Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen

20.08.2009 | 10:57

23.07.2009, Scheune

Der Garten brennt schon wieder! Der tradtionell metallische Untergrund zeigt sich in Deutschlands Norden einmal mehr von seiner besten Seite.

Nach den teils traumhaften Auftritten der ersten beiden Tage darf man schon gespannt sein, ob die Bands des Samstags denn wirklich noch in der Lage sind, das bisher Gebotene noch zu übertreffen, oder wenigstens ebenbürtig fortzusetzen. Die Wettergötter haben leider noch immer kein Einsehen, so dass der Publikumszuspruch der einzelnen Bands auch stark davon abhängt, ob der Himmel gerade die Schleusen dicht hält oder nicht. Zum Glück bleibt es bei zwar teilweise heftigen, aber in der Regel auch recht kurzen Schauern, so dass wir die meisten Bands zumindest teilweise trocken genießen können.

[Rüdiger Stehle]

 

Den undankbaren Job, den letzten Tag zu eröffnen, hat die deutsche Truppe ZED YAGO, die Ende der Achtziger zwei vielbeachtete Hard-Rock-Scheibchen veröffentlicht hatten. Allerdings stand da noch Jutta Weinhold am Mikrophon, die mit ihrer eigenwilligen und markanten Stimme den Sound der Band stark prägte. Die aktuelle Frontdame Yvonne Durand ist zwar bei weitem länger bei der Truppe, aber dennoch steht sie weiterhin in Juttas Schatten. So hat die Band einen schweren Stand, und nicht wenige Metalfans begeben sich erst später auf das Gelände, was für ZED YAGO schade ist, aber verständlich, wenn man bedenkt, dass fast 12 Stunden Musik auf dem Programm stehen. Da tut dann nachts auch dem größten Fan schon mal der Hinterhuf weh. Für den größten Fehler kann ZED YAGO allerdings nichts: Bis kurz vor Beginn des Gigs gibt es kein Metaller-Frühstück (soll heißen: Das Bier war noch nicht angezapft!). ZED YAGO können sich heute leider keinen Platz in den Top Ten der auftretenden Bands erspielen, was aber auch an der Güte der Bands auf dem Festival liegt. Nur leiden die Musiker auch nicht unter zu großem Enthusiasmus, wofür die Kippe im Mundwinkel des Bassisten während der ersten beiden Songs ein deutliches Indiz ist. Da springt natürlich kein Funke über, also bleibt eine nette Hintergrundmusik zum "auf-dem-Gelände-ankommen".

[Frank Jaeger]

 

Die jungen schwedischen MERCYFUL-FATE-Anbeter von PORTRAIT haben es nach dem durchwachsenen Auftritt ZED YAGOs nicht ganz so schwer, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Einen Preis haben sie auf jeden Fall vom Fleck weg sicher: Den des abgewracktesten Outfits. Herunter gerissener kann man eine Bühne kaum betreten. Besonders des Trommlers Beinkleid lässt weitreichende Einblicke auf das darunter liegende bleiche Gebein zu. Möge das anwesende Weibsvolk beurteilen, ob dies die Band begehrenswerter macht, oder nicht. Musikalisch hat sich das Quintett in der kurzen Zeit seines Bestehens in der Underground-Szene ja bereits einen ordentlichen Ruf erspielt und das nicht zu Unrecht, war sein bisheriges Material doch zumindest in kompositorischer Hinsicht unumstritten sehr respektabel. Die Geister schieden sich bislang indes an Frontmann Phillip Svennefelt, der manchen als Kultfronter erster Klasse galt, anderen lediglich als neben der Spur liegender King-Diamond-Klon. Nun, die Diskussion hat sich inzwischen erübrigt, steht doch mit dem von OVERDRIVE bekannten Per Karlsson inzwischen ein neuer, deutlich gemäßigter klingender Sänger hinter dem Mikro. Es kommt, wie es kommen muss: Für die einen erhöht sich damit die Zugkraft der Schweden, weil die Zehennägel geschont werden, für die anderen geht der Kultfaktor und die Indentifikationsgröße verloren. Sei es, wie es wolle: Per passt stimmlich und auch vom Auftreten her ziemlich gut zur Band, hat allerdings in der Tat keine derart eindrucksvolle Bühnenpräsenz und polarisierende Stimme, wie sein Vorgänger. Die Performance am heutigen Tag ist ein wenig unausgeschlafen und wenig spritzig, überzeugt aber in Sachen Songauswahl durchaus. Hier wird beinahe das komplette Debütalbum gespielt, dazu das tolle 'His Glowing Eyes' von der 7"EP. So langsam wird das Auditorium wach!

Setlist: A Thousand Nightmares, A Ghastly Silence, Consecration, Village Of The Fallen Angel, Hell, His Glowing Eyes, Bow Unto The Devil, Beware The Demons

[Rüdiger Stehle]


CLOVEN HOOF haben dieses Jahr bereits auf einigen Festivals gespielt, so dass ein Großteil der Anwesenden die Herren in ihrem x-ten Frühling wohl schon gesehen hat. Aber wie auch bei den vorherigen Auftritten haben Lee Payne, Russ North und ihre Mannen mächtig Spaß in den Backen. Mittlerweile haben sich einige Songs zu Standards entwickelt, so dass natürlich 'Astral Rider' und 'Nova Battlestar' gesetzt sind und erwartet werden, aber dennoch ihre Wirkung nicht verfehlen. Russ singt sich großartig durch die Songs, egal ob er sie im Original eingesungen hatte, oder ob sie für eine andere Stimme geschrieben worden sind, und Lee rennt wie immer wie der Derwisch über die Bühne und post herum. Das ist entweder total peinlich oder aber einfach ansteckend. Ich entscheide mich für Letzteres und werde belohnt. Und das nicht nur durch einen tollen Gig, sondern vor allem dadurch, dass CLOVEN HOOF das epische 'Return Of The Passover' vom Debüt herauskramen, das meinen persönlichen Lieblingssong der Band darstellt. Dagegen kann selbst das mächtige Trio aus 'Road Of Eagles', 'Gates Of Gehenna' und 'Laying Down The Law' nicht an. Die Band wird zu Recht gefeiert und beweist, dass es wirklich egal ist, wie oft man sie schon gesehen hat, sie sind immer wieder mitreißend.

[Frank Jaeger]

 

 

Bei den NWoBHM-Veteranen von TYSONDOG wurde in den letzten Monaten in Sachen Line-up ja einiges durcheinander gewürfelt. Erst stellte SATAN-Tornado Russ Tippins die Sechssaitige der Hunde in die Ecke und dann zwang eine Rückenverletzung auch noch den etatmäßigen Sänger Alan Hunter dazu, die Bühnenauftritte vorläufig zu unterlassen. Ersatz musste her, und der wurde auch gefunden. An der Gitarre läuft daher heute Gründungsmitglied Paul Burdis (im Photo links) auf. Daneben ist vom Line-up des ersten Albums heute noch Bassist Kevin Wyne am Start. Die Kessel rührt der 1986 zur Band gestoßene Rob Walker und das Mikro schwingt aushilfsweise kein Geringerer als Ian "Swifty" Swift (im Photo rechts), der AVENGER-Sänger, der auch schon für ATOMKRAFT und SATAN die Stimmbänder strapazierte und als echtes Original durchgeht. So ist es zwar sehr schade, dass Alan Hunter nicht dabei sein kann, doch trotzdem dürfen wir uns auf den Auftritt freuen, verspricht der zerknautschte Swifty doch auf jeden Fall gute Unterhaltung im räudigen und ungestümen britischen Stil. Und nachdem ich TYSONDOG bisher immer zur dritten Liga der NWoBHM gezählt hatte und auch in den heutigen Gig nur schwer reingekommen bin (Reizüberflutung!), inspiriert er mich doch, der Band nochmal eine Chance zu geben. Denn sowohl die Songauswahl als auch das Auftreten der Musiker gehen voll in Ordnung. Besonders Ian ist natürlich unschlagbar, so widmet er zum Beispiel den Debüt-Klassiker 'Dead Meat' dem inzwischen scheinbar ziemlich regungslosen Organ zwischen seinen Beinen. Ein wenig Selbstironie schadet den Herren nicht, und so macht die Mucke auch gleich viel mehr Spaß, denn an und für sich ist der Sound weder spektakulär noch besonders originell. Aber es rockt, es macht Laune und es ist authentisch und mit Spielfreude dargeboten. Würde ich gerne mal wieder sehen, allerdings dann mit entsprechendem Warmhören im Vorfeld. Das werde ich dann mit der eben bestellten Anthology ausgiebig durchziehen.

[Rüdiger Stehle]

 

Nach den beiden Bands von der Insel CLOVEN HOOF und TYSON DOG ist anschließend eine deutsche Band an der Reihe, nämlich PARADOX. Die Franken haben bereits Ende der 80er Jahre zwei gute Alben veröffentlicht, doch in den 90ern dann eine kreative Pause eingelegt. Seit dem Auftritt vor drei Jahren beim Keep It True scheinen Charly Steinhauer & Co. aber wieder richtig Spaß an der Musik gefunden zu haben, denn mit "Electrify" haben sie im letzten Jahr eine mehr als ordentliche CD veröffentlicht, und auch der Nachfolger "Riot Squad" (VÖ: 16.10.2009) steht bereits in den Startlöchern. Bei ihrem heutigen Auftritt bedienen sich PARADOX aber in erster Linie bei ihrem älteren Material, und so geht es ganz traditionell mit der Bandhymne 'Paradox' sowie 'Death Screaming And Pain' vom Debütalbum los. Auch die anderen Alben werden angemessen berücksichtigt: Von "Heresy" gibt es neben dem Titelsong noch 'Crusaders Revenge' zu hören, und "Collision Course" ist mit dem gleichnammigen Stück sowie 'Path Of Denial' vertreten. Mit 'Infected' wird auch das letztjährige Album nicht vergessen, sodass unterm Strich ein guter Querschnitt durch das PARADOXsche Schaffen geboten wird. Auch spielerisch gibt es absolut nichts auszusetzen, und somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass vor der Bühne eine recht gute Stimmung herrscht. Diese wird lediglich durch den nächsten Regenschauer getrübt; doch Charly fackelt nicht lange und lädt die Fans ein, auf die überdachte Bühne zu kommen, um im Trockenen weiterfeiern zu können. Die Reaktion ist zwar zunächst etwas zurückhaltend, doch schon einen Song später tummeln sich Fans und Band gemeinsam auf der Bühne. Mit 'Pray To The Godz Of Wrath' beenden PARADOX schließlich einen gelungenen Auftritt.

Setlist: Paradox; Death Screaming And Pain; Collision Course; Heresy; Path Of Denial; Infected; Kill That Beast; Crusaders Revenge; Pray To The Godz Of Wrath

[Martin Schaich]

 

Die Franzosen [Basken! - R.S.] haben in Bezug auf das Wetter auch nicht gerade das große Los gezogen. Es ist zwar kein Dauerregen, aber die Schauer, die das HOA heimsuchen, sind nicht von schlechten Eltern. Doch daraus machen sich KILLERS nichts und bringen die Meute gehörig in Schweiß. Da die Band auf eine große Zahl an Veröffentlichungen zurückblicken kann, ist es wenig verwunderlich, dass sie ein echtes Feuerwerk abfeuert und trotz der französischen Texte der Funke überspringt. Klar, es sind nicht alle hartgesotten genug, um den Gig bangend zu verfolgen, es sei denn sie haben einen Platz vorne unterm Dach ergattert, aber der Applaus kommt von allen Seiten – je nachdem, wo man sich unterstellen kann. Die Setlist besteht zu einem erheblichen Teil aus altem Material, vor allem von den ersten beiden Alben "Le Fils De La Haine" aus dem Jahr 1985 und "Danger De Vie" aus dem Folgejahr, die auch am bekanntesten sind und den Kennern der französischen Metalszene viel Freude bereiten. Aber gegen Ende kommt auch das letzte Album "À L'ombre des Vautours" zu Ehren, wobei die beiden "eingefranzösischten" Coverversionen 'Overkillers' (MOTÖRHEADs 'Overkill') und 'Habemus Metal' (MANOWARs 'Black Wind Fire And Steel') ein paar Takte brauchen, bevor sie erkannt werden. Ein kurzweiliger Set, der mir zeigt, dass ich die alten Alben mal wieder hervorkramen sollte!

Setlist: Ametsetan, Le Cote Sombre, Le Fils De La Haine, Delire de Mort, L'Assassin, Azken Agurraren Negarra, Deux Bastros dans le cigare, Le Magicien D'Oz, Rosalind, Mauvaise Graine, Madarikatua, Minorite, Tais-Tol, Habemus Metal, Manowar, Overkillers, Killers

[Frank Jaeger]

 

Die deutschen Äbbelwoi-Thrasher von TANKARD scheinen auf den ersten Blick nicht so recht ins Billing zu passen. Sie stecken nicht ganz so tief im Underground wie der Großteil der anderen Bands des Festivals und sie haben den Ruf einer trinkfesten Fun- und Party-Band, was ja bei manchem Wahrhaftigkeitsmetaller durchaus ein gewisses plakatives Naserümpfen verursacht. Doch Pustekuchen, trotz des sehr wechselhaften Wetters ist der Garten bei den Dreschflegeln aus der Mainmetropole Frankfurt proppevoll. Fast im selben Ausmaß wie bei den Headlinern. Die Meute geht auch ordentlich ab, was bei den abschließenden Gassenhauern der Marke 'Freibier' und 'Empty Tankard' auch kein Wunder ist. Davor gibt es eine ausgewogene Mischung aus alten Klassikern wie 'The Morning After' und 'Zombie Attack' sowie neueren Brechern wie 'Stay Thirsty!' und 'Rectifier'. Ich kann mir zudem vorstellen, dass Manager Buffo auch einiges vom reichlich vorhandenen Merchandise an den Mann bringen kann. Denn wer die Leute zum Feiern, Headbangen und Toben bringt, der wird auch gerne stolz auf der Brust getragen. Dass der eine oder andere auch Pause macht, statt sich dem feucht fröhlichen Thrash-Inferno der Hessen zu stellen, liegt derweil nicht an der Klasse der Band, sondern daran, dass gerade der ältere Teil des Publikums TANKARD eben schon sehr oft gesehen hat und die Kräfte für die Bands schonen muss, auf die er schon lange gewartet hat. Trotzdem darf Gerre & Co. ein guter und erfolgreicher Auftritt vor dem durchaus wählerischen HOA-Publikum attestiert werden.

Setlist: The Morning After, Zombie Attack, Slipping Rom Reality, Stay Thirsty!, Die With A Beer In Your Hand, Need Money For Beer, Chemical Invasion, Octane Warriors, Rectifier, 666 Packs, Freibier, (Empty) Tankard.

[Rüdiger Stehle]


Am Donnerstag als Q5 auf der Bühne, hatten die NIGHTSHADE-Jungs am gestrigen Freitag ihren freien Tag, den sie für einen Festival-Bummel oder einen Ausflug ins Umland nutzen konnten. Heute aber sind sie wieder in gleicher Besetzung am Start, um dem Festivalpublikum ihren melodischen US-Metal darzubieten, der gegenüber dem Q5-Material einiges mehr an Durchschlagskraft hat, aber dafür nicht ganz so lässig rockt. Auch hier ist der quirlige Frontmann Jonathan Scott K. der Dreh- und Angelpunkt der Show, der zu vielen Songs eine passende und nicht selten auch witzige Ansage hat. Die Songs entstammen allen drei Alben der Band, wobei ein gewisser Schwerpunkt auf dem noch aktuellen 2008er-Werk "Stand And Be True" auszumachen ist, von dem ganze fünf Stücke gespielt werden, während die beiden Vorgänger jeweils mit drei Tracks bedacht werden. Mir haben sich hierbei vor allem die tolle Hymne an den Nordirland-Konflikt 'The Walls Of Derry' und das nicht minder großartige 'Curtail Falls' vom Zweitling "Men Of Iron" eingebrannt. Da der Q5-Hit 'Steel The Light' bereits zwei Tage zuvor für tolle Publikumsreaktionen gesorgt hat, wird er auch heute nochmal ausgepackt, wiederum mit guter Wirkung. Ich muss sogar zugeben, dass mir das aktuelle NIGHTSHADE-Material fast mehr zusagt, als die Q5-Sachen. Wie auch immer, die Band hat in beiden Inkarnationen ihre Berechtigung und jeweils für sehr gute Laune gesorgt.

Setlist: Undead, We Will Fight, Into Nightshade, Dead Of Night, Madness, Strange Aeons, Speed Burner, The Walls Of Derry, Curtain Falls, Blood And Iron, Surrender, Steel The Light

[Rüdiger Stehle]

 

Eine Karriere basierend auf einem einzigen Album, das immerhin zwanzig Jährchen auf dem Buckel hat, das ist ANGEL WITCH. Alles was nach dem Debüt kam, konnte dem selbstbetitelten Album nicht das Wasser reichen, so dass die Auftritte der Engländer relativ leicht auszurechnen sind. Auch heute ist der einzige wichtige Song, der nicht gespielt wird, eine Single-Rückseite, nämlich 'Flight 19'. Ansonsten wird das Debüt rauf- und runtergespielt, auch die Sampler-Beiträge 'Extermination Day' und 'Baphomet' kommen wieder zu Live-Ehren. Das macht allen Anwesenden viel Spaß, aber eigentlich wartet die Menge auf einen einzigen Song: 'Angel Witch'. Als dieser endlich als letzter Song ertönt, muss man das Fazit ziehen, dass die Show interessant war, kurzweilig, aber trotzdem nicht vollständig mitreißend. Der Band fehlt das Charisma, um aus einem solchen Auftritt mehr zu machen als eine nette Zwischenbeschallung. Ich würde ANGEL WITCH jederzeit wieder sehen wollen, aber 30 Minuten Spielzeit würden völlig genügen. Es sei denn, sie können endlich neue Songs schreiben, die qualitativ der Bandhymne entsprechen. Nett, aber nicht essentiell, und definitiv zu weit oben im Billing.

Setlist: Gorgon, Confused, Sweet Danger, Sorcerers, White Witch, Atlantis, Extermination Day, The Night Is Calling, Dr. Phibes, Angel Of Death, Baphomet, Angel Witch

[Frank Jaeger]

 

Selten erlebt man es, dass ein legendärer Musiker sowohl das knipsende Personal im Fotograben als auch die Fans in der ersten Reihe vor dem Konzert per Handschlag begrüßt. David 'The Rock' Feinstein, seines Zeichens der klein gewachsene Dio-Vetter, Sänger, Gitarrist und Bandleader von THE RODS muss sich mächtig strecken, doch er tut es. Schon mal ein tolles Zeichen für den Respekt, den er dem wartenden Auditorium entgegen bringt. Seine Band ist in der legendären Besetzung mit The Rock, dem MANOWAR-Urtrommler Karl Canedy und Basser Gary Bordonaro aufgelaufen. Also kein lauer Aufguss, kein Soloprojekt, sondern das Original. Was kann man sich als langjähriger Fan des klassisch-metallischen US-Hardrocks denn noch wünschen als eine freundliche, energische und gut eingespielte Band mit jeder Menge sichtbarer Spielfreude?

Nun, vielleicht noch eine Setlist, bis unters Dach gespickt mit Klassikern? Sollt ihr haben. Los geht's mit dem Opener 'Raise Some Hell' und 'Hurricane' vom 83er-Klassiker "In The Raw", denen ein bunter Mix von Stücken aller Alben folgt, die teils allerdings auch zu längeren Medleys zusammengefasst sind. Sonst hätten sich der kleine aber saitengewaltige Fels und seine unbarmherzig rockenden und groovenden Mitstreiter aber auch schwer getan, stattliche siebzehn Titel unter zu bringen. Ganz besonders gut gefallen mir noch 'Wild Dogs', 'Let Them Eat Metal' und der Rausschmeißer 'The Night Lives To Rock'. THE RODS werden vom Publikum toll aufgenommen und großartig abgefeiert und beweisen, dass eine Band auch nach dreißig Jahren im Business und dreiundzwanzig Jahre nach dem letzten regulären Album noch eine sehr klare Daseinsberechtigung als Co-Headliner eines der führenden Underground-Events hat. Hoffentlich geben uns David Feinstein und Co. bald wieder die Ehre!

Setlist: Raise Some Hell, Hurricane, Devil's Child, Let Them Eat Metal, Born To Rock, Get Ready To Rock, Too Hot To Stop, Drum Solo, Violation, Waiting For Tomorrow, Hot City, Cold Sweat And Blood, Wild Dogs, Nothin' Goin' On In The City, Crank It Up, Power Lover, The Night Lives To Rock

[Rüdiger Stehle]


Allmählich neigt sich das diesjährige Headbangers Open Air seinem Ende entgegen. Lediglich eine Band fehlt noch, nämlich RAZOR aus Kanada. Da es schon ein ganzes Stück nach Mitternacht ist und Dave Carlo & Co. wohl auch die härteste Band des gesamten Festivals sind, ist zu befürchten, dass sich ein Großteil des Publikums frühzeitig zurückzieht; es wäre ja nicht das erste Mal. Doch weit gefehlt: Der überwiegende Teil der Festivalbesucher bleibt bis zum Schluss, und das spricht für den wirklich großartigen Auftritt von RAZOR. Rein äußerlich hat die Band - neben Gitarrist Dave Carlo gehören noch sein Bruder Adam (b.) sowie Bob Reid (v.) und Rob Mills (dr.) zum aktuellen Line-up - nichts mehr mit der aus den 80er Jahren zu tun, doch musikalisch ist hier immer noch alles im grünen Bereich. Und der insbesondere bei diesem Auftritt glasklare Sound leistet auch seinen Beitrag dazu, dass sämtliche Thrasher hier mehr als nur auf ihre Kosten kommen. RAZOR steigen mit 'Instant Death' und 'Iron Hammer' von ihrem 1985er-Album "Evil Invaders" ein und haben die Menge vor der Bühne recht schnell im Griff. Viel Kommunikation zwischen Band und Publikum findet zwar nicht statt - Bob kündigt lediglich erst die Band und später noch den einen oder anderen Song an -, aber das ist auch gar nicht nötig. RAZOR arbeiten sich quer durch ihren Back-Katalog, und so gibt es mit 'Take This Torch' und 'City Of Damnation' ebenso Songs vom Debüt "Executioner's Song" zu hören wie auch von den späteren Alben "Evil Invaders" ('Cut Throat', 'Speed Merchants'), "Malicious Intent" ('Tear Me To Pieces'), "Violent Restitution" ('Violent Restitution', 'Behind Bars', 'Soldier Of Fortune') und "Open Hostility" ('Free Lunch'). Mit 'Nine Dead' gibt es sogar auch ein Stück vom 1997-Reunion-Album "Decibels", doch ein deutlicher Schwerpunkt bei der Songauswahl liegt (neben "Evil Invaders") auf "Shotgun Justice" aus dem Jahr 1990, das mit insgesamt fünf Songs zum Zug kommt: 'Shotgun Justice', 'Parricide', 'Electric Torture', 'Concussion' und 'Brass Knuckles'. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn schließlich ist es das einzige Album, das in der nun wieder aktuellen Besetzung eingespielt wurde. RAZOR feuern also ein Thrash-Geschoss nach dem anderen auf das Publikum ab, und nicht wenige Headbanger machen ihrem Namen (und dem des Festivals) alle Ehre. Nackenschmerzen am nächsten Tag sind schließlich immer ein deutliches Indiz für ein gutes Konzert. Nach einer guten Stunde stoppt die RAZOR-Maschinerie zumindest vorerst, doch ganz ohne Zugabe kann und will man den heutigen Headliner natürlich nicht davonkommen lassen. RAZOR kommen selbstverständlich noch einmal zurück und lassen es mit dem "Evil Invaders"-Tripel 'Nowhere Fast', 'Cross Me Fool' und 'Evil Invaders' ein letztes Mal krachen. Vor allem der Titelsong wird lautstark abgefeiert, und somit findet das Festival einen doch recht würdigen Abschluss.

Ob sich die Gerüchte bewahrheiten, dass in absehbarer Zeit mit einem neuen Album aus dem RAZOR-Lager zu rechnen ist, kann ich momentan nicht beurteilen. Aber die Band darf in dieser Form natürlich auch gerne mit ihren alten Scheiben im Gepäck wieder mal nach Deutschland kommen.

Setlist: Instant Death; Iron Hammer; Take This Torch; Violent Restitution; Shotgun Justice; Tear Me To Pieces; Free Lunch; Parricide; Cut Throat; Speed Merchants; Nine Dead; City Of Damnation; Behind Bars; Electric Torture; Concussion; Brass Knuckles; Soldier Of Fortune; Nowhere Fast; Cross Me Fool; Evil Invaders

[Martin Schaich]

 

Als Fazit bleibt, dass das Headbangers Open Air in diesem Jahr musikalisch wirklich sehr viele Bands der Extraklasse aufbieten konnte, die sich für ihr Publikum mächtig ins Zeug legten und zum größten Teil blitzsaubere Auftritte hinlegten. Besonders Vicious Rumors, Helstar, Manilla Road und The Rods werden mir auf ewig unvergessen bleiben. Dass sich in den Foren nach dem Event doch hier und da deutliche Kritik an den Veranstaltern regte, dürfte daran liegen, dass viele langjährige Gäste es einfach schade finden, dass das Festival nicht mehr ihnen allein gehört, sondern dass am Vor-Wacken-Wochenende auch sehr viele Leute zugegen waren, die weniger der Bands wegen, als vielmehr nur der Party wegen da gewesen sind. Dass es zu eng gewesen sei, mag vor dem Hintergrund des früher lockeren Zuspruchs nachvollziehbar sein, aber objektiv konnte jeder Zuschauer problemlos jede Band sehen, ohne wie in der Sardinenbüchse zu stehen, so dass von Überfüllung nicht unbedingt gesprochen werden kann. Dass das fürchterliche Wetter auf den Campingplätzen für eine unerquickliche Schlammschlacht gesorgt hat, ist höhere Gewalt, doch hier hat der Veranstalter versprochen, im nächsten Jahr mit Trocknungsstreu besser vorbereitet zu sein. Auch die Karten sollen strenger limitiert werden und auf den Campingplatz sollen nur noch Ticketbesitzer dürfen, um den Partytourismus klein zu halten und die familiäre Atmosphäre zu erhalten. Auch an einer weiteren Verbesserung der Essensversorgung und sanitären Situation werde gearbeitet. Wir nehmen das HOA-Team beim Wort und werden nächstes Jahr wieder am Start sein und das Festival für euch präsentieren, denn ein solches Billing kann uns auch ein inkontinenter Wettergott nicht verderben. Fürs kommende Jahr sind im Übrigen bereits die folgenden Bands bestätigt (in alphabetischer Reihenfolge): ASKA (Warm-up), BATTLE AXE, BLOODFEAST, A Night of CIRITH UNGOL feat. Greg Lindstrom and Friends, CULPRIT, FALCON (Warm-up), DER KAISER, JAG PANZER, OMEN, RAVEN, ROCK GODDESS, ROXXCALIBUR, TRENCH HELL und VIRGIN STEELE. Wir sehen uns im Norden!

[Rüdiger Stehle]

 

Alle Bilder: Rüdiger Stehle

Redakteur:
Holger Andrae

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