Hellfest - Clisson (FR)

09.07.2008 | 15:24

20.06.2008, Festivalgelände

Den Samstag eröffnen bei strahlendem Sonnenschein THE OLD DEAD TREE aus Nizza, die bei ihren Landsleuten ein umjubeltes Heimspiel abliefern. Ihre dynamische Mischung aus atmosphärischen bis hin zu brachialen Parts weckt die Festivalgeister wieder, so dass die Band schließlich noch zu einer Zugabe zurückgerufen wird.

Die so aufgebaute Energie steigert sich noch weiter bei den Holländern LEGION OF THE DAMNED, die wirken wie die Death-Metal-Version der slayerhaftesten SLAYER, die nicht SLAYER sind. Zwar hat man ein wenig das Gefühl, dass hier alter Wein in alten Schläuchen präsentiert wird, dennoch kommt reichlich Stimmung auf, und die Besucher kreisen mit den Köpfen.

Die Australier AIRBOURNE zeigen danach, dass Rock 'n' Roll der Sorte AC/DC zeitlos ist und immer gut ankommt. Unter dem frenetischen Jubel der Fans klettert Sänger Joel O'Keeffe sogar auf den Boxenturm, um von dort ein Solo nach unten zu zocken. Definitiv der Partyhöhepunkt des Nachmittags, dem sich niemand entziehen kann. Bei 'Girls In Black' bildet sich sogar ein Moshpit, und die Frage "Do you believe in the power of Hellfest Rock and Roll?“ wird einstimmig bejaht und mit heftigem Abtanzen untermauert.
[Philip Santoll]

SONATA ARCTICA sind wohl die einzige Metal-Band, der ich das Attribut "niedlich" verpassen würde, denn jedes Mal wenn ich die Finnen höre, finde ich ihre Musik einfach nur herzerwärmend süß. Dass Sänger Toni hinsichtlich seines Outfits mal wieder den kompletten Griff ins Klo wagt, sind wir ja schon fast gewohnt (dieses mal im rot-weiß gestreiften Top und grasgrüner Skater-Hose); dass die Mannschaft fast komplett ausgetauscht wurde, ist mir allerdings neu. Aber ich verfolge den Weg der Band schon seit einiger Zeit nicht mehr und habe die Jungs auch seit sicher zwei Jahren nicht mehr live gesehen. Aber egal, wer da jetzt die Saiten zupft und was Toni auch wieder anhaben mag (singen kann er auf jeden Fall), Songs wie das wunderschöne 'Replica', 'Fullmoon' oder 'Don't Say A Word' kommen immer wieder gut an und sorgen für eine klasse Stimmung.
[Caroline Traitler]

An diesem herrlichen Sommertag ist die Menge dankbar für ein wenig Abkühlung, womit nun für die Norweger SATYRICON der perfekte Zeitpunkt gekommen ist. Die Band kann mit ihrem düsteren, von Stoner Rock beeinflussten Black Metal vom ersten Augenblick an überzeugen und liefert eine der besten Performances des Festivals ab. Songs wie 'Havoc Vulture' und 'Diabolical Now' spornen die Fans dazu an, aus Leibeskräften mitzugehen. Deren Einsatz ist schließlich so frenetisch, dass Sänger Satyr ihnen seine tiefe Anerkennung dafür ausspricht, dass sie trotz der Hitze derart Gas geben. Zur Belohnung gibt's von der neuen EP den Song 'My Skin Is Cold' und nach 'Rule The Earth' und 'Fuel For Hatred' noch den Klassiker 'Mother North', das nochmals lauthals mitgesungen wird.
[Philip Santoll]

ICED EARTH waren auf dem Rock Hard Festival die Überraschung des Tages, und seit Herr Barlow wieder mit an Bord ist, mag ich mir die Sache auch gerne wieder anhören. Dass ICED EARTH den Überraschungs-Effekt vom Rock Hard Festival nicht toppen können, ist mir schon vorher klar, und so schraube ich meine Erwartungen etwas zurück, was die Show um keinen Tick schlechter macht. Denn die Herren gehen wieder gewohnt routiniert und spielfreudig zur Sache, graben auf dem Hellfest allerdings etwas weniger Hits aus (wohl auch wegen der kürzeren Spielzeit), aber auch in Frankreich singt man gerne zu Songs wie 'Melancholy' oder 'Iced Earth' mit!

Endlich wieder ANATHEMA! Auch wenn ich die Jungs schon mehr als zwanzig Mal gesehen habe, kann ich mich bei jeder Show aufs Neue freuen, denn die Liverpooler sind auch immer wieder ein Garant für besondere Überraschungen, und das beweisen sie auch auf dem Hellfest. Eigentlich schlau, auf einem Metal-Festival und kurz vor dem Release eines Akustikalbums auf die alten Doom-Kracher zurückzugreifen! Aber ANATHEMA sind eben vielfältig und vor allem mit einer Bühnen-Energie gesegnet, die sich schnell auf das zahlreich erschienene Publikum überträgt. Aber kein Wunder, denn bei Band-Klassikern wie 'Fragile Dreams', 'Empty', 'Closer', 'Deep' oder den Doom-Über-Songs 'Sleepless' und 'A Dying Wish' kann man gar nicht anders, als mitzugehen! Als besonderes Extra haben ANATHEMA auch ihre Sängerin Lee mitgenommen, die bei 'A Natural Disaster' ihre schöne Stimme ins Spiel bringt. Die Jungs sind bestens gelaunt, die Sonne scheint, der Sound passt, und die Fans sind begeistert. Was will man mehr?
[Caroline Traitler]

PORCUPINE TREE treten heute in reduzierter Besetzung an. Gitarrist John Wesley ist diesmal nicht mit dabei, wodurch man von den vergangenen Tourneen leicht abweichende Fassungen der Songs serviert bekommt. Die Band befindet sich in bester Improvisationslaune, was bei derartigen Ausnahmemusikern besonders spannend anzuhören ist. So enthält etwa der Opener 'Open Car' gleich mal ein ungewohntes Keyboardsolo, gefolgt von 'Blackest Eyes', das vom Publikum enthusiastisch aufgenommen wird. Aufgrund der harten Ausrichtung des Festivals kündigt Mastermind Steven Wilson an, heute den Schwerpunkt auf "heavier stuff" zu legen. Daher folgen das überlange 'Anesthetize' und die rare Instrumentalnummer 'Mother And Child Divided', bei der nochmals alle Register musikalischer Improvisation gezogen werden. Auch die hypnotisierende Lichtshow trägt dazu bei, dass dies ein Höhepunkt des Tages ist, und so folgen noch 'Hatesong', 'Halo' und 'Sleep Together'.
[Philip Santoll]

CANDLEMASS bringen den Doom aufs Hellfest, und auch wenn man seit dem Weggang von Messiah keine lustigen Ansagen mehr serviert bekommt (ich vermisse das Doom-Gemüse doch etwas), so hat sich Rob Lowe mittlerweile bestens als neues Stimmwunder der Düsterschweden etabliert. Seine bösen Grimassen und seine teuflische Gestik untermalen jedenfalls perfekt alte Doom-Klassiker wie 'Mirror Mirror', 'Samarithan' oder 'At The Gallows End', und als Draufgabe kommen die CANDLEMASS-Jünger noch in den Genuss von 'Solitude'. Solide und trotz ungünstiger Tageslicht-Hitze-Spielzeit ein gelungenes Doom-Häppchen für zwischendurch!
[Caroline Traitler]

Die Finnen APOCALYPTICA vereinen die Massen und zeigen gleich mal, dass SEPULTURAs 'Roots Bloody Roots' auch mit vier Celli gespielt ordentlich abgehen kann. Nur von einem Schlagzeuger begleitet wird hier klargestellt, dass Metal definitiv keine Frage der Instrumentierung ist, und so folgt ein Potpourri von Klassikern, die allesamt frenetisch umjubelt und mitgesungen werden. Neben den Metallica-Songs 'Fight Fire With Fire', 'Nothing Else Matters' und 'Seek And Destroy' bekommt man heute DAVID BOWIEs 'Heroes' serviert, weiters 'Betrayal' und 'Inquisition Symphony', bevor schließlich Griegs 'Hall Of The Mountain King' vollkommen zerlegt wird. Bei der Zugabe 'Enter Sandman' gibt's dann kein Halten mehr, als tausende Kehlen mitsingen.
[Philip Santoll]

PUNISH YOURSELF sind eine weiterer gut gemeinter Tipp eines Kollegen, der mir diese französiche Truppe vor allem wegen der extravaganten Show ans Herz legt. Und tatsächlich hinterlässt die Band mit ihrem optischen Aufputz erst einmal ein großes Staunen in meinem Gesicht, denn ganz in UV-Bodypaint getaucht wirken PUNISH YOURSELF wie bunte, leuchtende Geister auf der Bühne. Beeindruckend! Die wilde Show wird von einer in Latex gekleideten, kurvigen Tänzerin aufgeputzt, die zu den harten Industrial-Metal-Klängen der Band eine Cheerleader-Tanzeinlage zum Besten gibt. Der Sänger mit dem klingenden Pseudonym "vx 69" reißt sich zu einem Song auch mal den Hosenstall auf und fasst sich an die Eier, legt sich auf den Boden und springt am Ende so wild in die Menge, dass er sich dabei noch einige Rippen bricht. Unglaublich!
[Caroline Traitler]

Beim Headliner CAVALERA CONSPIRACY hat man das Gefühl, eine Art Exil-SEPULTURA vorgesetzt zu bekommen. Neben einigen Songs des Debüts der wiedervereinten Cavaleras gibt's hier hauptsächlich Altbekanntes in gesteigertem Tempo zu hören. Songs wie 'Territory', 'Arise', 'Dead Embryonic Cells', 'Inner Self', 'Propaganda', 'Refuse/Resist', 'Attitude', 'Troops Of Doom', 'Roots' und MOTÖRHEADs 'Orgasmatron' kennt natürlich jeder, und dementsprechend ist die Stimmung bei den Fans auch sehr gut. In einem gewaltigen Pit wird gemosht und geslammt was das Zeug hält, schließlich hat man lange genug auf die Wiedervereinigung der beiden Cavalera-Brüder warten müssen. Als solches Ereignis wäre der Auftritt natürlich legendär, doch vom musikalischen Gesichtspunkt her stellt sich leider eine subtile Enttäuschung ein. Irgendwie wirkt das Ganze unausgegoren und abgenutzt und nicht wie ein würdiger Festival-Headliner.
[Philip Santoll]

Redakteur:
Caroline Traitler

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