CANNIBAL CORPSE - Osnabrück

10.11.2014 | 20:57

06.11.2014, Rosenhof

Gewohnt schmackhafte Prügelkost der Kannibalen.

Ein für Hackebeil-Death-Metal sehr starker sechster Platz im POWERMETAL.de-Soundcheck, dabei neun Punkte von Martin Loga (zum Hauptreview) und – so viel Bescheidenheit muss sein – mir: Irgendwas muss CANNIBAL CORPSE auf dem aktuellen Output "A Skeletal Domain" mal wieder verdammt richtig gemacht haben. Live tut die vielleicht bekannteste reine Death-Metal-Band das schon immer, völlig unabhängig von aktuellen Veröffentlichungen. Wir begeben uns heute in den Rosenhof (Osnabrück), um uns die wohltuende Tracht Kannibalen-Prügel abzuholen.

Gerne hätte ich mir auch schon von AEON hier und da eine verpassen lassen, aber wenn die erste Vorband bereits vor dem offiziellen Beginn vorbei ist, dann ist das a) doof und b) doofer. Insbesondere für die Band selbst, die aufgrunddessen weniger Leute zu Gesicht und von mir nun auch leider keine Zeilen bekommt. Diese spontanen Änderungen nerven. Sicherlich gibt es Gründe, die sie notwendig machen, aber dann soll man dies doch bitte auch auf der Homepage der Location und weiteren Kanälen kommunzieren! Aber nun gut, das ist kein spezielles Problem dieses Konzerts und soll nun auch der einzige Makel dieses Abends bleiben.

Denn was REVOCATION anbietet, verbuche ich als klasse Auftritt eines stilistisch sehr passenden Anheizers. Rhythmisch bemerkenswert variantenreich prügeln sich die Bostoner durch ihren alles andere als alltäglichen Death Metal. Dabei bietet die Band gleich zwei Arten von Nackenbrechern: Zum einen solche, die schlichtweg brutal ins Genick gehen, und zum anderen jene, die einen aufgrund der Vertracktheit nicht in eine runde Bewegung kommen lassen. Spaß macht beides. Farbtupfer gibt es immer wieder durch sehr feine Soli, die durchaus mal eigenwillig daherkommen, aber nie vollkommen willkürlich neben, sondern in deutlicher Verbindung zu der teilweise nicht weniger schräg-geschobenen Harmonik stehen. Zu dieser musikalischen Rundumversorgung ist zusätzlich mit David Davidson ein gut gelaunter, sympathischer Frontmann und trotz kurzer Spielzeit eine Setlist mit Songs der letzten fünf Veröffentlichungen auf der Haben-Seite zu verbuchen. Auch wenn sich die Anwesenden vor der Bühne mit eigens gelebter Action noch etwas zurückhalten und ihre Kräfte schonen, sind die Reaktionen mehr als ordentlich. Das war sehr fein, REVOCATION!

Anschließend füllt sich die Tanzfläche der (für diese Veranstaltung absurd schicken) Location: CANNIBAL CORPSE awaits. Wie in der Vergangenheit, so auch in der Gegenwart: Die Amis sind die so ziemlich schlichteste Band oberhalb des Garagenniveaus überhaupt. Kein Intro. Kein Posen. Nicht einmal die Bühne wird richtig verdunkelt. Die fünf Herren kommen auf die Bretter, nehmen ihre Arbeitsplätze ein und legen los. Wie die Feuerweh-... nein: wie Feuer. Faszinierend zu beobachten, gleichzeitig aber unkontrollierbar und saugefährlich. 'Staring Through The Eyes Of The Dead', 'Fucked With A Knife' und 'Stripped Raped And Strangled' ist das wahnwitzige Eröffungstripel, dass keine Zeit zum Warmwerden und Eingrooven lässt – die Schlacht ist hier und jetzt. Beim vom Punkt weg besten Sound, den ich bisher bei CANNIBAL CORPSE erleben durfte, hackt sich die Truppe chirugisch präzise durch ihr Set. Meist grob, manchmal fein. Das gilt für die Klassiker genau so wie für die neuen "A Skeletal Domain"-Nummern, welche immerhin drei an der Zahl sind.

Über die Routine, mit der CANNIBAL CORPSE den Abend durchzieht, kann man dabei teilweise wirklich lachen. Die Setlist ist in kompakte 3er- oder 4er-Blöcke eingeteilt, nach denen sich die Band komplett vom Publikum abwendet, sich den Amps und der Flasche Wasser zuwendet und erst einmal für locker 60 Sekunden einen Feuchten auf jeden Pubklikumskontakt gibt. Unprofessionell? Vielleicht. Aber auch irgendwie konsequent, wenn beispielsweise eine Lichtshow erst gar nicht existiert: Ein konstantes Bescheinen mit rot-weißen Licht ohne jeden Nebel tut doch schließlich auch seine Wirkung. Sowas passt einfach in das Gesamtbild: Hier regiert der Death Metal, alles andere (wie die wenigen, jedoch stets höchst trashigen Ansagen des Corpsegrinders) ist Nebensache. Schön, dass eine der Urbands des Genres dies auch heute noch vorlebt.

Die Legende ist musikalisch nämlich nach wie vor kompromisslos, eigenständig, relevant – und in ihrem Stil irgendwie auch konkurrenzlos. Da ist das gerade präsentierte Stück auch nahezu zweitrangig, denn bei CANNIBAL CORPSE fetzt der Sound einfach immer. Die Meute im Moshpit gibt sich gut auf die Glocke, alle anderen versuchen es dem fantastischen Schreihals George Fisher (mit zweifelhaftem Erfolg) gleichzutun und montieren sich die Rübe ab. Wenn die Songs zum Ende hin dann auch noch 'I Cum Blood', 'A Skull Full Of Maggots' und 'Hammer Smashed Face' heißen, ist der Verstand ohnehin schon über die Alpen. Gebrüll, Gekloppe, Gefrickel, Gewalze, Gebreake: Bei CANNIBAL CORPSE alles Ge-nial.

Nach 19 Songs und fast 80 Minuten Death-Metal-Vollbedienung dürfte auch der letzte Nacken brennen und jede Birne purer Brei sein. Die Osnabrücker Nachtluft tut gut. CANNIBAL CORPSE an einem beliebigen Werktag sowieso.

Setlist: Staring Through The Eyes Of The Dead, Fucked With A Knife, Stripped, Raped And Strangled, Kill Or Become, Sadistic Embodiment, Icepick Lobotomy, Scourge Of Iron, Demented Aggression, Evisceration Plague, Dormant Bodies Bursting, Addicted To Vaginal Skin, The Wretched Spawn, Pounded Into Dust, I Cum Blood, Disposal Of The Body, Make Them Suffer, A Skull Full Of Maggots, Hammer Smashed Face, Devoured By Vermin.

Redakteur:
Oliver Paßgang

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