Finntroll/Ensiferum - Glauchau

26.04.2004 | 10:48

23.04.2004, Alte Spinnerei

Finnen spinnen – der bleibende und zentrale Eindruck nach dem Konzert in der "Alten Spinnerei" zu Glauchau. Warum ist schnell erklärt. Drei Bands aus Finnland spielen: THE WAKE, ENSIFERUM und FINNTROLL. Nackte Männer-Oberkörper gibt es bei jedem Auftritt: In Deutschland scheint es für die Nordmänner schon ganz schön warm zu sein. Dafür leben im Land der tausend Seen wohl die abgedrehteren Musiker. Oder kommt einem das nur so vor?!

THE WAKE eröffnen den Abend noch mit recht handelsüblichem Death Metal skandinavischer Prägung, verspielte Melodien mischen sich mit brutalen Prügel-Parts. Im Sound von THE WAKE schimmert immer wieder ein Name durch: IN FLAMES in ihrer Höchstphase zu "The Jester Race"-Zeiten. Freilich reichen THE WAKE nicht ganz an ihre Vorbilder heran, für einen gelungenen Auftritt sind die Jungs dennoch spielfreudig und motiviert genug.

Trotzdem klingen ENSIFERUM origineller. Sie haben statt Pyro-Feuerspielen eine Art Bierfontäne auf der Bühne installiert, die in regelmäßigen Abständen Gerstensaft in die Massen schießt. Der neue Sänger Petri Lindroos hat am Anfang noch einen schwarz-weiß gescheckten Cowboyhut auf dem Kopf, an seiner Armeehose baumeln Handschellen. Unter den Augen haben alle Musiker einzelne dicke schwarze Striche - eine Art finnische Kriegsbemalung. Ihre Musik bezeichnen ENSIFERUM denn auch als "heroischen Folk-Metal". Live klingt diese Mischung eigenwillig und höchst tanzbar, heftige Metal-Attacken paaren sich mit verträumt-folkigen Melodien, erhabenen Männerchören und ganz viel Pathos. Dennoch wird der Auftritt nie peinlich, zu viel Spaß haben die jungen Musiker bei ihrem Spiel. Songs wie 'Old Man' sind live absolute Abräumer. Hier wächst eine unheimlich hungrige Truppe heran, diese Wikinger sind schlichtweg endgeil.

Diesen Kult-Status haben FINNTROLL schon längst erreicht. Trotzdem scheinen die Finnen noch immer heiß zu sein, ähnlich enthusiastisch wie ENSIFERUM gehen nämlich auch FINNTROLL zu Werke. Die Jungs stellen ihr neues Album "Nattfödd" vor. Wie auf den vergangenen zwei Scheiben verstehen es FINNTROLL die beiden scheinbaren Gegensätze Lebenslust und Aggression zu vereinen. Humppa-Melodien, also eine Art Polka, verschmelzen mit düsterem Metal, in der restlos überfüllten "Alten Spinnerei" bricht die Raserei los. Haare wirbeln durch die Luft, Fäuste recken sich nach oben, Leute springen seelisch grinsend durcheinander. Vor dem Song 'Margnadsvisan' ruft Sänger Wilska auf englisch: "Im nächsten Song geht es um Pilze". Dann knüppelt es wieder los, eine Art Rummel-Melodie läuft im Hintergrund, das Publikum flippt weiter aus. Weitere Highlights: 'Jakten's Tid' und 'Svartberg', mehr als eine Stunde lang lassen es FINNTROLL krachen und scheppern. Das Publikum ist danach völlig außer Atem, die Riesenparty fordert ihren Tribut. Für die finnischen Bands geht die Feier wohl auch nach dem Auftritt weiter - in Deutschland ist das Bier im Gegensatz zur seenreichen Heimat extrem billig. Auf einem A4-Blatt mit technischen Hinweisen für Glauchau steht eine fast schon beschwörende englische Warnung: "Trinkt nach dem Auftritt heute nicht so viel, da es morgen in Polen weiter geht und wir durch die Grenzkontrollen müssen."

Redakteur:
Henri Kramer

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