Headbangers Open Air 2015 - Brande-Hörnerkirchen

13.08.2015 | 11:11

23.07.2015, Scheune

Der Garten brennt wieder!

Alle Jahre wieder treffen wir uns am letzten Juliwochenende in Brande-Hörnerkirchen zur Gartenparty. Das Headbangers Open Air ist nicht ohne Grund seit vielen Jahren in unseren Jahrespolls eines der beliebtesten Festivals, es verbindet eine exquisite Bandauswahl mit einer einzigartigen Location und Atmosphäre. So war es auch dieses Jahr, wobei unser Besuch im Garten von Thomas Tegelhütter unter keinem allzu guten Stern stand, da unser Kollege Rüdiger Stehle kurzfristig absagen musste. Zum Glück sprang Jowita Kaminska mit ihren Fotos helfend ein, wofür wir uns sehr herzlich bedanken. Trotz dünner Personaldecke und drohenden Unwettern am Samstag hatten wir aber einmal mehr viel Spaß im hohen Norden und hoffen, dass man dies unseren Erinnerungen anmerkt, mit denen wir euch nun auch viel Spaß wünschen.

Die Planung einer Anreise ist immer so eine Sache. Dass die Wartezeit auf die Fähre, die einen auf dem Weg zum Festival über die Elbe bringt, vom Start der Sommerferien in Niedersachsen beeinflusst wird, wurde dann auch erst so richtig klar, als ich anderthalb Stunden brauchte, um auf die andere Seite des Flusses überzusetzen. Trotz durchgedrücktem Gaspedals auf dem Festland steht das Franzosenquartett HÜRLEMENT, das sich gerade selbst einen Traum erfüllt, schon seit zehn Minuten auf der Bühne. Seit ewig und drei Tagen ist die Band um die Kuttenträger aus der Bretagne auf Festivals wie dem KIT oder eben dem HOA als Besucher zu Gast. Heute darf sie die lauteste Gartenparty der Welt als sehr herzliches Empfangskomitee eröffnen. Selten war es bei der ersten Band am Donnerstag im Garten so voll wie jetzt. Die Kuttenträger vor der Bühne feiern den Stahl, den die Kuttenträger auf der Bühne schmieden, gebührend ab. Denn allseits geliebte Klassikerbands wie MANOWAR oder RUNNING WILD haben den Sound des Quartetts ebenso geformt wie ihre Landsmänner aus der heimischen Szene der 80er. Die Lyrics sind bilingual, obwohl die Songs mit englischsprachigen Texten fast noch mehr Publikumsresonanz hervorrufen als die in der Muttersprache der vier Jungs vorgetragenen Stücke. Doch wenn man alle Sprachbarrieren ausklammert, lässt sich zu so ziemlich jedem Song, den HÜRLEMENT heute auf die Bühne bringt, wunderbar Luftgitarre spielen, die Faust recken und den Textfetzen mitbrüllen, den man gerade glücklicherweise als Lateiner doch verstanden hat. HÜRLEMENT liefert einen wunderbaren Start in ein wunderbares Festival.

[Arne Boewig]



Oberschreihals Sean Peck ist Wiederholungstäter. Letztes Jahr ist er mit seiner Hauptband CAGE auf der Bühne des HOA zu Gast gewesen und drehte die Scream Machine voll auf. Momentan beackert er mit der All Star Kombo DEATH DEALER (nicht zu verwechseln mit den kanadischen Kollegen und ihrem Klassiker  "Journey Into Fear") den Erdball, sodass ein Stop auf Brande-Hörnerkirchens Gartenbühne nur folgerichtig ist. Erinnert man sich an die letztjährige Show von CAGE, so kann DEATH DEALER heute trotz prominenter Mitmusiker wie Manowar-Gründungsgitarrist Ross Friedmann an der Axt über weite Strecken nicht so richtig den Belag vom Wurstbrot ziehen. Der Sound ist sehr basslastig und Sean Peck wurde im Mix ganz arg weit hinten platziert, sodass er merklich Schwierigkeiten hat, durch die instrumentale Wand hindurchzukommen. Der Sound ballert noch unnatürlicher als es auf einer so basischen Bühne wie den HOA-Brettern zweckmäßig wäre. Das All-Star-Ensemble kann bislang nur auf ein Album namens "War Master" zurückblicken, das an sich auch von CAGE stammen könnte. Es kann aber nur vereinzelt mit Ledernieten-Hymnen punkten wie Sean Pecks eigentliche Band. Außerdem scheint der Frontmann neuerdings unter die Videoliebhaber gegangen zu sein, denn er filmt sich während des ganzen Konzerts mit einer Digicam in seiner freien Hand. Wahrscheinlich will er in der Nachbereitung des Gigs an seiner Außenwirkung arbeiten. Denn die hat er ja eine Stunde lang mittels seiner Visage aufs Band gebannt. Völlig skurril, vor allem, weil er für die Digicam in seiner Hand leider mehr Augen hat als für seine Mitmusiker oder gar die Fans. Auf seine Musiker muss er offensichtlich gar nicht groß acht geben, denn deren Bewegungsabläufe wirken zumeist sehr einstudiert und hölzern. Wer mit wem auf welchem Fleck der Bühne albern herumzuposen hat, scheint festgelegt. Das sieht leider wenig nach einer mit Freude musizierenden Band aus. Allerdings muss es ja durchaus für etwas gut sein, einen Musiker mit ehrbarer Vergangenheit in den Reihen zu haben. So spekulieren nicht gerade wenige Zuschauer darauf, ein MANOWAR-Cover zu hören zu bekommen, damit der Auftritt wenigstens zum Ende hin ein Glanzlicht bietet. Man weiß bei DEATH DEALER anscheinend Bescheid über die Defizite des eigenen Programms und zelebriert als Schlußpunkt der Show eine grandiose Coverversion der Überhymne 'Hail And Kill'. Als hätte man einen Schalter umgelegt, stimmt auf einmal der Sound, die Band agiert sowohl musikalisch als auch in ihren Bewegungsabläufen vernünftig und bringt den MANOWAR-Klassiker beeindruckend herüber. Wobei Sean Peck trotz beachtlicher Kopfstimme natürlich kein Eric Adams ist. Es gibt kein Halten mehr. Der Garten brennt, die "Hail and Kill"-Chöre sind gewaltig und es tut einfach gut, eine der definierenden Hymnen des klassischen Metals mit ihrem ursprünglichen Gitarristen zu sehen. Da kann man über das seltsame Schauspiel vorher schon bald wieder schweigen.

[Arne Boewig]



Die erste Band in diesem Jahr ist für mich EXUMER. Das teutonische Thrash-Urgestein um Sänger Mem Von Stein hat vor drei Jahren mit dem appetitlichen Reunion-Album "Fire And Damnation" bei mir einen positiven Eindruck hinterlassen, nachdem ich die Band zwei Dekaden lang nicht auf dem Plattenteller hatte. Außer Meister Mem ist von den alten Hasen lediglich Gitarrist Ray Mensh aktuell mit von der Partie. Als die Band die Bühne entert, ist der Platz vor der Scheune recht gut gefüllt. Offenbar herrscht ein reges Interesse am aktuellen Treiben der einstmaligen Thrash-Helden. Auch wenn der Sound anfänglich etwas matschig ist, geht die Truppe gleich amtlich nach vorne los. Dabei macht vor allem das bedrohlich wirkende Stageacting von Mem Von Stein einiges her. Der glatzköpfige Muskelmann hat die Mimik eines psychopathischen Massenmörders und unterstreicht die thrash-typischen Lyrics mit entsprechend vehementer Gestik. Ein echter Hingucker. Musikalisch bietet man einen Querschnitt aus den beiden Alben, an denen er mitgewirkt hat. Das bedeutet: Wir hören keinen Song vom zweiten Album "Rising From The Sea", welches damals Paul Arakaki eingesungen hat. Natürlich muss man heute unwillkürlich immer mal wieder schmunzeln, wenn man die sehr deutlichen Slayer-Zitate im Riffing hört, aber zeitgeistlich betrachtet fühlt man sich damit einfach heimisch. Allerdings scheint mir die Rhythmus-Sektion gelegentlich etwas untight zu agieren. Stört mich das? Nicht wirklich, denn im Hier und Jetzt fühle ich mich von EXUMER sehr gut unterhalten. Somit darf ich die Truppe als gelungenen Auftakt für mich verbuchen. Weiter thrashen!

[Holger Andrae]



Hatte ich im Vorfeld aufgrund der schlechten Publikumsreaktionen bei FATES WARNING vor ein paar Jahren leichte Bedenken, dass die Band an diesem Festival eventuell fehlbesetzt sein könnte, wurde ich bereits bei den ersten Tönen von 'Slipstream' eines Besseren belehrt. Bei exzellentem Wetter fährt das britische Gute-Laune-Kommando namens THRESHOLD von der ersten Minute an in aufschäumenden Euphoriewogen. Ich hätte es mir eigentlich denken können, denn im Gegensatz zu ihren oben erwähnten Artgenossen braten die Herren Groom und Morten testamentarische Knüller-Riffs ins Publikum und Wunderwaffe Damian Wilson strahlt von Beginn an die Sonne aus dem Popo. Dem Charme dieses Frontmannes kann man sich einfach nicht entziehen. Geht nicht. Er hat das Publikum eigentlich schon während des kurzen Soundchecks mit seinem Humor erobert. "You can hear me only by the sound of the monitors? A good sign!" Herrlich! Das absolute Hochlicht des kurzweiligen Potpourris ist die wahnsinnige Version des Putenpelle-Knallers 'Pilot In The Sky Of Dreams'. Mitten im Song bittet Damian das Publikum um eine Wall Of Death. Ja, richtig gelesen. Ich erwähnte seinen Humor schon, didn't I? Er teilt also die Menge und bildet in der Mitte einen langen "Graben", in den er hinab steigt, um einen Teil des Songs unter den Fans zum Besten zu geben. Fannnähe wird bei THRESHOLD sehr groß geschrieben. Mit solchen Aktionen sammelt man natürlich mächtig Pluspunkte. So entwickelt sich der Gig der Briten zum Triumphzug der progressiven guten Laune. Das geht so weit, dass ein doomig gepolter Kollege während des Auftrittes offenbar im siebenten Himmel luftmusiziert und Nachbarn liebkost, was obendrein dermaßen ansteckend ist, dass die Spielzeit wie im Flug vergeht. Dass mir besagter Doomster hinterher erzählt, dass er vorher nicht einen Ton der Band kannte, zeugt von deren Livequalitäten. Bombe!

Setlist: Slipstream; Turned To Dust; Pilot In The Sky Of Dreams; Mission Profile; Unforgiven; Watchtower On the Moon; The Rubicon; Ashes

[Holger Andrae]


Nach dem bärenstarken Auftritt von THRESHOLD und einem überragenden Frontmann wie Damian Wilson sollte man denken, dass es der Donnerstags-Headliner schwer haben dürfte, die Stimmung aufrechtzuerhalten oder gar noch einen draufzusetzen. Doch weit gefehlt, denn mit D-A-D steht heute eine der begnadetsten Livebands überhaupt auf dem Programm. Die Binzer-Brüder, Laust, der Schlagzeuger und Stig, der Mann an den vielen Bässen, wissen genau, wie man ein Publikum zu behandeln hat, haben einen schier unerschöpflichen Fundus an Songgranaten in der Hinterhand und sind dementsprechend ein Garant für perfekte Partystimmung. So gestaltet sich der Auftritt der Dänen dann auch zu einem Triumphzug, dem sich, auch wenn D-A-D sicher nicht zu den typischsten HOA-Bands gehört, nur wenige entziehen können. Die Musiker sind Vollprofis, perfekt eingespielt und mit einem starken Sound ausgestattet, die Lieder machen auch jenen, die sie zum ersten Mal hören, direkt Spaß und zwischendurch gibt es allerlei Unterhaltsames von Frontmann Jesper Binzer zu hören. Zunächst erklärt uns der Obersympath, wir hätten Talent, nur um dann zu folgender philosophischer Weisheit auszuholen: "Wenn Talent und Liebe zusammenkommen, dann ist das Konzert". Die ganze Band schäumt vor guter Laune förmlich über, Laust darf vorführen, dass er "seine Lektion in Speed Metal" gelernt hat, das Publikum muss ihn dabei mit "Komm schon Laust, wir wissen, du schaffst das"-Rufen anfeuern und spätestens, als 'I Won't Cut My Hair' und der Überhit 'Sleeping My Day Away' angestimmt werden, hat D-A-D den Tagessieg gesichert und die Latte für die kommenden Headliner verdammt hoch gelegt. So verlasse ich rundum glücklich und breit grinsend das Festivalgelände in Richtung Zelt und gönne mir ein letztes Bier.

[Raphael Päbst]

Redakteur:
Holger Andrae

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