DER W - Neu-Isenburg

26.05.2013 | 21:00

26.05.2013, Hugenottenhalle

DER W rockt beim Heimspiel, neben DUNDERBEIST auch noch die Rock'n'Roll-Overdose im Gepäck. Höhepunkt einer Tour, die gleich zweimal vor dem Aus stand.

Da brodelt die Hugenottenhalle: Ex-ONKEL Stephan Weidner alias DER W feiert das Frankfurter Heimspiel in der Neu-Isenburger Nachbarschaft und entschädigt seine Anhängerschaft bestens dafür, dass die Tour beinahe auch ein zweites Mal ins Wasser gefallen wäre. Zuerst musste sie Ende vergangenen Jahres wegen der Folgen von Stephans Armbruch verschoben werden, kurz vor der diesjährigen Wiederholung brach er sich drei Rippen. Die ersten Auftritte wurden gestrichen, den Fans aber die Möglichkeit gegeben, ein anderes Konzert zu besuchen. In der Hugenottenhalle wird ihnen dafür umso mehr geboten: Neben der gewohnten norwegischen Vorband DUNDERBEIST packt Stephan auch noch die Rock 'n' Roll-Overdose vorne dran, eine eigene kleine, aber feine Tour. Value for money.

Als die Dänen SUPERCHARGER und die spanischen Rocker '77 schon Nachmittags ab 16 Uhr loslegen, ist es noch vergleichsweise leer in der geräumigen Halle. Das ändert sich so langsam ab THE NEW BLACK, die samt Mundharmonika eher Metal-lastigen Rock zelebrieren und gerne mal breit grinsend vor den Fotografen posieren. Mit Unterhemden, Mützen und Sonnenbrillen bewaffnet sorgen dann die V8WIXXER für Stimmung. Die V8WANKERS auf Deutsch, schwerstens tätowiert, den Flachmann im Anschlag und die Mittelfinger durchgeladen – das passt bestens in Vorprogramm. Höhepunkt des Rock 'n' Roll-Programms sind PSYCHOPUNCH, und die schwedischen Punk 'n' Roller haben sichtlich Spaß. Breit grinsend, alle bekleidet mit weißen Hemden und schwarzen Westen, feuern sie ihre melodischen Refrains ins mittlerweile gut gefüllte Rund (ist die Hugenottenhalle echt rund? FJ), während bei den ruhigeren Passagen auch die Roadies am Bühnenrand die Arme schwenken.

Mit DUNDERBEIST hat sich Herr Weidner dann eine Vorband der etwas anderen Art an Bord genommen: Sechs norwegische Pandas (zumindest mit zerlaufener schwarzer Tünche um die Augen) zelebrieren so etwas wie Psychobilly der härteren Gangart. Während gleich zwei Sänger wild gestikulieren, bangen und sich im Kreis drehen, schwankt die Musik zwischen Klavier-Intros, Geboller und experimentelleren Parts zum Mitklatschen. Das große Backdrop wird von Pentagramm-ähnlichen Gebilden umrahmt, der Lichtmischer holt erstmals alles aus der Beleuchtung raus – da fragt man sich, wie bei dem lautstarken Spektakel eine junge Dame in der dritten Reihe seelenruhig mit ihrem Handy telefonieren kann. Stephan beweist jedenfalls mal wieder ein Händchen für unkonventionelle Vorgruppen.

Kurze Zeit später entert DER W dann selbst unter großem Applaus die Bühne und begrüßt nach dem Opener 'Operation Transformation' und einer Verbeugung Neu-Isenburg erstmal wie selbstverständlich mit "Hallo Frankfurt!". Der Großteil der jubelnden Anhängerschar dürfte ohnehin aus seiner Heimat stammen. Zu 'Stille Tage im Klischee' greift er neben seinem Mikro im Fünfziger-Jahre-Stil selbst zur Gitarre und rockt mit seinen Kollegen Dirk Czuya, Henning Menke und Schlagzeuger JC Dwyer richtig drauflos. Und das ganze zwei einhalb Stunden und 22 Songs lang! Über der Bühne mit weißen Amps ragt ein überdimensionales W, das in verschiedenen Farben aufleuchtet. Stephan lässt sich eben auch in Sachen Deko nicht lumpen und wendet sich mit einer Fußball-Ansage erstmals länger ans Publikum: "Der Abend wäre viel geiler, wenn die Eintracht heute drei Punkte in Mainz geholt hätte." Aber auch so soll es ein echter Triumphzug werden, woran auch kleinere Texthänger oder Stephans schmerzende Rippen nichts ändern können. "Wehe, einer von euch bringt mich heut zum Lachen", flachst er, oder: "Entweder seid ihr so geil, oder meine Schmerzmittel lassen nach!" Zu 'Schatten' packt er wie gewohnt ein Megaphon aus, ehe mit der Ballade 'In stürmischer See' erstmals der Fuß vom Gaspedal genommen wird.

Wem die Songs vom aktuellen Album "III" zu sperrig sind, dem zeigt das Quartett, wie das Publikum den Refrain von 'Mordballaden' in zwei Hälften geteilt mitsingen kann. Das augenzwinkernde 'Urlaub mit Stalin' darf natürlich ebenso wenig fehlen wie 'Pack schlägt sich, Pack verträgt sich', das auf der Wunschliste vieler Fans ganz oben steht, entsprechend abgefeiert wird und das reguläre Set beendet. Mit 'Der W zwo drei' geht's zurück auf die Bühne, während der Refrain von den drei großen, leuchtenden W-Strichen über der Bühne angezählt wird. Nach dem nachdenklich stimmenden 'Kafkas Träume' will Stephan seinem Basser grinsend was vom Gehalt abziehen – der platzt ihm nämlich zu früh in seine Ansage zu 'Geschichtenhasser'. Zum Abschluss gibt’s dann noch etwas der Kategorie unerwartet: "Ich habe immer gesagt, ich werde das Thema ONKELZ nie wieder anrühren", erzählt deren einstiger Mastermind. Aber dann hätten ihn seine Mitstreiter ewig wegen einem Cover bearbeitet. Für Weidner ein rotes Tuch – bis ihm ein Kompromiss einfiel. Schließlich sang er das ausladende 'Regen' einst selbst. "Wer meint, der Weidner hat mit einem seiner Vorsätze gebrochen, kann ja schonmal die Halle verlassen", provoziert Stephan grinsend. Gehen will natürlich noch niemand, und so bildet der fast neun minütige Song ein würdigen Abschluss. Lange Gitarrensoli, noch längerer Applaus und unzählige Verbeugungen. Wohl auch für die Band der Höhepunkt der Tour und eines Heimspiels absolut gerecht!

Setlist: Operation Transformation, Stille Tage im Klischee, Machsmaulauf, Herz voll Stolz, Lektion in Wermut, Schatten, An die, die wartet, Judas, Mein bester Feind, In stürmischer See, Mordballaden, Urlaub mit Stalin, Vergissmeindoch, Nein, nein, nein, Leinen los, Ein Lied für meinen Sohn, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich; Zugabe: Der W zwo drei, Kafkas Träume, Geschichtenhasser, Regen

Redakteur:
Carsten Praeg

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