Dream Theater - Trier

29.10.2000 | 05:13

13.10.2000, Messeparkhalle

Freitag der 13te. An einem Tag mit einem wahrlich nicht guten Omen wurde ein Konzert der Superlative zelebriert. Doch fangen wir von vorne an. Nach ihrer letzten Tour, bei der die Prog-Götter von DREAM THEATER mit einer kompletten Inszenierung ihres Meisterwerkes \"Metropolis Part 2: Scenes From A Memory\" und SPOCKS BEARD als Vorgruppe aufwarteten, begaben sie sich erneut in unsere Gefilde und präsentieren nun ein Best-Of Programm. Diesmal hatten PORCUPINE TREE die Ehre, als Vorgruppe des Traumtheaters zu agieren und der restlos ausverkauften Messeparkhalle in Trier zu zeigen, daß sich auch der Prog-Nachwuchs sehen lassen kann.
Diese liessen auch nicht lange auf sich warten und pünktlich um 20 Uhr konnte der Spaß beginnen. Die Jungs um Steven Wilson standen meines Erachtens im ständigen Konflikt, sich nicht zwischen ausgeprägten Instrumentalstücken und songorientierem Soft-Prog entscheiden zu können. Musikalisch war hier selbstverständlich nichts auszusetzen; die Engländer glänzten hier wie eine Speckschwarte und hatten die Frickelfreunde im Publikum schon nach wenigen Takten hinter sich. Kaum ging es jedoch um die Wurst, sprich um die Gratwanderung zwischen bloßem Gefrickel und \"richtigen\" Songs wirkten PORCUPINE TREE zu blass und ohne Ausstrahlung. Ging es aber an den Kampf der Instrumente in mehrminütigen Frickelparts, wurde einem wieder klar, warum ausgerechnet sie und kein anderer für DREAM THEATER eröffnen. Experimentelle, psychedelisch angehaucht zeigte man wo der Hammer hängt und schloss sich schnell in die Herzen des Publikums. Insgesamt ein recht positiver Auftritt, der mich sehr überrascht hat. Wollen wir auf eine Headliner-Tour der Engländer hoffen.
PORCUPINE TREE hatten ihre Show beendet und wurden vom Publikum verabschiedet. Euphorie, Vorfreude und höchste Spannung sind in der Umbaupause vor einem DREAM THEATER-Konzert schon an der Tagesordnung, was hier jedoch an Stimmung entstand überstieg schon fast die Grenzen des Vorstellbaren. Mitgerissen fiebert man nun den Moment entgegen, in dem fünf Herren namens Portnoy, Petrucci, Myung, Labrie und Rudess ihr Können, ihre Genialität und ihre uneingeschränkte Bedeutung für die gesamte Prog-Szene unter Beweis stellen konnten. Dieser Moment liess zwar ein wenig auf sich warten, als jedoch das Intro von \"Metropolis Part 1\" ertönte war die Messeparkhalle von Jubelschreien erfüllt. Diese Begeisterung wurde während des vier-minütigen instrumentalen Mittelpart des Stückes sogar noch zusätzlich gesteigert. Es ist schierer Wahnsinn, wie es einer Band gelingt, mit einem nur wenige Minuten andauernden Instrumentalparts ein Werk von unglaublicher Bedeutung erschaffen zu haben, wie es die allermeisten anderen Gruppen in ihrer gesamten Bandgeschichte nicht zu errichten vermögen. Uneingeschränkter Höhepunkt hierbei war selbstverständlich das Bass-Tapping Solo von John Myung. Für zehn Sekunden trat der kleine, zurückhaltende Mann in das Scheinwerferlicht während das Publikum vor Spannung die Luft anhielt. Kaum beendet trat erneuter Jubel und grenzenloser Respekt vor diesem Ausnahmebassisten ein.
In diesem Stil spielte man sich nun durch die perfekt gelungene Setlist. Unnötig zu sagen, daß sich die gesamte Band auf spielerisch höchsten, für den Normalsterblichen unerreichbaren Niveau befand. James Labrie sang mit derart viel Hingabe und Gefühl, daß einem in den Reihen des Publikums fast schwindelig wurde. Der leicht bekifft und geistig abwesend wirkende Jordan Rudess wuchs über sich selbst hinaus und setzte mit seinen kongenialen Keyboardsoli neue Maßstäbe.
Man kann sich darüber streiten, welcher Song den Höhepunkt der Setlist darstellte. Heisser Favorit neben \"Metropolis Part 1\" ist auch jeden Fall die wunderschöne Ballade \"The Spirit Carries On\", bei der wirklich jeder im Publikum den Text auswendig konnte und mitsang. Auch erwähnt werden sollte an dieser Stelle das obligatorische Petrucci-Solo, welches zu einigen dumpfen Schlägen im Publikum führte, die dadurch zu erklären sind, daß den meisten Anwesenden die Kinnlade heruntergeklappt und Richtung Boden gefallen ist. Sehr interessant war beim Solo auch die kurzzeitige Verwendung des \"Master Of The Puppets\"-Riffs, welches vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde. Als letztes Lied vor der Zugabe wurde \"Learning To Live\" ausgepackt, welches mit unheimlich großer Emotion, insbesondere von Seiten des Keyboarders Jordan Rudess, serviert wurde. Daß dieses Konzert schon längst zu dem Wunderbarsten gehörte, was ein menschliches Ohr überhaupt vernehmen kann, gehörte war klar. Genauso klar wie die Zugabe die nach den euphorischen \"DREAM THEATER\"-Rufen erfolgte. Überraschend kam an dieser Stelle die komplette 24-minütige Version von \"Change Of Seasons\", die dem lechzenden Publikum den Rest gab. James Labrie gab noch einmal alles und schaffte es, seine an diesem Abend ohnehin schon grandiose Leistung in punkto Gesang zu steigern. Einige äußerst lustige Improvisationen wie zum Beispiel dem Einbringen der Simpsons-Titelmelodie setzen diesem Epos das Sahnehäubchen auf. Sichtlich erschöpft und unter tosendem Applaus verliessen DREAM THEATER nun die Bühne und sowohl Band als auch Publikum konnten mit der Gewissheit von dannen ziehen, ein unglaubliches Konzert miterlebt zu haben. Der klasklare Sound, der die gesamte Setlist über anhielt war zu schön um wahr zu sein. A propos Setlist: Dankenswerterweise nahm die Band davon Abstand \"Pull Me Under\" zum tausendsten Male zu spielen und brachte lieber Überraschungen à la \"Voices\" oder \"Erotomania\" ein.
DREAM THEATER in Trier ! Ein Konzert für die Ewigkeit ! Eine Band für die Ewigkeit ! Danke für das mit Abstand göttlichste Konzert, welches ich je erleben durfte.


Setlist:
Metropolis Part 1
Overture 1928
Strange Deja Vu
Fatal Tragedy
Mirror/Lie
Another Day
Gitarren-Solo
Home
Keyboard-Solo
Erotomania
Voices
The Spirit Carries On
Learning To Live
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Change Of Seasons

Redakteur:
Christian Debes

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