Iced Earth/Judas Priest - München

06.07.2008 | 10:26

24.06.2008, Zenith

Oh Mann, eigentlich könnte man diesen Bericht mit einem ordinären, kurzen und pubertär-prägnanten Satz abhandeln: Ich hatte von Beginn an bis zum Schluss einen Ständer in der Hose. Ich bitte um Entschuldigung, aber genauso stellt sich die Sachlage dar, Herr Richter. Wie soll es auch anders sein, wenn die Götter des Heavy und die Helden des Power Metals - namentlich JUDAS PRIEST und ICED EARTH - nach München kommen und zum Tanz aufspielen? Aber gut, ich reiße mich am Riemen, sprichwörtlich, versteht sich, und versuche, die Geschehnisse des Abends durch einen speziellen anti-rosa Filter zu betrachten.

Los geht es pünktlich um 20.00 Uhr mit ICED EARTH, letztes Jahr spontan mit Matt Barlow reuniert, aber das dürfte ja ausreichend bekannt und diskutiert worden sein. Zuallererst gilt es festzustellen, dass Jon Schaffer, das langhaarige Mastermind, mittlerweile doch schon recht reif wirkt. Dessen (schon) seit Jahren praktizierte Gemächlichkeit auf der Bühne wird allerdings von dem oben angesprochenen Frontmann mehr als kompensiert. Dieser macht mit jeder Bewegung, jedem Winken, jedem Anheizen des Publikums mehr als klar, dass Matt ebenso zu ICED EARTH gehört wie der Topf zum Deckel oder, wie unser aller Joey sagen würde: "He owns ICED EARTH, ICED EARTH owns him". Wie man es drehen oder wenden mag, die Leute stehen auf den neuerdings kurzhaarig auftretenden Wundersänger und gehen gut mit. Im Hintergrund der Bühne hängt ein riesiges Back-Drop in klassischer ICED EARTH-Optik und die PA drückt mächtig - so muss ein Auftritt dieser Größenordnung sein. ICED EARTH verbinden geschickt ältere Songs mit neueren, 'Pure Evil' wird ebenso wie 'Declaration Day' intoniert. Mit der Zeit macht sich bei Matt Barlow allerdings eine gewisse Heiserkeit bemerkbar, die gerade bei der Über-Ballade 'Melancholy' ein wenig die Stimmung trübt. Darüber kann man allerdings gut hinwegsehen - zumindest den Reaktionen im Publikum nach zu urteilen. Nach dem wunderbaren 'Iced Earth' und einer rundherum tollen Show verabschieden sich die Jungs noch recht artig und machen Platz für die Roadies, welche so langsam den Höhepunkt des Abends einleiten.

Dieser heißt, wie kann es anders sein, JUDAS PRIEST. Nach einer halben Stunde hat das sehnsüchtige Warten auf die Götter des Heavy Metals endlich ein Ende. Dramatisch fällt der Vorhang - und wir sehen in die strahlenden Augen eines alten, bärtigen, bemützten und etwas manisch dreinblickenden Herren. Nein, nicht Rob Halford, sondern den riesigen Backdrop in Nostradamus-Optik meine ich. Robbie himself trägt einen knöchellangen Glitzermantel, wie man ihn normalerweise von Boxern kennt, und hält - ganz in Prophetenmanier - einen Stab mit dem klassischen JUDAS PRIEST-Zeichen an der Spitze in der Hand, welchen er gemeinsam mit dem ganzen Körper auf höchst geheimnisvolle Art von rechts nach links wanken lässt. Der erste Song des Abends ist gleich ein neuer und schimpft sich passend 'Prophecy'. Man kann zu dem neuen Zeug stehen wie man will, der Drive kommt jedenfalls nicht von vornherein rüber - Charme hat es aber allemal. Aber vor allem deshalb, weil es die Metal-Priester einfach drauf haben, eine geile Show auf der Bühne abzuziehen. Und spätestens mit dem in grandioser Manier gescreamten "Hello Munich, the Priest is back!", bleibt kein Auge mehr trocken, schließen sich alle anwesenden Kultisten in die Arme und die Heavy-Metal-Super-Show kann beginnen. In wechselnden Outfits haut uns der Metal God Klassiker um Klassiker um die Ohren. Witziges Detail: Zu den Songs aus verschiedenen Schaffensphasen der PRIESTs werden Backdrops mit den jeweils relevanten Motiven aufgezogen - so wird der Einstieg in den Backkatalog der Briten leicht gemacht.

Ob die Songs jetzt 'Between The Hammer And The Anvil', 'Devils Child' oder 'Electric Eye' heißen ... das Herz rast wie verrückt, der Kopf bewegt sich im Takt und die Welt da draußen hat für die Länge des Konzertes einfach so was von überhaupt nix mehr zu melden.

Und dennoch, selbst diese strahlende Medaille mit den Nieten, dem Leder und den Ketten hat eine zweite Seite: Rob Halford. So großartig, wie ich diesen Mann auch finde, so sehr ich mich gegen dieses Urteil wehre, so sehr mir mein metallisches Herz dabei blutet: Er hat's einfach nicht mehr drauf. Damit ist er zwar immer noch besser als die meisten seiner Zunft, doch an die Leistung der glorreichen "Painkiller"-Jahre kommt er heute einfach nicht mehr ran. Dazu ergänzend scheint auch er eine leichte Erkältung zu haben, was zu Heiserkeit und einem vielfachen Weglassen seines Markenzeichens, den hohen Schreien, führt. Aber was soll's - einen echten Fan schreckt sowas nicht, zumindest nicht während des Konzerts, vollgepumpt mit Adrenalin und flüssigem Eisen in den Venen. So nimmt München Hymne für Hymne dankbar entgegen und dankt es den Heroen mit viel Applaus, Riesenspaß und einer gehörigen Menge Euphorie.

Nach dem großartigen 'Sinner' und dem mindestens kongenialen 'Painkiller' verabschieden sich die alten Herren für eine kurze Pause. Diese wird urplötzlich von lautem Dröhnen unterbrochen - Dröhnen, das nur von einer zweirädrigen Höllenmaschine a la Harley oder ähnlichem stammen kann. Und so ist es: Aus dem Mittelpodest des riesigen Aufbaus auf der Bühne kommt Rob "Nieten und Leder" Halford gefahren. Nachdem sich die Herzen der anwesenden Metaller - von Anfänger-Metalprinzessin bis Rock-Opa war alles da, was laufen konnte - auf den knatternden Takt der Maschine eingestellt haben, beginnt das große Finale des Abends. Angeführt durch das Songdreigestirn, bestehend aus 'Hell Bent For Leather', 'The Green Manalishi' und 'Another Thing Coming' wird das Publikum in einem letzten Aufbäumen in die Vergangenheit geschossen. Rob trägt vorübergehend eine Deutschland-Flagge, warum auch immer. Aber hey, das ist PRIEST, die dürfen das ...

Und so werden wir nach vergeblichen Zugaberufen, einem erschöpften Abschied der mittelalten PRIEST-Bande und zwei großartigen Bands in die kühle der Nacht gelassen. "Breaking the law! Breaking the law!" schallt es noch jetzt durch meinen Kopf, und die Achtziger-Latte (Ihr erinnert euch) ist auch jetzt noch nicht verschwunden.

Redakteur:
Julian Rohrer

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