Doom Shall Rise III - Göppingen

27.04.2005 | 14:45

15.04.2005, The Chapel

Samstag, 16.04.2005

GORILLA MONSOON:

Als wir am Samstagnachmittag bestens ausgeruht in die Chapel schlendern, erwartet uns auf der Bühne ein am Mikroständer befestigter Antilopenschädel, der ein Markenzeichen des Openers aus Dresden zu sein scheint. Warum die Jungs den Namen eines früher sehr bekannten Wrestlers tragen, weiß ich zwar nicht, aber ich vermute einfach, weil sie so heavy sind und trotzdem entsprechend abgehen, ja gar eine ganz gewaltige Rotz'n'Roll-Schlagseite haben. Dies in Verbindung mit den rauen Shouts von Sänger/Gitarrist Jack Sabbath drückt die Band ein wenig in Richtung der mittleren, rockigen Phase von ENTOMBED. Wobei die Gorillas aus Sachsen natürlich schon deutlich zäher und doomiger zu Werke gehen. Der Auftritt ist in jeglicher Hinsicht richtig energiegeladen. Basser Chris kümmert sich sogar derart liebevoll um sein Instrument, dass jenes beschließt den Geist aufzugeben. Zum Glück ist schnell ein Ersatzgerät aufgetrieben, das es der Band weiter ermöglicht, ihre eingängigen, rockenden Songs wie 'Night Of The Wolverine' oder die natürlich verdammt motörköpfige Zugabe 'Born To Lose' zu zocken, die einen wunderbaren Job erledigen, um das Publikum nach der verlängerten Nachtruhe wieder richtig in Gang zu bringen.


RISING DUST:

Als nächstes ist das französische Trio an der Reihe, das seine Nische irgendwo zwischen der klassischen und der epischen Ausprägung des Doom gefunden hat, und mit recht langen, schwermütigen, aber durch den Gesang auch ein wenig theatralisch wirkenden Songs durchaus Spaß macht. Die Songs sind für meinen Geschmack manchmal ein bisschen zu sehr perseverativ geraten, haben aber weitgehend recht gute Refrains, so dass Titel wie 'We Are Doom My Friend', 'Don't Burn The Witch' oder 'Absolution' eigentlich ziemlich gut hängen bleiben. Die klare, aber dennoch aggressive Stimme von Sänger David hat ebenfalls was ziemlich prägnantes, so dass RISING DUST durchaus eine Band mit Charakter sind. Ganz meinen Geschmack treffen die Franzosen zwar nicht, aber sie live zu sehen, ist schon eine Bereicherung des Festivals, ohne Frage, auch wenn das Publikum nicht übermäßig mitgeht.


BURNING SAVIOURS:

Die nun folgende Band aus Schweden existiert erst seit 2003, doch die vier sehr jungen Burschen sind erstaunlicherweise die Band mit dem größten Retrotouch in punkto Sound und Outfit, was die Jungs auch unumwunden selbst zugeben. Die Schlaghosen mit aufgenähter Sonne oder orange abgesetzten Abschlüssen sind natürlich schon irgendwie kultig, vor allem, weil die Musik der Band hervorragend dazu passt. Sänger Andrej Amartinesei, der rein optisch auch als Teenieschwarm durchgehen würde (ist wirklich nicht böse gemeint!), klingt dabei ein wenig nach einer Mischung aus Ozzy und einem viel gemäßigteren Geddy Lee, während die Musik neben den BLACK SABBATH der späteren Siebziger auch ganz deutlich an diverse psychedelische oder progressive Gruppen aus den Siebzigern und sogar den Sechzigern erinnert (JETHRO TULL seien nur mal als Beispiel genannt, zu dem sich die Band auch selbst bekennt). Das alles ergibt eine richtig entspannte, coole Mischung, die den Zuhörer so richtig träumen lässt, wenn die Band atmosphärische Highlights der Marke 'Spread Your Wings And Fly' zum Besten gibt. Ich find's jedenfalls schön, wenn eine derart junge Band sich so sehr für klassische Hardrock- und Doom-Sounds begeistern kann, und sie dermaßen authentisch rüberbringt. Toller Auftritt.


THE GATES OF SLUMBER:

Was die Heaviness angeht, packen die altgedienten Amis von THE GATES OF SLUMBER (aus THE KEEP entstanden) dem natürlich ca. 200% drauf, und so sind wir hier wieder beim absolut puren Doom Metal angelangt, wie er schwerer und finstrer eigentlich kaum sein kann, ohne dabei in deathlastige Gefilde abzudriften. Die Band um den imposanten Frontmann Karl Simon verzichtet dabei weitgehend auf große theatralische Elemente, fügt ihrem reinrassigen Doom aber trotzdem ein paar eindeutige Einflüsse aus dem traditionellen Metal der Achtziger hinzu, die sich in einigen Uptempo-Parts, Karls Leads und auch in manchen Schlagzeugpassagen manifestieren. Obwohl die seit 1998 aktive Band erst ein Album am Start hat, scheinen sie auch hier in Europa bereits über ein recht stattliches Following zu verfügen, denn der Publikumszuspruch ist doch recht beeindruckend.


BEYOND BELIEF:

Was beim nächsten Gig sofort auffällt, ist, dass die Holländer von BEYOND BELIEF die erste Band des Tages sind, welche eine richtig starke Lightshow auffährt, was die optischen Reize des Gigs natürlich ziemlich erhöht. Echt fantastisch, wie toll sich die Tarnfleckträger in Szene setzen lassen. Mein ganz großes Kompliment an den Lightjockey. Die Publikumsunterstützung für die Rotterdamer ist sehr gut, obwohl die bereits seit 1990 existierende Band in gewisser Weise der Exot des Billings ist, da das Fundament des Sounds von BEYOND BELIEF eigentlich mehr im Death Metal als im Doom zu suchen ist. Die oft geäußerten Vergleiche mit den frühen MY DYING BRIDE treffen auf die Band meiner Meinung nach auch nur bedingt zu. Zwar gibt es durchaus Parallelen, wie die sehr zähen, traurigen und langsamen Riffs und Akkordfolgen, aber der Death Metal von BEYOND BELIEF ist nicht durchwegs melancholisch sondern er kennt auch aggressiv-bösartige Parts, für die man sich zwar nicht zu großen Tempoverschärfungen hinreisen lässt, aber dennoch, die Ausstrahlung von B.B. ist doch eine etwas andere als die der Trauerweiden aus Britannien, was auch das Stageacting und Outfit der Herren Musiker unterstreicht. Als besondere Einlage bittet die Band für einen Song den als Festivalbesucher anwesenden Sänger ihrer Landsleute OFFICIUM TRISTE auf die Bühne, dessen ebenfalls im Growl-Bereich angesiedelte Vocals auch hervorragend zu BEYOND BELIEF passen. Der Gig der Jungs war jedenfalls ganz große Klasse und ein sehr interessanter Farbtupfer im Billing. Nicht nur optisch.


ISOLE:

Eine ganz andere Richtung schlagen im Anschluss die Schweden von ISOLE ein, die früher (in anderer Besetzung) als FORLORN bekannt waren, aber nicht mit den norwegischen Black Metal-Namensvettern zu verwechseln sind. Ihr extrem epischer, von genialem, mehrstimmigem Gesang geprägter Doom-Stil versprüht durchaus auch eine gewisse Viking-Metal-Atmosphäre. So kann man schon sagen, dass sich die von der Band als Einflüsse genannten CANDLEMASS und BATHORY schon im eigenen Stil wiederspiegeln. Allerdings ist es gerade der wirklich sehr beeindruckende klare Gesang, an dem sich alle vier Bandmitglieder beteiligen, durch den sich der typische Stil von ISOLE von den Vorbildern abgrenzt, und vielleicht auch hin und wieder leichte Parallelen zu den Färingern von TÝR aufweist. Die Band hat sich an den Drums mit Jonas Lindström verstärkt, so dass der an die Gitarre gewechselte Drummer Bryntse sich mehr auf die Vocals konzentrieren kann, die er sich vor allem mit dem zweiten Gitarristen Crister teilt. Für die Kommunikation mit dem Publikum ist erstaunlicherweise keiner der Leadsänger zuständig, sondern Basser Hanka, der sein Mikro daneben hin und wieder für ein paar schwarzmetallische Screams nutzen darf, die allerdings sehr selten zum Einsatz kommen, und den Charakter von ISOLE als epische Doom-Band nicht beeinträchtigen. Für mich ist die Band eine der ganz großen positiven Überraschungen des DSR und sicher eine Gruppe, die ich aufmerksam weiter verfolgen werde.


PALE DIVINE:

Nun folgt die Band, in deren Reihen heute zwei Musiker stehen, wegen deren anderer Band ich mir eigentlich ursprünglich die DSR-Karte gekauft habe. Drummer Darin McCloskey und Aushilfsbasser Perry M. Grayson sind nämlich zwei Drittel der inoffiziellen CIRITH UNGOL-Nachfolgeorganisation FALCON. Leider wurde FALCON-Gründungsmitglied Greg Lindstrom durch eine schwere Erkrankung seines Vaters an einer Teilnahme gehindert, so dass die beiden anderen leider "nur" mit PALE DIVINE zu bestaunen sind, deren Aushängeschild ohne Zweifel Gitarrist und Sänger Greg Diener ist, dessen sehr eigenständiger Gesang und vor allem seine genialen, ausufernden Leadgitarrenpassagen aller Ehren wert sind. Erstaunlicherweise ist PALE DIVINE die zweite Band in Folge, bei der nicht der Leadsänger für die Ansagen zuständig ist. Dies übernimmt FALCONs Perry Grayson, der für den etatmäßigen Basser Jim Corl eingesprungen ist. Ich weiß zwar nicht, wie gut jener ist, aber was Perry an diesem Abend auf dem Langholz abzieht ist wirklich ganz großartig. Ich habe selten einen Basser erlebt, der sich so in die Musik einfühlt und dabei absolut herausragend spielt. In dem Fall ist der etwas basslastige Sound ein absoluter Glücksfall, da es dem Publikum sonst vielleicht entgangen wäre, wie gut dieser Mann wirklich ist, obwohl er von FALCON und seiner früheren Band DESTINY'S END her ja eher als Gitarrist bekannt ist. Ihre ganz großen Momente hat die Band aus den USA, wenn sich Perry, Darin und Greg in einer der ausgedehnten Instrumentalpassagen gehen lassen und dabei eine tolle Dynamik entfalten, die auch bluesige Elemente enthält. Das ist alles musikalisch echt große Klasse und macht es einem leicht, richtig gut mitzugehen.


MAR DE GRISES:

Es folgt die Band der DSR-Geschichte, welche sicherlich bisher die weiteste Anreise hatte (oder waren schon mal Australier da?). Auch in vielerlei anderer Hinsicht sind die fünf Chilenen eine einzigartige Band im Billing des Festivals. Das vorne, in der Mitte der Bühne aufgebaute Keyboard, das von Sänger Marcelo Rodriguez bedient wird, ist schon mal ein Blickfang, den keine der anderen Bands zu bieten hatte. Überhaupt ist MAR DE GRISES die einzige Band, die mit einem Keyboard aufwartet. Zudem kann man wohl behaupten, dass es sich bei den Jungs aus dem Andenstaat um die extremste Band des DSR III handelt. Dabei ist egal, ob man sie denn nun als Doom/Death oder Funeral Doom bezeichnen will, sie spielen einfach einen gnadenlos finsteren Stil, der durchaus für die eine oder andere mächtige Gänsehaut sorgt, was nicht zuletzt die Keyboardklänge unterstützen. Am intensivsten kommt jedoch der von klaren Passagen bis zu extremsten Schreien der Verzweiflung reichende Gesang von Marcelo rüber, der sich bisweilen die Seele aus dem Leib zu kreischen scheint, dann aber wieder unverhofft in düsteres Flüstern, Growls und epische Vocals verfällt. Der Stil von MAR DE GRISES ist sehr schwer verdaulich, aber vielleicht gerade deshalb auch so beeindruckend. Es sind jedenfalls ob des hohen künstlerischen Anspruchs der Band eine Menge staunender Gesichter zu beobachten.


PLACE OF SKULLS:

Dass das DSR-Team statt der verhinderten FALCON eine Band mit absoluten Headlinerstatus würde auftreiben können, war ja irgendwie schon eine relativ große Überraschung, die eigentlich nur noch von der Tatsache getoppt wurde, dass es sich hierbei um die eigentlich bereits vor kurzem aufgelöste Band um den ehemaligen PENTAGRAM-Gitarristen Victor Griffin handelt. Nun haben sich die Herren zum Glück doch entschieden weiterzumachen, sind kurzerhand als Ersatz für FALCON auf die komplette Tour mit PALE DIVINE und RISING DUST aufgesprungen und haben sogar eine neue EP mit im Gepäck, ein neues Album ist in Arbeit. So kommen wir also eher unverhofft in den Genuss der Wiedergeburt von PLACE OF SKULLS, die mit ihrem über jede Kritik erhabenen Gig die Rolle des Headliners mehr als perfekt ausfüllen. Dabei klingt der klassische Doom mit seinen Einflüssen aus dem psychedelischen Rock der 70er und etlichen bluesigen Elementen sehr eigenständig und Victor Griffin ist einfach ein Frontmann mit einer Ausstrahlung, die ihresgleichen sucht. Genau so stelle ich mir jemanden vor, der absolut zu Recht eine Legende des Genres ist. Die sehr gut ausgewählte Setlist deckt beide Studioalben der Band ab, und enthält neben eigenen Hits wie 'Lost', 'The Fall', 'Last Hit' oder 'Never Die' auch das von den Fans und Musikerkollegen gleichermaßen frenetisch abgefeierte wie mitgesungene THE ANIMALS-Cover 'Don't Let Me Be Misunderstood', bei dem - wie auch bei anderen Stücken - Basser Dennis Cornelius zeigt, dass er ganz tolle Backing Vocals beisteuern kann, welche die entsprechenden Lieder stark bereichern. Auch drei neue Stücke sind vertreten, wovon zwei auch auf der neuen EP "Love Through Blood" enthalten sind. Diese kommen beim begeisterten Publikum gleichermaßen gut an wie die alten Stücke. Besonders das geniale und von der Band angeblich vorher nicht eingeprobte 'Cornerstone' gibt als stürmisch und lange geforderte letzte Zugabe eine glänzende Figur ab, so dass wir am Ende alle glücklich sind, dass es PLACE OF SKULLS nun doch weiterhin geben wird.


Der Headliner setzt einem durch und durch hochkarätig besetzten Festival also die Krone auf und das dritte Doom Shall Rise hat eindrucksvoll bewiesen, wie vielfältig die Doom-Szene heute ist. Von den fünfzehn Bands klang nämlich keine wie die andere, aber dennoch waren alle zumindest irgendwie Doom, und ich denke fast jeder der Anwesenden konnte mit jedem Act zumindest ein bisschen warm werden. Mir haben eigentlich ausnahmslos alle sehr gut gefallen, weshalb ich alles versuchen werde, beim nächsten DSR wieder mit von der Partie zu sein. Der einzige Nachteil eines solchen Festivals ist, dass ich anschließend immer eine Riesenliste mit Alben habe, die ich mir bei Gelegenheit mal zulegen sollte. Doch das lässt sich verschmerzen.

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Redakteur:
Rüdiger Stehle

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