mächtigsten Album der Bandhistorie, zurück nach Deutschland.

Mit meiner Vorliebe für Düster-Hardcore scheine ich heute jedoch relativ alleine zu stehen. Im Meer von BULLET FOR MY VALENTINE-T-Shirts fühle ich mich fast schon deplatziert. Und dass Keyboarderin Marta bei Erscheinen auf der Bühne von den Umstehenden als "Sängerin von LACUNA COIL" identifiziert wird, bestätigt meinen Eindruck. Dazu kommt, dass ich mit meinen 24 Jahren tatsächlich das Gefühl habe, den Altersdurchschnitt dramatisch zu erhöhen. Mit Erklingen des Intros 'Finnis Fatalis Spei' sind jedoch erstmal alle Zweifel verflogen - das Publikum jubelt und ist offensichtlich bester Dinge. Brandan stellt "BLEEDING THROUGH from Orange County, California" vor, und dann bricht mit dem Titeltrack des neuen Albums die musikalische Hölle los.

Die Jungs sind mit einem (übrigens auch den Rest des Abends) durchgängig klasse Sound ausgerüstet und walzen in bester DIMMU BORGIR-Manier die ersten Reihen nieder. Es lässt sich nicht leugnen - diesen Härtegrad haben die wenigsten erwartet. Dennoch scheint die Truppe bestens anzukommen, und nach kurzer Zeit ist ordentlich Bewegung in der Masse. BLEEDING THROUGH verzichten vollständig auf Midtempo-Tracks und blasen einen Highspeed-Song nach dem anderen in die Menge. 'For Love And Failing' und 'Orange County Blonde And Blue' laden zu stets größer werdenden Circle Pits ein, und bei 'Revenge I Seek' hechtet Brandan nach längerem Aufenthalt am Wellenbrecher feet first ins Publikum.

Die Band präsentiert sich äußerst nahe an der Menge. "There are no egos up here, no fuckin' rockstars. Without all of you, this wouldn't happen." Klare Ansage, und Wiesbaden ist längst auf BLEEDING THROUGHs Seite. Einige Songs mit Clean-Passagen bringen Abwechslung ins Set, bei denen auch Bassist Ryan Wombacher tatkräftig einsteigt. Während der Band der Spielspaß deutlich anzumerken ist, lässt Altklampfer Brain Leppke ein wenig die Mundwinkel hängen, singt dafür aber fleißig mit. Neu-Mitglied Jona dagegen ist agil wie ein Schneehase und hat sichtlich Freude in seinem neuen Club.

Der Rolle als Vorband ist es geschuldet, dass das Set relativ früh zu Ende geht. Zum Abschluss haben BLEEDING THROUGH mit 'Sister Charlatan' das niederträchtigste Osterei ausgepackt, das sie haben. 'Death Anxiety' bleibt aus, obwohl letztens als Single ausgekoppelt. Die Jungs ernten den wohlverdienten Applaus, und entgegen meiner Erwartungen haben sie scheinbar einen großen Teil der Anwesenden für sich gewinnen können. Mir persönlich fehlen ein wenig die alten Songs, aber das Problem wird einen niemals loslassen. Insgesamt ein sehr amtlicher Gig mit einer ebenso amtlichen Songauswahl.

Setlist:
01. Finnis Fatalis Spei
02. Declaration
03. For Love And Failing
04. Orange County Blonde And Blue
05. Love Lost In A Hail of Gunfire
06. Revenge I Seek
07. Kill To Believe
08. Sister Charlatan

Am Merchandise zerfallen dann erstmal sämtliche "no fuckin' rockstar"-Ansagen angesichts der horrenden T-Shirt-Preise zu Staub. Es ist fest davon auszugehen, dass BLEEDING THROUGH sich dem "Niveau" von BULLET FOR MY VALENTINE anpassen mussten - anders sind dreißig Euro für ein Shirt nicht zu erklären. Über das Thema ist genug geschrieben worden, denke ich. Dennoch sollte so manches Management mal auf geistige Gesundheit geprüft werden. Dummerweise laufen genug Leute mit den dort angepriesenen Tourshirts rum - es scheint also genug Menschen zu geben, die solche Wucherpreise zu zahlen bereit sind.

Nun kann ich mich zurücklehnen und den Rest der Show genießen, während mein schweißgetränktes Shirt langsam durch Körperwärme trocknet. LACUNA COIL besteigen nach erfreulich kurzem Umbau die Bretter und versuchen, die Nachwirkungen des Soundgewitters BLEEDING THROUGH zu vertreiben. Der Stilwechsel liegt anfangs doch etwas schwer im Magen, fällt einem die Umgewöhnung von Brandans Hassorgan auf Miss Scabbias Engelsstimme doch nicht allzu leicht. Nach zwei Songs Eingewöhnungsphase sind die Italiener jedoch vollständig angekommen und spielen ein routiniertes Set, das meinem persönlichen Musikgeschmack zwar nicht zusagt, der Masse jedoch gut gefällt und auch handwerklich einwandfrei ist.

Die Aufteilung in zwei Sänger ist optisch immer etwas zwiespältig - einer von beiden sieht stets etwas unbeschäftigt aus. LACUNA COIL wissen das ganz gut zu kaschieren und feuern das Publikum mit allem, was sie haben, an. Leider gehört dazu auch eine unsägliche Coverversion von DEPECHE MODEs 'Enjoy The Silence', was mich dazu treibt, nach draußen zu flüchten, und mal am Tourbus nach Gesprächspartnern zu suchen. Hier ist allerdings nichts zu holen - im guten alten Western-Stil parken die Busse im geschlossenen Kreis, die noch offenen Lücken sind mit Absperrungen gestopft. Schade, der Schwatz mit BLEEDING THROUGH fällt (auch aufgrund der Kombination von nassem Shirt und Eiseskälte) leider aus.

Drinnen sind LACUNA COIL bereits fertig und haben Platz für das vermeintliche Highlight des Abends gemacht. Die Waliser lassen sich ein wenig mehr Zeit als ihre Vorturner, dafür ist der Publikumsjubel bei Erklingen der ersten Töne umso größer. BULLET FOR MY VALENTINE haben ganz klar "Heimvorteil", und bei '4 Words (To Choke Upon)' oder 'Tears Don't Fall' erweisen sich vor allem die jungen Fans als äußerst textsicher. Verglichen mit ihrem With-Full-Force-Auftritt wissen die Jungs sich deutlich selbstbewusster zu präsentieren und überraschen mich mit präziser Technik und stimmungsvollen Ansagen. Dennoch bleibt der Grundeindruck, dass BULLET FOR MY VALENTINE stets etwas neben der Szene stehen, der sie musikalisch mehr oder minder zugehörig sind. Das mag auch daran liegen, dass die neueren, wesentlich metallastigeren Songs nicht so gut anzukommen scheinen wie das ältere Material. Und so werden BULLET FOR MY VALENTINE ihrer Headliner-Rolle zwar vollends gerecht - als Fan haben sie mich dennoch nicht gewonnen.

Redakteur:
Dennis Hirth

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