Coheed & Cambria - Berlin

04.09.2005 | 17:00

31.08.2005, SO 36

Es gibt kaum eine Band, die mich in den letzten Jahren so umgehauen hat wie die New Yorker COHEED & CAMBRIA, die mit ihrem variablen Mixtur aus Emo, Prog, Rock, Pop und dem dazugehörigen Sci-Fi-Konzept in null Komma nix einen Platz in all meinen Bestenlisten erklommen. Und da auch das in Kürze erscheinende Album "Good Apollo, I'm Burning Star IV, Vol. I" wieder ein absoluter Leckerbissen geworden ist, war ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen, ob sie live die brillante Leistung der DVD "Live At The Starland Ballroom" erreichen könnten.

Die Rahmenbedingungen hätten kaum besser sein können. Zwar war es höllisch heiß, aber da das SO 36 nur zu etwa 2/3 gefüllt war, konnte man das noch aushalten. Und auch die Preise waren sehr fanfreundlich gehalten. Eintritt 16,- EUR, T-Shirts 15,- EUR und die ersten beiden Alben für 10,- EUR sind ja heutzutage längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
(Peter Kubaschk)

FAREWELL TO WORDS
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Für leichte Verwirrung sorgte zunächst die Vorband - zum einen, weil es sich nicht um die auf der Eintrittskarte angekündigten AMUSEMENT PARKS ON FIRE handelte (wobei es mich ja wirklich sehr interessiert hätte, was sich hinter diesem Bandnamen verbirgt), zum anderen, weil die als Ersatz verpflichtete junge Berliner Band FAREWELL TO WORDS für die meisten der Anwesenden ein viel zu hartes Brett aufgefahren haben dürften. Sehr viel Hardcore mit sehr viel aggressiven Screams und Growls und nur sehr vereinzelten melodischen Elementen, wobei Sängerin Monique, die einen Großteil ihrer Parts im Hocken absolvierte, fast noch wütender brüllte als ihr männliches Pendant Mo. An der sehr agilen Show gab es nichts zu meckern, jedoch fehlte die musikalische Abwechslung, gerade weil FAREWELL TO WORDS auf ihrem Demo "An Offer You Can't Refuse" teilweise deutlich ruhigere Töne anschlagen. Die beiden darauf enthaltenen Stücke wurden zwar ebenfalls gespielt, wirkten aber live härter, und vor allem der klare Gesang von Monique klang ziemlich miserabel. Dabei hat das Sextett durchaus gute Ideen, schreit aber beispielsweise die melodischen Gitarrenparts aus gleich zwei Kehlen in Grund und Boden. Die Reaktionen gingen entsprechend von "schrecklich" über "ich weiß auch nicht, ob sein oder ihr Gebrüll schlimmer waren" bis hin zum fluchtartigen Verlassen der Konzerthalle. FAREWELL TO WORDS waren eindeutig fehl am Platz - und können es, wenn man das Demo als Referenz heranzieht, eigentlich viel besser.
(Elke Huber)

COHEED & CAMBRIA
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Von mir kam das "ich weiß auch nicht.."-Zitat zu den FAREWELL TO WORDS. (Anmerkung von Elke: Ich habe dies aber fast wortwörtlich nochmals von zwei Jungs in den ersten Reihen gehört, als ich während der Umbaupause schon mal die Fotografen-Position einnahm.) Doch glücklicherweise hatte ich das unverletzt nach 30 Minuten überstanden. Ebenso lang war die folgende Umbaupause bis dann endlich Claudio Sanchez (v.), Travis Stever (gt.), Michael Todd (b.) und Joshua Eppard (dr.) den Gig mit dem neuen Track 'Welcome Home' eröffneten. Da das neue Album erst in einigen Wochen erscheint, war der episch-dynamische Song dem Großteil des Publikums noch nicht bekannt, aber bei mir brachte er schon alle Gliedmaßen zum Zucken. Geiler Einstand.

Dabei sind COHEED & CAMBRIA kein wirklicher Augenschmaus auf der Bühne. Genau genommen standen da einfach vier Collegeboys auf den Brettern und zockten ihre Songs. Claudio Sanchez sah man dank seines Wuschelkopfs fast gar nicht. Hatte ein bisschen was von einem Bobtail. (Anmerkung von Elke: Er sah jedenfalls nicht so aus, wie er singt - Waldschrat würde es auch gut treffen.)

Die Setlist konzentrierte sich nach dem eher progressiven Opener sehr auf die kurzen, flotten, eher poppigen Hits wie 'Blood Red Summer', 'Three Evils', 'Devil In Jersey City', 'Junesong Provision', 'A Favor House Atlantic' oder 'Everything Evil'. Huch. 'Everything Evil' kam schon nach 38 Minuten. Und ich wunderte mich, denn normalerweise ist das der letzte Track des regulären Sets. Und konsequenterweise gingen COHEED & CAMBRIA danach auch schon von der Bühne. Nicht nur ich dürfte etwas verwirrt gewesen sein und dachte, es sei eine Art Verschnaufpause wegen der Hitze. Doch dummerweise machte Michael Todd mit seiner Ankündigung 'Okay, we'll play two more' gar keinen Scherz. Zwar folgten mit dem völlig genialen 'In Keeping Secrets Of Silent Earth: 3' - bei dem vom Publikum gesungenen Chor muss man einfach Gänsehaut kriegen! – und dem sehr leidenschaftlich intonierten 'The Final Cut' vom neuen Album noch zwei Überlange Songs doch war danach dann tatsächlich schon Schicht im Schacht. Licht an und raus. Nach 55 Minuten.

Ganz ehrlich. So sehr ich diese Band schätze und ihre Musik liebe. 55 Minuten sind ein Witz für einen Headliner. Zumal es keine Erklärung dafür gab. Ich hätte ja Verständnis, wenn die Stimme von Claudio angeschlagen oder der Rücken von Drummer Joshua kaputt wäre. Aber einfach so nach 55 Minuten von der Bühne zu gehen, ist eine Unverschämtheit.

So bekommt die Band noch eine zweite Live-Chance, wo sie gefälligst neben einigen neuen Stücken auch 'The Crowing' und 'The Light & The Glass' zum Besten geben. Ich möchte nämlich, dass eine der aufregendsten Bands unserer Zeit auch auf der Bühne zum Besten gehört, was das Biz zu bieten hat.
(Peter Kubaschk)

Redakteur:
Peter Kubaschk

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