Heavy Psych Sounds Fest 2019 - Dresden

23.12.2019 | 17:01

06.12.2019, Chemiefabrik

Dänischer Filigranpsych, tausendtonnenschweres Turin, Okkultes von der Insel: An zwei Tagen bildet das Label aus Rom all seine Facetten ab.

Schlau von Labelboss Gabriele Fiori, die Form eines doppelseitigen Festivals zu nutzen, um die Vielfalt seines Verlages Heavy Psych Sounds dem deutschen Publikum darzustellen. Sehr gut für ihn, wenn sich in Dresden mit dem Elbsludgebooking e.V. Leute finden, die sich um die Durchführung eines solchen Aufwandes kümmern. Die die tolle Lokalität stellen, vorbereiten, die Betreuung der Bands stemmen und die Leute vorhalten, dass das Ganze ein Erfolg wird. Und das wurde es! In Berlin hat die gesamte Vor-Ort-Betreuung Greyzone Concerts übernommen. Gerade das sind zwei Vereinigungen, die die Konzertkultur in beiden Städten bereits mehrmals sehr bereichert haben.

Die Festivalserie, die das Zeug hat, sich in der Rockszene ähnlich vielleicht wie die "Up In Smoke"-Reihe fest zu etablieren, hat sich für 2020 schon weitere Orte gesichert: Man wird sie im März 2020 in Paris, London, Antwerpen und Deventer finden. Ein gelingendes europäisches Projekt, könnte man meinen. Zunächst aber ist man im Dezember-Deutschland des Jahres 2019 gemeinsam unterwegs. Und das geht so: Wer als Musiker am Freitag in der Chemiefabrik (Chemo) in Dresden aufspielte, der ist am Samstag in Berlin zu Gange. Und umgekehrt.

Poster

Freitag spielen im Berliner Club Zukunft PLANET OF ZEUS, BLACK RAINBOWS, DEAD WITCHES, GORILLA, WEDGE und TONS. Im Bi Nuu dann am Samstag MONOLORD, ALUNAH, 1782, GIÖBIA und THE SONIC DAWN. Wir haben das Dresdner Paket gewählt und fahren damit trotz Weihnachtsinnenstadt und knackiger Herbstluft genau richtig. Denn die Chemo ist ein sehr stimmiger, etwas abgelegener, aber nicht auswärtiger Untergrundkonzertgegerbter Club, der draußen mit bunt illuminierten Bäumen, überdachten Stehtischen, einer duftenden Feuerstelle und einer leckeren Küche aufwartet, alles sehr einladend, auch entspannt den Abend begleitend. Ich kann mir vorstellen, dass es hier während der Punkpakete oder bald bei den RYKER'S auch anders zugehen kann, aber das hält die Flachbaubude locker aus. Fiori selbst wirkt, während er herumschleicht, sehr entgegenkommend und auch wissbegierig, auch oder weil er ja selbst noch Samstag als einer der Hauptakteure mit seiner Hauptband BLACK RAINBOWS auftritt, der er neben den beiden Projekten THE PILGRIM und KILLER BOOGIE sein Können vor allem leiht.

Der Freitag in Dresden geht mit zwei eher traditionell doomigen Bands los, ALUNAH und 1782, die die verschiedenen Soundherausforderungen zum einen einfordern und zum anderen auch meistern. Das ist etwas schön Dusteres zum Warmwippen. Schnell ist man angekommen, streift lächelnd herum und gönnt sich Gespräch und Konsum. Einen ersten Kontrapunkt zum Bisherigen setzt dann das dänische Psychedelic-Trio THE SONIC DAWN, die ich bisher bei beiden Besuchen in der Gegend verpasst habe und mich daher besonders freue, da mal einzutauchen. Und das gelingt recht schnell, denn die bluesdurchwehten, feingewobenen und teilweise zart ausufernden Stücke schmiegen sich fast aneinander und lassen mich zumindest sehr frohgemut zurück. Mit den Psychedelic-Bands, die den Sechzigern auch in ihrem Sound hinterhertrauern, kann ich dauerhaft nicht viel anfangen, THE SONIC DAWN schafft aber den Übergang zum "Moderneren" spielend, im wahrsten Inhalt der Note.

Kontrastreich ja, aber im Geiste und Nebel verbunden, ist nachfolgend GIÖBIA, von jener Truppe mir draußen im Holzrauch ein erzgebirgischer Gesprächspartner verriet, dass die Band sehr tagesformabhängig sein soll. Entweder die Lunte brennt oder eben nicht, an schwachen Tagen verliert man wohl schnell die Lust. Aber heute haben die Mailänder einen guten Abend erwischt. Das ist abwechslungsreich, überraschend, bis auf ein paar arg konstruierte Momente auch mitreißend. Speichere ich als Erlebnis ab.

[Mattes Freiesleben]

 

GIÖBIA ist eine dieser Überraschungen, wie sie gerade an Festivaltagen, an denen man mehr als nur seine zwei oder drei Wunschbands sieht, wegen derer man hergekommen ist, immer wieder vorkommen. Die Band war mir vorher gar kein Begriff und hat mit ihrem sphärischen Psychedelic Rock voll eingeschlagen. Immer wieder an der Kante entlang lavierend, ohne sich zu sehr in den spacigen Klängen zu verlieren, bekommen die durchgehend grün angeleuchteten Italiener doch stets die Kurve, um das Publikum knatternd und dröhnend wieder einzufangen. Länger dürfte so ein Gig sicherlich nicht dauern, aber so ist's eine perfekte Mischung aus luftigem Wabern und treibendem Acid Rock.

[Stephan Voigtländer]

 

MONOLORD beschließt das heutige sächsische Buffet: Die Bude ist nun komplett voll und von Anfang an mit dabei. Die drei Schweden vermengen zwar nicht neue und umwerfend innovative Musik, aber sie entwerfen einen Klang, der sich bewährt hat, vom Publikum dankbar angenommen wird, da er ohne größere Sperenzien und Spielchen herunterwummst. Hervorzuheben ist der melodiöse Gesang, der der monotoiden Druckmusik einen feinen Schliff verleiht.

Schöner Abend, sehr gute Ausstellung am nächsten Tag besucht, stehen wir knapp nach Beginn von TONS auch am Samstag vor der Bühne, mal blau, mal grün, zumeist lila beschienen, wie das so sein soll. WEDGE haben wir verpasst, da ging es für unsere Pläne zu früh los. Aber ich habe erfahren, dass die Berliner Retrofuzzer eine sehr gute Bühnenpräsenz sehr schnell entwickeln können. Hole ich nach. Während der nachfolgenden Band aus Turin fällt mir die stilistische Bandbreite des Heavy Psych Sounds-Labels auf, hier die feinspinnigen Dänen von SONIC DAWN, dort der garstige Sludge aus der Lombardei.

Bei TONS heißt nun vierzig Minuten die Devise: drauf, daneben, drauf, drauf, drauf. So stelle man sich auch einen typischen Genrevertreter vor: Rhythmussektion Bass und Drums werden von sehr präsenten Herren besetzt, die gar nicht leise spielen können, dazu übernimmt der Bassoid noch den Kehlgesang, der von den beiden zappeligen Gitarristen links und rechts bekränzt wird. Das Publikum nimmt das dankbar auf, um mich herum fliegen die Haare und Kapuzen wippen rhythmisch im Adventsgetös. Pah, Destruktivmusik! In Momenten solcher Monumentalmusik erschleicht mich beste Laune. Außerdem ist das auch Sludge mit Soundsampeln, das ist ja eigentlich aus der Mode gekommen. Wer Stücke wie 'Girl Scout Cookie Monster' oder 'Sailin' The Seas Of Buddha Cheese' anbietet, der hat das Leben begriffen. Wahrscheinlich.

Danach habe ich das Gefühl, GORILLA, ausgestattet mit rotem Stirntuch, berstenden Backenbärten, Glitzerkostümen und bestem

Tons

Hinterlandbritisch, hätte mal als MOTÖRHEAD-Coverband begonnen und die drei Mitglieder haben durch Livemusik einen Weg gefunden, ihre Ruhelosigkeit oder das Angetriebensein herunterzukühlen. Das geht nach vorn, ist vom Klang her wiederum etwas ganz anderes als die tonnenschweren Turiner davor und mir dauerhaft zu aufgekratzt. Da bemerke ich links neben mir eine Dame im Gothicstil, die auch einge Stücke der Krachbriten mitzusingen scheint. Wow, wohl doch eine große Nummer dort, aber es kommt ganz anders...

Es stellt sich heraus, dass die schwarzgewandete Dame die Sängerin der nachfolgenden DEAD WITCHES ist, die schon im Kurzsoundcheck Stimmgewalt beweist. Das Album des Vierers - auch von der Insel, die bald allein im Nordmeer schwimmt - ist im Februar 2019 erschienen. Am Schlagzeug sitzt ein Prominenter der Szene, Mark Greening, der ELECTRIC WIZARD mitgegründet hat. Die Stimmgewalt gehört der Londoner Sängerin Soozi Chameleone. Die Gitarre bedient ein Zweimeterhühne, auf dessen Tintenbrust ein Aufdemkopfkreuz thront und der mit zunehmender Zeit immer öfters die Zähne in das aufbrausende Zuschauerdurcheinander blitzt.

Ein Durcheinander ist das, weil die Leute sich vom Auftritt des Quartetts so richtig mitnehmen lassen. Ein Gewinner des Abends, wie vielen Gesprächen ringsumher zu entnehmen ist, aber wegen solcher Okkultopulenzen sind wir ja auch hergekommen. Pikant, dass da draußen in Steinwerfferne die Petrikirche im Dunkeln thront. An der muss ich nun vorbei, denn ich muss vorzeitig noch eine Stunde durch das Dunkel brausen und BLACK RAINBOWS und PLANET OF ZEUS meinen Begleitern überlassen. Das erste HPS-Fest hat sich gelohnt, besucht zu werden, die betreuende Crew vor Ort sollte sich auf weitere dieser Experimente durchaus einlassen.

[Mattes Freiesleben]

 

Ja, BLACK RAINBOWS. Den abschließenden Worten des Veranstalters zufolge war Gabriele Fiori himself die treibende Kraft dahinter, dass das Festival erstmals im Osten Deutschlands Station macht. Es gab 2019 bereits ein paar Ausgaben (unter anderem in Rom und Innsbruck), aber was den Zuschauerzuspruch anbelangt, dürfte man auch mit dem Dresdner Publikum mehr als zufrieden sein. Und dass der Labelboss mit "seinen" BLACK RAINBOWS dann auch stets zur Stelle ist, ist umso besser. Denn das schnörkellose, verzerrte Riffgewitter lässt keine Wünsche offen. Die Songauswahl ist famos und geht querbeet durch das Bandschaffen. Außerdem beschenkt man die Fans mit einem fetten MC5-Cover ('Black To Comm'). Ein durch und durch fantastischer Gig. Fuzzy Stoner deluxe. Für mich der Gewinner des Samstags und neben GIÖBIA der feinste Gig an diesen beiden Tagen.

Den Rausschmeißer geben die Griechen PLANET OF ZEUS. Einige Songs kommen nicht so zwingend rüber, was wohl auch an den recht massentauglichen Riffs und Melodien liegt. Doch die Band kriegt die Kurve und rotzt zum Ende hin noch ein paar ordentlich krachige Nummern ihres High-Energy-Rocks raus ('Loyal To The Pack' zum Beispiel), den die Band ja auch vorzüglich beherrscht. Bei der Songauswahl hätte ich mir etwas mehr in dieser Richtung gewünscht, dennoch sind die Publikumsreaktionen mit die ausgelassensten des gesamten Festivals. Alles richtig gemacht, also.

Das Schlusswort hat Mattes schon vorweg genommen: Angesichts des tollen Portfolios von Heavy Psych Sounds kann man hoffentlich bald der nächsten Ausgabe hierzulande beiwohnen.

[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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