Hammer Of Doom IX - Würzburg

18.01.2018 | 00:14

18.11.2017, Posthalle

Zum neunten Mal kreiste der Hammer Of Doom und das mit sagenhaftem Billing.

Nach dem Aus des kultigen "Doom Shall Rise" vor einigen Jahren ist heutzutage das "Hammer Of Doom" sicherlich das etablierteste Doom-Metal-Festival in deutschen Gauen, das alljährlich in Würzburg stattfindet. Ganz sortenrein ist es nicht, denn neben allerlei doomigen Klängen im engeren Sinne ist das Festival auch offen für die ein oder andere Kapelle aus dem Classic-Rock-Sektor oder deren retroaktive Epigonen, aber auch für schwertschwingenden Epic Metal oder ein paar Gothic-Anklänge. Wo Doom also der gemeinsame Nenner ist, da franst das Ganze an den Rändern etwas aus, was keine schlechte Sache ist, denn so ist immer auch für ein wenig Abwechslung gesorgt. Auch dieses Jahr gibt es in der Posthalle also allerlei junge und frische Exponate des Stilmixes zu bestaunen, aber natürlich auch die großen alten Veteranen, welche die Leute zu solchen Events ziehen. Für euch berichten heuer aus Würzburg Raphael, Marius, Johnny, Jakob und meine Wenigkeit...
[Rüdiger Stehle]

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber immer wieder kommt es ausgerechnet beim "Hammer Of Doom" am ersten Tag zu sehr langen Wartezeiten vor der Halle, beim "Metal Assault" ist mir das noch nie passiert, hier jedoch schon mehrfach. Zum Glück läuft es für mich heute jedoch nicht so schlimm wie dereinst, alls ich von den tollen MOUNTAIN THRONE nur noch anderthalb Lieder mitbekam und ich verpasse von den Griechen THE TEMPLE lediglich den ersten Song. Schnell auf dem Weg vor die Halle ein Bier geschnappt, den Garderobenbesuch auf die Umbaupause verschoben und ab vor die Bühne, denn es will gedoomt werden. Und das wird es dann auch, denn emotional und intensivitätstechnisch spielt die Truppe hier locker auf allerhöchstem Niveau mit. Demo und Debütalbum sind wunderbare traditionelle Doomalben, mit leidenden Gesangs- und Gitarrenmelodien, voller Inbrunst dargeboten von einer Band, die über den regen Publikumszuspruch mehr als erfreut zu sein scheint, sich aber mit minimalen Ansagen zufrieden gibt, was eventuell auch der Sprachbarriere anzulasten sein könnte. Sei es drum, THE TEMPLE zimmern hier in Zeitlupe ein ganz fettes Brett und auch der neue Song, der hier präsentiert wird, kann da locker mithalten. Mit einem etwas aktiveren Label im Rücken und einem zweiten Album auf diesem Niveau sollte der Band in Zukunft eine wenigstens im traditionellen Doom rosige Zukunft bevorstehen. Bis dahin schwelge ich in den tieftraurigen Melodien, den schweren Riffs und dem drückenden Rhythmus eines Openers, der sich vor den großen Namen des Abends keinesfalls verstecken muss.
[Raphael Paebst]

Als nächstes steht ein radikaler Stilwechsel an, denn die Italiener von WITCHWOOD sind ganz im progressiven Hard Rock der 70er verhaftet, komplett mit fetter Orgel und Querflöte. Mit einem fantastischen Album und einer ebenso starken EP, die mit Coversongs auf Albumlänge getunt ist, haben die Herren bei mir einen mehr als positiven Eindruck hinterlassen, den sie am Vortag bei einer Show im Vorprogramm von VINTAGE CARAVAN bei mir im heimischen Marburg bereits mehr als untermauern konnten. Und auch heute legen die Jungs direkt mächtig los, präsentieren sich auf technisch allerhöchstem Niveau und mit einem feinen Gespür für den von ihnen so vergötterten Sound. Hier stimmen Anspruch und Wirklichkeit überein und die ausladenden, komplexen Songs fließen auch live locker und ohne zu langweilen. Neben dem eigenen Material gibt es heute noch ein Cover des BLUE ÖYSTER CULT Klassikers 'Flaming Telepaths' zu hören, das sich perfekt in den Set einpasst. Da man es mit den Songlängen auch gern mal nicht so kurz hält, gestaltet sich der Set heute eher minimal, zum Abschluss gibt es mit 'Handful Of Stars' noch ein überlanges Highlight, dessen Thema bereits im Intro angedeutet wurde, was dem ganzen Konzert einen in sich geschlossenen Rahmen bietet. WITCHWOOD schafft es auch heute und auf einer großen Bühne, voll und ganz zu überzeugen und wenn es zum zweiten Album ordentliche Promotion gibt, sollte im Retro-Zirkus durchaus einiges drin sein für die sympathischen Italiener, die sich riesig freuen, heute mit ihren Idolen LUCIFER'S FRIEND die Bühne teilen zu dürfen - echte Fans der Musik, die sie spielen, was man auf der Bühne jederzeit merkt. Ein starker Auftritt, der gern wiederholt werden darf.
[Raphael Paebst]

Wenn es so etwas wie Stadion Doom gibt, dann ist PROCESSION inzwischen der ungefochtene Meister dieser Disziplin. Was die chilenisch-skandinavische Kooperation heute mit dem dritten Album "Doom Decimation" im Gepäck abliefert, strotzt jedenfalls nur so vor Posen, Testosteron und Attitüde. Hier wird der Metal im Doom Metal von Album zu Album, von Tour zu Tour größer und fetter geschrieben und so mancher Purist denkt schon wehmütig an selige Demozeiten zurück. Glücklicherweise werden diese heute mit 'The Raven Of Disease' genauso bedacht wie alle anderen Schaffensphasen der Band. Frontmann Felipe ist gut bei Stimme, die Songs sind sowieso über jeden Zweifel erhaben und so wird sich durch einen Set gepost, dessen Höhepunkt einmal mehr 'To Reap Heavens Apart' ist. Mit dem kräftigen Publikumschor ergibt sich hier nun auch die passende Atmosphäre zum Stageacting der Truppe und alles ergibt ein rundes Bild. PROCESSION zeigt jedenfalls erneut, dass man im traditionellen Power Doom klar die Speerspitze ist und von der Bühnenpräsenz und dem Auftreten her auch den Genregöttern CANDLEMASS live den Rang ablaufen kann. Starke Show, wenn halt auch eben nicht mehr so doomig wie früher.
[Raphael Paebst]

Und dann ist es endlich so weit, LUCIFER'S FRIEND, die Hamburger Hard-Rock-Legende mit Göttersänger John Lawton am Mikro, betritt die Bühne und den Beweis an, dass Alter keinerlei Hindernis für einen starken Gig ist. Insbesondere der Frontmann scheint trotz äußerer Alterserscheinungen stimmlich in einen tiefen Jungbrunnen gefallen zu sein und hat auch im Bereich Bühnenpräsenz nichts eingebüßt. Es ist schon beeindruckend, mit welcher Kraft und welchem Gefühl Lawton hier zu Werke geht und mal locker die gesamte Tageskonkurrenz in Grund und Boden singt. Das Songmaterial ist natürlich sowieso völlig grandios und auch wenn ein großer Teil des Publikums vermutlich nur auf 'Riding The Sky' wartet, wird es bis zu diesem Punkt mehr als gut unterhalten. Ja, es dürfte noch den einen oder anderen Hit der Band für sich entdecken, denn LUCIFER'S FRIEND hat eben nicht nur diesen einen Song geschrieben und sich ansonsten auf Soloeskapaden der Instrumentalisten beschränkt. Insgesamt präsentiert die Band sich eingespielt und alle Musiker bekommen ihre Chance, sich zu präsentieren. Dennoch ist und bleibt John klar Zeremonienmeister und Fokus des Geschehens. So vergeht die Zeit wie im Fluge und die Menge vor der Bühne rockt zusammen mit einer Band, die hier und heute ganz und gar nicht als Altherrentruppe agiert, sondern mit Spielfreude glänzt. Als dann endlich 'Riding The Sky' angestimmt wird, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt und ich bin mehr als glücklich, diese Band endlich auch einmal live gesehen zu haben. LUCIFER'S FRIEND kann bei mir heute klar den Tagessieg für sich verbuchen, eine Vermutung, die nach dem Gig von WARNING zur Tatsache wird.
[Raphael Paebst]

 

Nachdem LUCIFER’S FRIEND soeben den besten Gig des Tages (gut, THE TEMPLE konnte ich wegen der viel zu langen Schlangen am Einlass nicht sehen) aus den immer noch sehr beweglichen Hüften gezaubert haben, gibt es mit dem heutigen Headliner WARNING einen krassen Stimmungsumschwung. Wo es eben noch so locker-luftig herging, herrscht nun depressivste Trauerweidenatmosphäre. Die jüngst reformierten Engländer um Chefseufzer Patrick Walker spielen heute nämlich ihr Jahrhundertalbum "Watching From A Distance" in voller Länge. Unterstützt wird der traurige Hüne dabei von Wayne Taylor an der Gitarre, Marcus Hatfield am Bass und Andy Prestige hinter dem Drumkit. Schon bei den ersten Takten des startenden Titelsongs bin ich gefesselt, 'Footprints' setzt anschließend erwartungsgemäß noch einen drauf. Viel besser und tiefschürfender geht Musik nicht. Und weil die Songs so stark sind, macht mir dieser für mich erste WARNING-Auftritt auch ziemlich Freude oder halt Trauer, je nach dem. In der gemeinsamen Nachbeschau im wunderbaren Hostel Babelfish fällt das Fazit allerdings zweigeteilt aus. Besucher, die schon frühere Konzerte der Band aus Harlow gesehen haben, sind sich ziemlich einig, dass Herr Walker auch schon mal sehr viel intensiver bei der Sache war. Es wird gemutmaßt, dass es ihm momentan einfach zu gut geht für diese Musik und in der Tat verzog der gute Mann heute kaum eine Miene, da konnte die Musik noch so tragisch sein. Egal, für mich, der WARNING heute zum ersten Mal live sehen durfte, war das ein toller Auftritt. Und das ist nach dem energetischen Gig zuvor, den eher unabwechslungsreichen Songaufbauten und der Uhrzeit durchaus beachtlich. Dass ich mit dieser Meinung nicht ganz alleine bin, bestätigen mir einige vertränte Gesichter. Ein bitterschöner Abschluss des ersten HOD-Tags.
Setliste: Watching From A Distance; Footprints; Bridges; Faces; Echoes
[Marius Lühring]

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Redakteur:
Rüdiger Stehle

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