GRAVE DIGGER, ORDEN OGAN, DOWNSPIRIT - München

29.04.2011 | 22:50

31.03.2011, Backstage (Halle)

GRAVE DIGGER auf Hallentour. Gibt es ein Leben nach Wacken?!

GRAVE DIGGER auf Tour. Auf Frischzellenkur? Es ist nun das zweite Mal, dass GRAVE DIGGER ein verändertes Line-Up mit nach München bringen. War es vor zwei Jahren noch Thilo Hermann, der Manni Schmidt an der zweiten Gitarre ergänzte, so ist seitdem viel passiert. Nicht nur Thilo verließ die Band, auch der jahrelange Gitarrist Manni ging. Es kam niemand geringeres als Axel Ritt, der sich nicht nur top in die Band integrierte, sondern in Kollaboration mit den anderen DIGGERn ad hoc ein tolles Album einspielte. Mit "The Clans Will March Again" ging es dann zu einer Jahrhundertshow nach Wacken, die vor 75.000 Menschen im Publikum den Höhepunkt in der über 30 Jahre währenden Karriere der Grabschaufler einläutete. Das Problem mit derartigen Highlights ist, dass es danach nur noch schlechter werden kann. Deswegen stellt sich im Vorfeld der Tour die Frage: Würden die DIGGER um Frontschwein Chris Boltendahl diesen Spirit auch in die Hallen transportieren können?

Doch bevor diese Frage beantwortet werden kann, warten noch zwei Vorbands, die kurz vor der Tour ausgetauscht wurden: Statt SISTER SIN und GRAND MAGUS dürfen die Metaller von DOWNSPIRIT und ORDEN OGAN bestaunt werden. Das Projekt des SYMPHORCE-Klampfers Cédric Dupont stellt eine energische Mischung aus Metal und Rock dar, blickt sich allerdings auch in durchaus massenkompatibleren Stadionatmosphären um. Das tut dem Live-Sound gut, die ersten Matten fliegen und die Band wärmt das Münchner Publikum für die nächsten Stunden gut auf. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn der Sound der Stuttgarter ist doch recht austauschbar, geniale Züge trägt Musik kaum. Das muss sie aber auch nicht, denn es geht darum, auf der Bühne zu krachen. Und das schaffen die Kameraden recht gut.


ORDEN OGAN nehmen sich nicht ernst, das ist klar. Ganz anders ist es jedoch um ihre Musik bestellt: Melodiereiche Verbeugungen vor dem europäischen Metal - allen voran BLIND GUARDIAN - werden auf einem hohen Niveau zelebriert und laden zum Kopfschütteln ein. Kurzweilige Ansagen, die in ihrer metal-proletarischen Art sicher nicht jedem gefallen, vervollständigen das Bild einer Band, die das Glück, kurzfristig auf die Tour aufspringen zu können, mit offenen Armen empfängt und das Beste aus der Situation herausholt. Das mittlerweile volle (!) Backstage geht daher genauso steil wie die Musiker auf der Bühne und feiert eine richtige Metalparty – eben genau so, wie es sein soll. Da verschmerzt man es auch gerne, dass nicht alle Töne, die Seeb anstimmt, zu dem Rest der gespielten Harmonien passen. Unter normalen Umständen wäre der heimliche Headliner nun von der Bühne gegangen. Unter normalen Umständen...


Denn der Sturm, der mit GRAVE DIGGER in den Gestaden des Münchner Kultclubs aufbrandet, ist gewaltig. Der erste Teil des Sets besteht aus schottischen Gassenhauern, zelebriert von und mit einem Boltendahl im Kilt und in bester Livelaune. Wahnsinn, was die Herren nach 30 Jahren Bühnenerfahrung noch an Spielfreude auf die Metal-Bretter bringen können! Von Müdigkeit keine Spur, es scheint fast so, als hätte der Wacken-Gig eine Flamme neu entzündet, die in den letzten Jahren möglicherweise etwas kleiner brannte – denn live waren GRAVE DIGGER schon immer eine echte Bank! Doch was passiert da an diesem Abend? Sprechchöre nach jedem Song, Mitsingparts, die - kaum angeleiert - schon nach Sekunden vollständig vom Publikum getragen werden. Das Grinsen, das den Musikern auf der Bühne ins Gesicht gezaubert wird, spiegelt nicht nur alle Anwesenden, sondern hält sich bis zum Ende des Gigs. Die zweite Hälfte des Konzerts wird durch einen hängenden Galgen und Chris in Metalmontur markiert. Axel feuert mit seiner Doppelläufigen ins Publikum und die Ängste, dass der Meistergitarrist das GD-Ruder live an sich reißen würde, sind wie zerschlagen: Der Musiker passt sich perfekt in das Bild mit Jens Becker und Stefan Arnold ein, als wären sie schon immer so auf der Bühne gestanden. Ganz, ganz groß. Und am Ende der Show dürfen sich alle Anwesenden sicher sein, dass man soeben ein kleines Wacken in das so als zurückhaltend verschrieene München gezaubert hat.

 

Ein besonderer Dank geht an Andrea Friedrich für die tollen Bilder.

Redakteur:
Julian Rohrer

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