CRYPTEX - Augsburg

05.05.2015 | 09:44

04.05.2015, Spektrum

Konzert statt Tatort am Sonntag-Abend: wie immer lohnenswert.

Ich gebe zu, es bedarf doch immer auch wieder etwas an Aktivierungs-Energie, sich aufzuraffen und hinzugehen. Zumal es ein ungemütlicher, verregneter Sonntag ist. Und die Band, um die es heute geht, kenne ich nun gerade mal eine Woche lang. Aber das aktuelle Album"Madeleine Effect" hat mir so gut gefallen, das ich mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, diese neue Band am Prog-Himmel anzuschauen. Und neugierig war ich auch, wie die Burschen die vielen ausgefeilten, mehrstimmigen Gesangs-Parts meistern würde, die ich ein bisschen als ihr Alleinstellungs-Merkmal sehe. Aber so etwas geht ja live oft in Hose...

Ich dachte, ich wäre zu spät dran, bei Einlass um sieben und Ankunft um halb neun. Aber ich war zu früh. Denn die gerade spielende Vorband PUSSY LOVERSZ fand ich mit ihrem schrammeligen Fun-Punk-Party-Metal und Songtiteln wie 'Number One In Sex City' genauso schlimm wie ihren Namen.

CRYPTEX ist ein kleine Band und dies merkt man auch am mageren Publikums-Zuspruch. Ich wundere mich zudem, dass die Tische und Stühle bis fast vor die Bühne aufgestellt sind. Von dort gibt es einen "Sicherheits-Abstand" von etwa zehn Metern bis zum anfangs recht scheuen Publikum. Das tut der Stimmung dieser bühnenerfahrenen Jungs (man hat u.a. schon THRESHOLD und PAIN OF SALVATION supportet) jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil, gutgelaunt und hochmotiviert startet man in 'The Knowledge Of Being': "Liiiiife can beee a rollercoastaaaaa". Jawohl, die  Chorgesänge sitzen! Und live hat CRYPTEX’ Musik auch gleich ein bisschen mehr Schmackes als auf CD. "Madeleine Effect" ist mir noch frisch in Erinnerung und so kann ich bei 'Romper Stomper' wunderbar mitsingen, die Musik ist nämlich sehr eingängig, unheimlich optimistisch und macht viel Spaß! Blickfang ist Häuptling Simon Moskon, der zunächst wie ein Jon Oliva oder Damon Fox (BIGELF) hinter seinem Keyboard posiert. Wobei, im direkten Vergleich mit dem beiden Granden fehlt ihm vielleicht doch noch etwas die Extravaganz und Eleganz. Mich erinnert er eher an eine Prog-Variante von ORDEN OGANs Seeb, immer für ein Späßchen zu haben und fast hyperenergetisch, als würde er eigentlich lieber in einer Power-Metal-Band spielen.

Gesanglich ist die Band top notch, das ist feinste Rock-Performance, da gibt es nix zu mäkeln. Allerdings passiert mir und offenbar auch dem Publikum das, was mir auch auf Platte bisweilen passiert ist: Die Aufmerksamkeit glitscht mitunter weg, die Finger gehen zu den Hand-Telefonen, Gespräche in kleinen Kreisen entwickeln sich. Die Band verliert sich in der Mitte des Gigs einfach zu sehr in ihrem Schöngeist. Dieselbe Kritik habe ich auch schon beim Studioalbum gehabt.

Doch CRYPTEX reißt das Ruder geschickt um, Simon greift zum Bass und mit zwei Gitarren wird die Musik sofort heavier, grooviger, tanzbarer, was zusammen mit der nimmermüden, sympathischen Animation das Publikum wieder einfängt, sogar begeistert. Vielleicht braucht die Band noch zwei, drei Lieder wie das famose 'New York Foxy' (kommt sicher auf die Jahres-Song-Liste!), das sehr druckvoll-metallisch dargebotene 'Leviathan' oder den Rausschmeisser 'Grief And Despair' (beide vom Debüt "Good Moorning, How Did You Live?"), dann wird der Weg der Gruppe sicher bald steil nach oben gehen. Mir selber gefällt "Madeleine Effekt" beim Hören während der schreiberischen Konzertaufbereitung besser denn je. Schönes Ding!

Setlist: The Knowledge Of Being, Ribbon Tied Swing, When The Flood Begins, Romper Stomper, Stroking Leather, Release My Body, Madame De Salm, Dance Of The Strange Folk, Orange Blossom, City Girl, Melvins Coolercoup, A Quarter Dozen In Ounces, Leviathan, Grief And Despair; Zugabe: Anthem Of Glory

Redakteur:
Thomas Becker

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