Crematory (Listening Session) - Donzdorf

27.03.2004 | 06:19

28.02.2004, Nuclear Blast-Headquarters

Nuclear Blast hatte geladen, um die ersten Eindrücke einer Revolution pfälzischer Machart zu vermitteln - und man durfte sehr gespannt sein.
Immerhin hatten sich CREMATORY nach dem letzten Longplayer "Belive", der Compilation "Remind" und einer ausgedehnten Abschiedstour eigentlich aufgelöst.
Doch nach mehr als zwei Jahren absoluter Funkstille meldet sich die Band nun in unveränderter Besetzung zurück, engagiert, mutig, und voller Tatendrang.
Der Titel des Anfang Mai erscheinenden, neuen Albums "Revolution" ist mit Sicherheit nicht zufällig gewählt worden, denn es hat sich einiges im urtypischen Gothic-Metal-Sound des ehemaligen Szene-Flaggschiffs geändert.

Doch der Reihe nach: Nach der Ankunft bei den NB-Headquarters in Donzdorf durfte die versammelte Journalisten-Meute erst einmal in einem äußerst geräumigen, mit etlichen Flipperautomaten und einer fetten Leinwand mitsamt ordentlichem Soundsystem ausgestatteten "Wohnzimmer" bei Kaffee und Kuchen herumlümmeln, bevor dann endlich der Startschuss zur Präsentation von "Revolution" fiel.

Eingeleitet vom sehr elektronisch ausgefallenen Intro 'Resurrection' (ebenfalls ein passend gewählter Titel) nahm die Revolution ihren Lauf: 'Wake Up', der erste Track, ließ aufhorchen. Ungewohnt hart bratende Klampfen, ein ordentlicher Groove und eine düstere, fast schon unterkühlt wirkende Synthie-Atmosphäre: Das war man bisher nicht von CREMATORY gewohnt. Der Song klingt deutlich erwachsener, die Band gereifter und selbstsicherer. Das Stück lebt von Felix' bekannten Growls und wird durch einige Breaks schön aufgelockert. Definitiv ein gut gewählter Opener.
Darauf folgte die Single-Auskopplung 'Greed', ein CREMATORY-Ohrwurm vor dem Herrn, bei dem mich persönlich nur der nervige Keyboard-Sound bei der Einleitung stört. Ansonsten ein recht typisches Stück pfälzischer Gothic Metal, auch wenn hier die deutlich heftiger agierenden Klampfen und die Sample-Spielereien im Hintergrund wieder hervorstechen. Den einprägsamen Refrain teilen sich Matze und Felix in bravouröser Manier, toller Song.
Dann die ersten großen Überraschungen: 'Reign Of Fear' und 'Open Your Eyes' sind sehr elektronisch, synthie-betont ausgefallen und weisen eine Menge Sample-Einsätze auf, anstatt normalem Drumming fühlt sich der Hörer hier eher an Drumbeats erinnert, zu denen die erneut tief riffenden Gitarren einen deutlichen Kontrapunkt setzen. Huch. Begleitet werden auch diese Stücke von der eher düsteren, kalten Elektro-Atmosphäre, welche sich durch das ganze Album hindurch zieht.
'Tick Tack' ist der einzige deutsche Song auf "Revolution", den ich höchstens als halb gelungen bezeichnen würde. Zum einen finde ich den Text nicht sonderlich gelungen, zum anderen erinnert die Refrain-Melodie doch mehr als deutlich an RAMMSTEINs 'Engel' - auch wenn die Band später versicherte, dass dies kein bewusster Einfluss war, hinterlässt dies doch einen eher faden Beigeschmack. Das hohe Niveau zu Beginn kann die Platte bisher nicht halten.
Bei 'Solitary Psycho' hat man dann meines Erachtens den Album-Tiefpunkt erreicht, ein ausdrucksloses, fast schon überflüssiges Stück Musik, welches sich sehr monoton durch die Boxen quält.
Mit 'Angel Of Fate' und dem Titelsong 'Revolution' gibt es zwei recht typische CREMATORY-Songs zu bestaunen, die beide überdurchschnittlich gut ausgefallen sind. Zwar ist einem der Aufbau bereits nach zehn Sekunden Hören geläufig, aber um progressives Songwriting oder vertrackte Arrangements geht es bei CREMATORY ja auch nicht.
'Human Blood' und 'Red Sky' zeigen die Pfälzer dann ihre anscheinend neu entdeckte Vorliebe für deutlich härtere Sounds, und auch wenn gerade letzterer Song ein wenig pseudo-hart wirkt, so läuft das Endprodukt doch ganz gut rein.
Mit 'Farewell Letter' schließt sich dann der zwölfteilige Kreis, wie bereits auf "Believe" schließt das Quintett das Album mit einer ruhigen, von Matze gesungenen Ballade ab, die mit einem nachdenklichen Text und einfühlsamen Gesang überzeugen kann.

Summa summarum lässt sich sagen, dass es im Hause CREMATORY einige markante Veränderungen bzw. Modifikationen des ureigenen Sounds zu vermelden gibt. So gehen die Gitarren deutlich heftiger zu Werke, sind aber nicht so omnipräsent, wie ich es mir manchmal gewünscht habe. Allgegenwärtig hingegen sind die Synthie-Spielereien, Electro-Einflüsse und Samples, welche in fast jedem Song auftauchen und mindestens im direkten Hintergrund eine tragende Rolle spielen, sogar sehr Electro-betonte Songs gibt es zu bestaunen.
Angenehm fällt auf, dass die Truppe - bis auf 'Greed' - fast gänzlich auf die bisher typische Keyboard-Untermalung verzichtet hat, welche nun zugunsten der elektronischen Stilmittel weichen muss. Tut dem Gesamtsound auf jeden Fall gut.
Dennoch ist nicht alles Gold, was auf "Revolution" glänzt. Vielleicht mag auch das betretene Schweigen der versammelten Journalisten-Schar ein Indiz gewesen sein, aber es gibt eindeutige Schwachstellen auf dem neuen Werk. Zumindest einen Song würde ich als Totalausfall bezeichnen, und mir persönlich sagt die stilistische Ausrichtung von Tracks wie 'Reign Of Fear' oder 'Open Your Eyes' nicht sonderlich zu. Das Ganze wirkt ehrlich gesagt ein wenig aufgesetzt, ebenso wie die "harte" Atmosphäre im späteren Albumverlauf. Mit dem deutschen Song hat sich die Band mit Sicherheit auch keinen Gefallen getan, die "Plagiat!"-Rufe werden deutlich lauter schallen als die Jubelbekundungen.
Es stellt sich außerdem die Frage, wie die (nicht gerade wenigen) eingeschworenen Fans auf die etwas modifizierte Stilausrichtung reagieren werden. Mit 'Greed' sind sie zunächst aber mal sehr gut bedient.
CREMATORY zeigen sich auf "Revolution" deutlich gereift, "erwachsener" und vor allem selbstsicherer. Man merkt es den Kompositionen deutlich an, dass sie ohne stilistischen Druck oder Zeitdruck entstanden sind, und ich gratuliere der Band zu dem Mut, die etwas eng gesteckten Grenzen des eigenen Sounds zu verlassen. Auch wenn meiner Auffassung nach nicht alles auf "Revolution" stimmt, ein Schritt in die richtige Richtung stellt das Album allemal dar.

Nach der Präsentation des Albums wurden auch die beiden Videoclips zu 'Greed' (befindet sich auf der Single) und 'Revolution' (dementsprechend auf dem Album) vorgestellt, welche besonders durch die extrem professionelle Aufmachung überzeugen können. Der Clip zu 'Greed' erinnert vom Setting und Ablauf her ein wenig an SOUNDGARDENs 'Black Hole Sun' und 'Move' von den H-BLOCKX, ist aber ebenso wie sein Album-Gegenpart sehr nett anzuschauen.

Danach ging es weiter ins Nachbarkaff Reichenbach, wie gehabt ins "Bürgerstüble", wo es neben einem ausgiebigen Abendmahl (mitsamt lecker Spanferkel) auch ausgiebige Interview-Sessions gab.
Wie immer an dieser Stelle ein Dank an Nuclear Blast für den größtenteils reibungslosen Ablauf und die gute Organisation.

CREMATORY - Revolution
VÖ: 03.05.2004

1. Resurrection
2. Wake Up
3. Greed
4. Reign Of Fear
5. Open Your Eyes
6. Tick Tack
7. Angel Of Fate
8. Solitary Psycho
9. Revolution
10. Human Blood
11. Red Sky
12. Farewell Letter

Redakteur:
Rouven Dorn

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