DYNAMO OPEN AIR - Hellendoorn (NL)

12.05.2005 | 11:55

07.05.2005, Festivalgelände

MASTERPLAN

Auf der letzten Tour waren MASTERPLAN Gänsehaut pur. Das Konzert in Weert Ende März gehört zu meinen persönlichen Highlights des bisherigen Jahres, und so war ich mir heute auch sicher, dass MASTERPLAN auf dem Dynamo ihren Weg gehen würden. Komischerweise war in den vordersten Reihen aber noch massig Platz. Man hätte sich in der zweiten Reihe auch auf den Boden setzen können, es hätte niemanden gestört. Jorn Lande versuchte dementsprechend, das Publikum schnell auf seine Seite zu ziehen, doch es wollte ihm im Laufe des 50-minütigen Gigs nie so richtig gelingen. Lediglich ein paar eingeschworene Fans reckten an vorderster Front die Fäuste und sangen mit, auf die Frage wie es den Leuten ginge, antwortete indes kaum jemand. Damit hätten wir auch geklärt, warum die Durchstarter des letzten Jahre so früh ran mussten.
Das alles soll aber nicht heißen, dass MASTERPLAN keinen guten Gig ablieferten. Im Gegenteil, besonders Jorn Lande war hoch motiviert bei der Sache, Uli Kusch und seine Mitglieder zur linken Seite bangten und forderten die Fans zum Mitklatschen auf, und lediglich Roland Grapow zockte sein Set recht routiniert runter. Die Setlist war dabei in erster Linie auf das Debüt abgestimmt, von dem unter anderem die erste Single ’Enlighten Me’, ’Heroes’, ’Kind Hearted Light’ und das abschließende ’Crawling From Hell’ gespielt wurden. 'Back For My Life’ und 'Crimson Rider’ komplettierten die Liste, in der man einzig den meiner Meinung nach besten Track ’Spirit Never Dies’ hätte unterbringen soll. Ansonsten: erneut starker Gig, der leider nur mit sehr mäßigen Reaktionen bedacht wurde.

TRIVIUM

Mit ihrem neuen Album “Ascendancy“ sind TRIVIUM vor einigen Wochen so richtig durchgestartet und gelten seitdem als das nächste große Ding in der Metalcore-Szene. Ihr heutiger Gig zeigte auch ganz genau warum, denn eine Band mit so viel Energie und Leidenschaft findet man im ganzen Metal-Bereich nur sehr selten. Die Jungspunde rockten sich im kleinen Zelt wirklich den Arsch ab und zockten fast die Hälfte der neuen Songs herunter. Stilecht in METALLICA-, OVERKILL- und VENOM-Shirts gekleidet, pflegten die beiden Gitarristen und der Sänger den Kontakt zum Publikum nach jeder Nummer, forderten zum Mitsingen auf und erhielten neben verdientem Applaus ca. 500 in die Luft gestreckte Fäuste als Belohnung. Unverständlicherweise lichteten sich die Reihen jedoch kurz vor Ende; das hatten TRIVIUM echt nicht verdient, denn die Jungs hatten wirklich alles gegeben und verschwanden daher auch ziemlich erschöpft nach dieser Energieleistung aus dem nur noch halbvollen Zelt. Aber die Band konnte überzeugen und einige Minuten später hatten auch schon die ersten Fans das neue Album am Merchandise-Stand abgegriffen. Wer es gesehen hat, der weiß warum. Hier wächst ernsthafte Konkurrenz für KILLSWITCH ENGAGE heran!

LAAZ ROCKIT

Von LAAZ ROCKIT hatte ich einmal eine CD ausgeliehen gehabt und daraufhin versucht, das Material der Band bei eBay zu bekommen. Leider vergeblich, denn der knappe Geldbeutel erlaubte es mir nie, den hohen Preis zu zahlen. Trotzdem war ich gespannt auf die ersten Rückkehrer dieses Tages, die Augenzeugen zufolge einen Tag vorher das Eindhovener Effenaar in Grund und Boden gestampft hatten. Der Auftritt war aber zunächst einmal etwas seltsam; ein Bruce Springsteen-Lookalike mit Safari-Hut watschelte langsam über die Bühne, dazwischen standen einige mittlerweile in die Jahre gekommene Kurzhaarrocker und wenn einer überhaupt richtig aktiv war, dann der sich ständig in Bewegung befindende Bassist. Musikalisch hingegen war die Performance astrein; die alte Bay-Area-Schule sollte schon früh am Nachmittag wieder aufleben und LAAZ ROCKIT machten trotz mangelnder Beweglichkeit den Eindruck, als wären sie nie von der Bildfläche verschwunden. Schade nur, dass man einige Zeit mit witzigen Ansagen verplemperte, da hätten auch noch ein oder zwei Songs mehr dringesessen, aber die Erkenntnis, dass die Band auch 16 Jahre nach ihrem Verschwinden den Thrash noch beherrscht, bleibt positiv in Gedanken erhalten. Hoffentlich war das nicht das letzte Konzert der Geschichte von LAAZ ROCKIT.

EVERGREY

Was sind schon 40 Minuten EVERGREY im Vergleich zu einer kompletten Clubshow. Der seelische Schmerz saß noch tief, aber aus den oben beschriebenen Gründen war eine vorzeitige Anreise und ein Besuch der Warm-Up-Show nicht im Bereich des Möglichen. Als EVERGREY ihren Festival-Gig jedoch beendet hatten, ärgerte ich mich trotzdem weiter, denn die für meinen Geschmack immer noch vollkommen unterbewertete Band gab mächtig Gas, verschwendete keine Zeit mit überflüssigen Ansagen, und selbst der sonst schon mal gerne einen auf Rockstar machende Frontmann Tom Englund hatte sich gut im Griff, beherrschte sein Publikum und konnte sich aufgrund der genialen Performance dann auch leisten, die Spielzeit fünf Minuten zu überziehen. Aber man darf EVERGREY ja auch nicht ohne ihren Megahit ’The Masterplan’ von der Bühne lassen, nicht wahr? Aber ruhig Blut, so weit sind wir ja noch gar nicht…
Der Gig begann mit ’Blinded’, welches dann nahtlos in ’End Of Your Days’ überging. Zwei Songs von “Recreation Day“, das Album, welches fast den kompletten Set beherrschte. Nach dem neueren ’More Than Ever’ mit den ersten Publikumschören folgte nämlich noch das Titelstück sowie eine Gänsehautversion von ’I’m Sorry’, die anfangs ganz alleine von den Fans getragen wurde. Die Spielzeit verrannte wie im Flug und obwohl Gitarrist Henrik Danhage einige Probleme mit seiner Gitarre hatte und die Band gerne noch etwas drangehangen hätte, war die Laune nach ’A Touch Of Blessing’ und dem oben angeführten Hit sehr gut, und ein paar Minuten später entdeckte man die Band bereits mitten in der Menge, wo sie Autogramme verteilte, Gespräche mit den Fans führte und sich auch direkt neben mit OBITUARY und TESTAMENT anschauten. Eine sympathische Band zum Anfassen also, die trotz ihres musikalischen Genies voll auf dem Boden geblieben ist.

Setlist:
Blinded
End Of Your Days
More Than Ever
She Speaks To The Dead
I’m Sorry
Recreation Day
A Touch Of Blessing
The Masterplan

GOREFEST

GORESFEST hatten ein Heimspiel und wurden deshalb auch von Anfang bis Ende abgefeiert – jedenfalls in den wiederum recht dünn bestückten ersten Reihen. Optisch war das Konzert der zurückgekehrten niederländischen Death-Metal-Institution dabei zunächst recht seltsam, denn statt langen Haaren und Old-School-Klamotten, präsentierte sich die Band in einem etwas modernen Look. Musikalisch hingegen ließ man nichts anbrennen, so dass man relativ zügig das Gefühl bekam, GOREFEST hätten nie aufgehört. Die Höhepunkte einer gelungenen, einstündigen Show boten dabei die beiden Titelstücke von “Erase“ und “Chapter 13“, wobei gerade letzteres richtig fett kam. Jan-Chris De Koeyer grunzte trotz seines schmächtigen Körpers so derb wie in besten Zeiten, die Rhythmusfraktion um Schlagzeug-Tausendsassa Ed Warby gab einen guten Groove vor und die Menge bangte und moshte, was das Zeug hielt. Alle waren zufrieden und froh, diese Band wieder zurück zu haben – hoffentlich auch wieder für längere Zeit.

OBITUARY

Ein nicht unwesentlicher Teil der Zuschauer schien für OBITUARY gekommen zu sein. Zum ersten Mal an diesem später Nachmittag waren die vordersten Reihen dicht besetzt, und nachdem die zweite Comeback-Band während des Intros locker auf die Bühne stapfte, flogen so einige Körper durch den Schlachtgraben vor der Bühne. OBITUARY are back – das sollte spätestens nach diesem Auftritt jedem klar sein, und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich in meinem ganzen Leben noch nie eine so tight aufspielende Band wie den Florida-Fünfer gesehen. So druckvoll wie der Sound aus den Boxen schoss, so geil war auch dieses Konzert. Die Band war ständig in Bewegung und knallte uns sämtliche Highlights plus einen neuen Song um die Ohren. Neben mir stand die EVERGREY-Bande mit einigen Bierchen in der Hand und würdigte den triumphalen Aufmarsch der Death-Metal-Götter mit lautstarkem Applaus – genauso wie jeder andere, der diesem Gig beiwohnte. Bei ’Threatening Skies’ gab es dann kein Halten mehr, im Pit herrschte Ausnahmezustand und das einzige was jetzt noch nass war, waren die Schweißflecken auf der Haut der gut 3000 Banger in der Gefahrenzone. Vom Regen keine Spur mehr…endlich! Solltet ihr irgendwie die Chance bekommen, euch OBITUARY demnächst live anzusehen, dann verpasst sie nicht. Nicht nur eine Band ist heute zurückgekehrt, sondern ein gesamtes Genre!

TESTAMENT

Boten OBITUARY eben noch den besten Death-Metal-Gig aller Zeiten, so waren TESTAMENT verdammt nahe dran, ein eben solches Ereignis für den Thrash-Sektor stattfinden zu lassen. Zwar waren die Beweggründe für die kurzfristig geplante Reunion im Original-Line-Up recht fraglich, woraufhin auch einige Stimmen laut wurden, dass TESTAMENT ihren Mangel an neuen Songideen mit einer solchen Aktion vertuschen wollten, aber andererseits war der zweite Gig der “Ten Dates in May“-Tour ein unheimlich geiles Erlebnis, auf das selbst ich als Zuschauer stolz war und bin.
Zar wirkte die Band anfangs noch ein wenig hüftsteif und verkrampft – Alex Skolnick zum Beispiel wusste gar nicht so recht, wie er sich jetzt bewegen sollte – aber das legte sich schon recht zügig. Blickfang war natürlich Chuck Billy, der immer wieder an die legendären Gigs bei früheren Dynamo-Events erinnerte und sichtlich Spaß hatte, wieder mit den Jungs von früher die Bühne zu teilen. Das Schlagzeuggespann Louie Clemente und Joey Tempesta stand ihm da in nichts nach, wohingegen Stammgitarrist Eric Petersen sein Grinsen gegen eine energiegeladene Performance eintauschte. Gerade er war hoch motiviert und shoutete seine Backings bei ’Into The Pit’ und ’Practice What You Preach’ noch wuchtiger ein. Billy hingegen bangte, spielte an seinem selbst kreierten Mikroständer Luftgitarre und witzelte zwischendurch immer wieder herum. Gesanglich war er indes wieder voll auf der Höhe und hat sich anscheinend komplett von seiner Krebserkrankung erholt – ’Electric Crown’ war zum Beispiel eine absolute Meisterleistung. Auch die Haare waren wieder recht lang und überdeckten die fast herausgewachsenen, zwischenzeitlich eingeflochtenen Rastas.
Die Fans – viele waren einen Tag zuvor bereits im Effenaar mächtig abgegangen – folgten Billys Anweisungen, formten einen fetten Circlepit und sangen fast alle Texte mit – in Holland sind TESTAMENT nämlich verdammt groß, gerade eben wegen ihrer langen Dynamo-Geschichte. Da schiss man am Ende auch auf die zweifelhafte Reunion, so lange die Band live so geil abgeht, braucht man über so etwas nämlich gar nicht nachzudenken. Ein denkwürdiges Konzert!

JON OLIVA’S PAIN

Die Schmerzen im Bein wurden schlimmer, und das ausgerechnet vorm Konzert von JON OLIVA’S PAIN, dem eigentlichen Hauptgrund meiner Reise zum Dynamo. Das Vordringen in die erste Reihe konnte ich mir also getrost abschminken. Dachte ich zumindest. Die Realität sah aber so aus, dass nach TESTAMENT das ganze Zelt leer stand, ganz so als hätte ein Räumungskommando eingegriffen. Wollte denn keiner den SAVATAGE-Sänger bei der Arbeit sehen? Als Herr Oliva dann um 21.05 anfangen sollte waren die Plätze zum Glück wieder besetzt, nur dicht gedrängt stand man nicht mal am Zaun hinterm Fotograben. Aber so ist das nun einmal, wenn die härtere Death- und Thrash-Fraktion ein deutliches Übergewicht hat. Jon’s Team wollte gerade diesen Leuten aber anscheinend auch nicht zeigen, dass er als Co-Headliner seine Daseinsberechtigung hat, denn unverständlicherweise watschelte der schwergewichtige Frontmann 20 Minuten später als angekündigt auf die Bühne. Unverständlich besonders deswegen, weil der Zeitplan bis dato auf die Minute genau eingehalten wurde. Schlechte Laune hatte Oliva aber nicht, im Gegenteil, er plumpste mit einem fetten Grinsen und den Worten “Hello Dynamo-Motherfuckers“ auf den Hocker an seinem Keyboard und stimmte die ersten Noten von ’Gutter Ballet’ an. Jippie, das wollten die Leute sehen und hören. Lauter als erwartet waren schließlich dann auch die Gesänge im Publikum. Leider war das aber auch schon der beste Moment eines meiner Meinung nach enttäuschenden Auftrittes. Hiermit meine ich weder die Songauswahl, noch die Performance der Musiker, sondern vielmehr den Gesamteindruck des Gebotenen. Statt 70 Minuten durften JON OLIVA’S PAIN gerade mal 53 Minuten ran, da hatte wohl jemand gepennt. Oliva schien das nicht bewusst zu sein, weshalb er die letzten Songs recht verärgert darbot, aber man hatte sich ja auch an den Zeitplan zu halten. Irgendwer hatte da wohl erheblichen Mist gebaut…
Egal, der Funke wollte auch so nicht richtig überspringen, der bemühte und zunächst gut gelaunte Jon wackelte hin und her, um die Zuschauer zu mehr Aktivität aufzufordern, aber es brachte alles nichts. Ein stimmungskillendes, zehnminütiges Solo wie beim Criss Oliva-Tribut ’Ghost In The Ruins’ hätte auch nicht sein müssen, da hätte man lieber zwei Klassiker mehr gehört. So bleib es bei zwei Songs von der neuen Scheibe ’Tage Mahal’, ein paar alten Stücken wie ’Hounds’ und 'City Beneath The Surface’ und einer Menge Enttäuschung ob der Tatsache, dass ’Believe’, ’Tonight He Grins Again’ und ’Hall Of The Mountain King’ aus oben erwähnten Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können.
Jon Oliva ist in der gesamten Metal-Szene mein Lieblingskünstler, und daran wird sich nach diesem Auftritt auch nichts ändern. Richtig überzeugt hat mich der Mann aber an diesem Abend keineswegs, weshalb ich mit steigendem Schmerz in meinem Knie schließlich gemeinsam mit meiner Freundin den Heimweg antrat, enttäuscht von dem Gedanken, dass die Zeit des Abschieds von einem Ausnahmemusiker langsam aber sicher zu kommen scheint. Die Auftritte in Weert und Gelsenkirchen machen da hoffentlich wieder verlorenen Boden gut, man wird sehen und das bald auch hier lesen können.

ANTHRAX

Wie gesagt, als ANTHRAX ihren Set begannen, waren wir schon längst auf der Heimreise, weil es keine Gelegenheit gab, sich irgendwo hinzusetzen (das gesamte Gelände war eine riesiggroße Schlammkuhle), und es mir absolut nicht mehr möglich war, weiter zu stehen. So verpasste ich die momentan wohl am hitzigsten diskutierte Reunion in der gesamten Metal-Szene, habe aber im Nachhinein erfahren, dass ANTHRAX gut aber nicht so überragend wie TESTAMENT gewesen sein sollen. Weh getan hat es aber auf jeden Fall, dem nicht mehr beiwohnen zu können. Dann eben in Bologna Anfang Juli.

Redakteur:
Björn Backes

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