Keep It True XIII - Königshofen

03.05.2010 | 22:18

23.04.2010, Tauber-Franken-Halle

Das Underground-Kult-Festival geht trotz Vulkanasche in die dreizehnte Runde.

Es ist gerade einmal halb zwölf am Vormittag, als der zweite Festivaltag eine ungeahnt starke musikalische Fortsetzung findet. Mit den Österreichern MORTICIAN hat KIT-Veranstalter Oliver Weinsheimer kurzfristig eine Ersatzband gebucht, von der ich im Vorfeld nicht sonderlich viel in Sachen Live-Performance erwartet habe. Immerhin waren MORTICIAN fast zwanzig Jahre lang aufgelöst, ehe man sich im Jahre 2009 neu formierte.Die Darbietung der Österreicher belehrt alle Zweifler eines Besseren, denn Original-Gitarrist Thomas "Tommy Lee" Metzler und seine Bandmitglieder sind sehr gut eingespielt und vor allem hochmotiviert. Sänger Daniel Khan intoniert mit seiner voluminösen Stimme die zeitweise an JUDAS PRIEST erinnernden Kompositionen voller Inbrunst.

Die Publikumsreaktionen in der schon zu früher Stunde gut gefüllten Tauberfrankenhalle lassen nicht lange auf sich warten, und Shouter Daniel Khan ist sichtlich beeindruckt: "Ist das nicht ein geiler Frühschoppen?". Ja, Recht hat er! 'No War', das mitreißende 'Sacrifice Of Sin' und 'We Must Get Back' machen absolut Laune, und dass dieses Liedgut über zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, merkt man auch kaum. Mit 'Reflection Of Your Soul' präsentieren die Vorarlberger überraschenderweise sogar eine neue Nummer, die sich prima in den Set einfügt. Mit 'Hot Fight' beenden MORTICIAN einen tighten Auftritt voller Spielfreude, der für mich zu den Überraschungen des Festivals zälhlt. Alles in allem ein feiner musikalischer Start in den zweiten Festivaltag.

[Martin Loga]

Auf den ersten Blick war die Einladung von HEART OF CYGNUS auf das diesjährige KIT doch eine Überraschung. Immerhin sind die Jungs weder Metal noch sonst wie true. Die Richtung ist eher Progrock, der an Bands wie RUSH oder QUEEN erinnert und dazu einen leichten Einschlag in Richtung IRON MAIDEN besitzt. Und doch räumen HEART OF CYGNUS auf der ganzen Linie ab. Das Material kommt live ungleich härter und knackiger durch die Boxen, und die schon recht dicht versammelten Fans singen, spielen Luftgitarre und bangen sogar ein bisschen. Mit 'Lost At Sea', 'Awake, Sleeper' und 'Over Mountain, Under Hill' gräbt die an diesem Tag zum Quartett angewachsene Band auch zielsicher die richtigen Songs aus und gibt diese extrem tight wieder. Das ist umso erstaunlicher, da dies erst der zweite (!) Auftritt der Band überhaupt ist. Und der erste war ein Showcase vor einer kleinen Horde Menschen im heimischen Los Angeles. Doch von Nervosität ist hier absolut nichts zu sehen, und Jeff Lane brilliert mit tollen Vocals. Das sehen offensichtlich viele der Anwesenden so, denn schon recht bald nach dem Auftritt sind sämtliche Shirts und CDs der Band vergriffen. So etwas nennt man dann wohl Gewinner. Zu Recht.
Wenn man bedenkt, dass HEART OF CYGNUS sich selbst das Leben schwermachen, in dem sie mit extrem langen Instrumentalpassagen ihren Set einleiten, ist es umso erstaunlicher, dass die Menge vor der Bühne stetig größer wird und man überall freudig erregte wippende Körper sieht. Und anstatt sich mit ihrer Coverversion des IRON MAIDEN-Smashhits 'Revelation' ein Fundament zu schaffen, konzentriert sich die Band lieber auf die großartigen eigenen Kompositionen. Selbstbewusst? Sicherlich. Aber auch völlig zu Recht, denn HEART OF CYGNUS haben bisher noch keinen schlechten Song abgeliefert, was bei dem bisherigen Veröffentlichungstempo schon ein kleines Wunder ist. Im Unterschied zu allen anderen Festivalbands an diesem Wochende bleiben die Fäuste zwar ungeballt, aber dafür wird am Ende des viel zu kurzen Gigs aus etlichen Kehlen energisch nach einer Zugabe verlangt. Eine Bitte, der die Band leider nicht nachkommen kann, da sie in der Kürze der Zeit nicht mehr Material einproben konnte. Da ist dann wohl bald eine Tour angesagt. Ich freue mich schon jetzt.
Setlist: Prelude, Metropolis, The King And His Steed, Over Mountain, Under Hill, Awake, Sleeper, Lost At Sea


Ganz so frisch wie HEART OF CYGNUS sind RAM inzwischen nicht mehr - die Band gibt es immerhin schon seit über zehn Jahren. Aber in dieser Zeit haben es die Schweden gerade einmal auf zwei Alben gebracht, nämlich "Forced Entry" von 2005 und "Lightbringer" von 2009 - die 2003er EP und die 2006er Split-CD mal nicht mitgezählt. Mit diesen beiden Scheiben konnten sie aber sowohl bei den Fans als auch bei der Presse - Platz zwei im POWERMETAL.de-Soundcheck spricht für sich - punkten. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis man die Band um Sänger Oscar Carlquist auf einem "Keep It True"-Festival erleben darf.

Heute ist es so weit, und die Schweden lassen auch gleich von Beginn an nichts anbrennen. Nach dem Intro 'Crushing The Dwarf Of Ignorance' gibt es erstmal zwei Songs vom Debütalbum zu hören, nämlich 'Sudden Impact' und den Titelsong 'Forced Entry'. Aber auch die aktuelle CD kommt nicht zu kurz, und so folgen 'Awakening The Chimaera' und das zwar lange, aber überaus großartige 'Suomussalmi'.

Mit solchen Songs kann bei einem "Keep It True"-Festival sowieso schon nicht viel schiefgehen, aber durch ihr Auftreten sorgen RAM zusätzlich noch dafür, dass die (recht zahlreiche) Menge begeistert mitgeht. Vor allem Oscar Carlquist ("I am the heavy metal tyrant!") motiviert das Publikum immer wieder, und so wird fleißig der Kopf geschüttelt und abgefeiert. RAM lassen auch noch 'Machine Invaders', 'Ghost Pilot' und 'Infuriator' vom Stapel, bevor die dreiviertelstündige Spielzeit auch schon vorbei ist.

Der RAM-Auftritt ist äußerst kurzweilig, und die Schweden können wohl nicht nur mich überzeugen. Sie treten (für einen Newcomer) sehr selbstbewusst auf, aber mit ihren Songs brauchen sie sich auch wirklich nicht zu verstecken. Weiter so!

Setlist: Crushing The Dwarf Of Ignorance, Sudden Impact, Forced Entry, Awakening The Chimaera, Suomussalmi (The Few Of Iron), Machine Invaders, Ghost Pilot (MI II), Infuriator

[Martin Schaich]



Nach den beiden vergleichsweise jungen Musikern von HEART OF CYGNUS und RAM dürfen nun erstmal etwas ältere Herrschaften zeigen, dass sie noch nicht abzuschreiben sind. Oder sollte ich im Falle von ADX eher sagen: Diese älteren Herrschaften dürfen zeigen, dass es seit knapp dreißig Jahren eine Band in Frankreich gibt, die dort die Fahne des klassischen Speed Metals hochhält, aber hierzulande kaum wahrgenommen wird. Denn zumindest die anfänglichen Publikumsreaktionen lassen darauf schließen, dass ADX nur einem kleinen Teil der "Keep It True"-Besucher geläufig sind. Die Franzosen lassen sich davon jedoch keineswegs verunsichern und starten mit 'Caligula' vom 1985er Debüt ihren Auftritt.

Anfangs haben sie noch weiteres Material aus den Achtzigern am Start - wie beispielsweise 'Notre Dame De Paris', 'Mémoire De L'Éternel' oder 'Marquis Du Mal' -, das vom Publikum immer besser aufgenommen wird. Die Stimmung vor der Bühne ist zwar (noch) nicht ganz so gut wie bei RAM, aber trotzdem haben Fans und auch Band sichtlich Spaß an diesem Auftritt. Sänger Phil Grelaud ist jedenfalls sichtlich angetan und bedankt sich höflich in frenglischen Reimen ("Merci beaucoup, Keep It True!").

ADX haben erst vor zwei Jahren ein neues Album ("Division Blindée") veröffentlicht, das natürlich auch nicht zu kurz kommen soll. Und deshalb gibt es zunächst mit 'À La Gloire De Dieu' einen Song von dieser CD, und später folgt auch noch der Titeltrack. Die übrige Spielzeit bestreiten die Franzosen aber mit Songs von ihren Frühwerken wie 'L'Étranger', 'Suprématie' und zum Abschluss 'Déesse Du Crime'.

Der Auftritt von ADX ist sicherlich nicht überragend, aber alles in allem sehr ordentlich. Und ich würde mal vermuten, dass sich viele "Keep It True"-Besucher, die bislang noch nichts von dieser Band gehört hatten, diesen Namen merken werden.

Setlist: Caligula; Notre Dame De Paris; Mémoire De L'Éternel; Marquis Du Mal; À La Gloire de Dieu; L'Étranger; Suprématie; Division Blindée; Déesse Du Crime

[Martin Schaich]


Etwas ganz Besonderes ist der Auftritt der Ungarn KALAPÁCS um Namensgeber und Sänger József, denn auch wenn die Musik ausgezeichnet auf das Festival passt, sind die Herren doch ziemliche Exoten, denn sie singen auf Ungarisch. Im Gulaschland gibt es nämlich eine ziemlich große Musik- und Metalszene, deren Bands zum Großteil in ihrer Muttersprache singen. Dabei sind den Ungarn Genregrenzen gleichgültig. Es wird sogar auf Ungarisch geproggt, gepunkt oder so wie im Falle von KALAPÁCS heftig gemetalt. Da ich seit einiger Zeit einen Zugang zur Musik des kleinen Landes aus dem ehemaligen Ostblock gefunden habe, freue ich mich auf die Band und hoffe, dass sie einen guten Eindruck machen wird, damit Oli vielleicht Gefallen daran findet und auch in Zukunft die eine oder andere Band aus dem wilden Osten an den Start bringt. Aber das ist eine andere Geschichte, jetzt regiert erstmal der Hammer (das bedeutet "Kalapács" nämlich auf Ungarisch).

Und wenn man mir schon so eine Vorlage gibt, verwandele ich sie auch: Denn selbiger kreist gleich vom ersten Song an. Es mögen verhältnismäßig wenige Fans sein, die schon zu Beginn des Sets jubeln, meiner Schätzung nach etwa 150, aber dafür feiern diese ausgelassen mit. Das liegt aber auch daran, dass der Set nicht nur vollständig im angekündigten Zeichen von József Kalapács' vorheriger Band steht, sondern wie es mir scheint ausschließlich aus Material von POKOLGÉP zusammengesetzt ist, und da hauptsächlich (oder sogar nur? Ganz sicher bin ich da nicht, da ich nicht alle Alben kenne) aus Songs der ersten drei Alben. Da bin ich ein bisschen enttäuscht, ich hatte wenigstens auf ein paar Songs des letzten KALAPÁCS-Albums "Apokalypszis" gehofft. Aber den Nerv des Publikums treffen sie auf jeden Fall, denn durch die offene, sympathische Art des Sängers und diverse Mitsingspielchen tauen immer mehr Metaller auf und machen mit. Was als "gep–gep–gep–POKOLGÉP" beginnt, verwandelt sich in "gep–gep–gep–KALAPÁCS".

Aber egal, welchen Maschinenteil sie auspacken: Die klassischen Metalsongs mit Faust und Mitsingmelodie, zumindest wenn man wie offensichtlich doch einige Fans des Ungarischen mächtig ist, verfehlen ihre Wirkung nicht und lassen die fünfundvierzig Minuten wie im Flug vergehen. Das ist in der Tat der einzige Kritikpunkt: KALAPÁCS hätten ruhig länger spielen dürfen, vielleicht fünfundvierzig Minuten POKOLGÉP und dann das gleiche nochmal mit ihren eigenen Songs, denn immerhin haben sie schon nicht weniger als sieben Alben veröffentlicht. Trotzdem ein schöner metallischer Farbtupfer in dem bunten Strauß, den uns die Organisatoren des KIT auch dieses Jahr wieder serviert haben. Und nächstes Mal kriegen wir dann OSSIAN, ja?

[Frank Jaeger]

Die Gelegenheit, ins Billing dieses Festivals zu rutschen, hat sich auch für die deutschen WARRANT ergeben. Des einen Leid, des anderen Freud. Nun muss man sicherlich zu WARRANT ein paar Worte verlieren, denn diese Band dürfte einigen schon deshalb nicht bekannt sein, weil es nämlich nur zwei alte Veröffentlichungen gibt:  Die 1985er EP "First Strike" und das im Folgejahr erschienene Album "The Enforcer" erschienen über Noise Records. Es soll mal eine CD-Ausgabe gegeben haben im Jahr 2000, die ich allerdings leider noch nie gesehen habe. So ist es erstaunlich, wie viele Anwesende die Band kennen und die Songs mitsingen können. Wobei die schnellen, eingängigen Songs zum Mitträllern geradezu einladen, wenn nicht das Headbangen das Mitsingen verhindert.

Mit 'Satan', dem Opener der EP, geht es gleich in die Vollen. Im Verlauf der fünfundvierzig Minuten wird die EP fast komplett gespielt, und vor allem der heimliche Hit 'Scavenger's Daughter' wird ordentlich gefeiert. Der Rest des Sets stammt von "The Enforcer", der dann auch seine persönliche Aufwartung macht und mit Axt und Kapuze auf die Bühne kommt und droht und bangt. Witzig und in der Kostümierung auf jeden Fall der erste Platz, denn gegen den Enforcer hat der polnische Wolf mit der imitierten Keule von CRYSTAL VIPER, den wir gestern belächeln durften, keine Chance. Aber in erster Linie überzeugt die Musik von WARRANT, der Enforcer ist ein nettes Beiwerk und füllt die für ein Trio recht große Bühne mit aus, steht aber nicht im Mittelpunkt. Den besetzt der in schwarz gekleidete Sänger und Bassist Jürg Juraschek, der die alten Tracks ausgezeichnet intoniert. Auch beim abschließenden TRUST-Cover 'Antisocial' macht er eine gute Figur, so dass WARRANT mehr als nur ein Ersatz sind. Eigentlich könnten die Jungs doch weitermachen, wäre da nicht eventuell in Zukunft noch etwas drin? Es soll doch noch unveröffentlichte Aufnahmen geben aus der Zeit, als man sich aus Gründen der Erfolglosigkeit auflöste. In der Zwischenzeit versuche ich mal, diese CD-Version der beiden Veröffentlichungen zu finden. Ich bin dann mal weg.

Setlist: Satan, Bang That Head, Ordeal Of Death, Torture In The Tower, The Enforcer, Ready To Command, Nuns Have No Fun, Scavenger's Daughter, Intro, The Rack, Antisocial (Trust Cover)

[Frank Jaeger]

 

Mit nur geringen Ansprüchen und eher niedrigen Erwartungen gehe ich an den Auftritt der alt gedienten Colorado-Finsterlinge von SATAN'S HOST heran, die sich nach einem ganzen Jahrzehnt mit stattlichen fünf Studioalben in den Gefilden der Blasts, der surrenden Gitarren, des schwarzmetallischen Keifens und des tödlichen Growlens erst vor Kurzem wieder mit ihrem Ursänger und KIT-Publikumsliebling Harry Conklin zusammengetan haben. Derlei Wandel wirft natürlich die Frage auf, wie ernst es dem Sänger ist, wenn sich Letzterer über zwanzig Jahre nach seinem Ausstieg wieder als "Leviathan Thisiren" auf die Bühne schwingt, pseudoböse Ansagen macht und dem Gehörnten mit Rede und Gesang huldigt. Aber auch, wie ernst es der Band ist, wenn sie sich zum Zwecke des KIT-Auftritts die Kultsirene zurück ins Line-up holt, um klassischen Metal zu zelebrieren, wo sie sich doch zehn Jahre lang im extremen Metalbereich pudelwohl gefühlt zu haben schien.

Was ich erwarte, ist schlicht und ergreifend ein einmaliges Special für Nostalgiker, bei dem "Metal From Hell" eins zu eins in guter Qualität gezockt wird, bei dem nichts an die SATAN'S HOST der letzten zehn Jahre erinnert und nach dem die Parteien wieder getrennte Wege gehen, als wäre nichts gewesen. Das Erstaunliche an der Sache ist, dass wir einiges mehr bekommen und genau diese Erwartung von Patrick Evil (Foto links), Uns-Harry und ihren Mitstreitern nach Strich und Faden konterkariert wird.

Logisch, der Schwerpunkt dieses KIT-Auftritts liegt selbstverständlich auf "Metal From Hell", das ziemlich vollständig gespielt wird. Gitarrist Patrick spricht das alt bekannte Intro 'Flaming Host', und dann geht sie los, die Deibelsparty! Wie auf der Scheibe liefern 'Black Stele' und 'Into The Veil' einen gnadenlos guten Einstieg, welcher Leviathan Siren in der für ihn völlig normalen, allgemein jedoch überirdischen Form zeigt, der aber - bei den gegebenen guten Soundbedingungen - auch beweist, dass diese Band, Patrick Evils Kind, schon zu "Metal From Hell"-Zeiten weit mehr war als nur eine weitere True-Metal-Band mit Sirenengesang. Man mag es auf dem Album an sich ob des dünnen Sounds nicht so wirklich heraushören, doch schon anno 1986 war dieser Gitarrensound eigenständig und ungewöhnlich, die Black-Metal-Anlagen, die ab den Neunzigern zur Gänze ausgelebt wurden, waren bereits vorhanden, und beim heutigen Konzert vereint die Band samt Harry Conklin den klassischen Metal der "Metal From Hell"-Ära mit dem, was SATAN'S HOST später ausmachen sollte, und genau das hätte wohl niemand erwartet. Patrick Evil sagt dazu, dass es der Band mit dieser Reunion und einer sich daraus ergebenden möglichen Zukunft sehr ernst sei: "Wir haben das schon lange geplant, und nun war das Timing richtig. Wir hatten niemals vor, uns einfach nur wiederzuvereinigen, sondern wollten die Band wiederbeleben und zu Ende bringen, was wir vor vielen Jahren angefangen haben." Die Band sein nun bereit, tiefer zu schürfen und ein wahrhaft dunkles Element zu entwickeln, das so vielen Bands abgehe. Man wolle die Flammen entzünden und die Musik zu Gestaden führen, an welchen noch niemand war: "Eine Reise ins Unbekannte, um neue Pfade zu ebnen, denen andere folgen werden."

Ob diesen großen Worten schließlich auch solche Großtaten folgen werden, das wird uns die Zukunft lehren, doch eines macht dieser Auftritt auf jeden Fall klar: Das Quartett ist willig und hungrig! Die alten Klassiker sind toll dargeboten, keine Frage, doch für mich sind es vor allem die neuen Songs, welche diesen Auftritt zum echten Highlight der KIT-Geschichte avancieren lassen: Wenn Patrick Evil seine Sarggitarre surren und flirren lässt, wenn der kleine böse Hobbit Anthony Lopez am Schlagzeug schwarzmetallisch blastet und dazu Harry Conklin (Foto rechts) eben nicht nur seine faszinierende Klarstimme erklingen lässt, sondern hier und da auch ein paar garstige Growls an den passenden Stellen einsetzt, dann wird klar, dass SATAN'S HOST mit Stücken wie 'Black Hilted Knife' oder 'Dark Priest' aus der Zeit ohne Harry auch eine Zukunft abseits der Belanglosigkeit zahlreicher aufgewärmter Kultkapellen im Retrowahn haben.

So wird der Trip durch weitere alte Glanztaten wie 'King Of Terror' und 'Standing At Death's Door' zur essentiellen Geschichtsstunde, die umgedichteten Coverversionen zum alten Volkslied 'House Of The Burning Nuns' und zum BEATLES-Klassiker 'Norwegian Burn' nebst der zugehörigen albernen, aber augenzwinkernden Ansagen regen zum Schmunzeln an, aber die beiden neuen Stücke sind es, die allein den wirklich wichtigen Unterschied ausmachen: Bei SATAN'S HOST denke ich nämlich nicht: "Oh, schön, die doch noch gesehen zu haben.", sondern ich denke "Wow, gut, dass die zurück sind!", kaufe mir das komplette Backprogramm der Conklin-losen Zeit und freue mich auf das hoffentlich bald erscheinende achte Studioalbum "Revival"!

Setlist: Flaming Host (Intro), Black Stele, Into The Veil, Black Hilted Knife, House Of The Burning Nuns (Coverversion zu 'House Of The Rising Sun'), Hell Fire, Standing At Death's Door, Norwegian Burn (Coverversion zu THE BEATLES' 'Norwegian Wood'), Dark Priest, King Of Terror, Metal From Hell

[Rüdiger Stehle]

 

Mit etwas gemischten Gefühlen erwarte ich meine Leib- und Magenband TYGERS OF PAN TANG, deren wundervolles Debütalbum mein erstes Vinyl vor gefühlten fünfzig Jahren war. Gemischt sind die Gefühle, weil ich auf den letzten Studioalben der einstigen Helden wenig magische Momente finden kann und ich sie ohne Jess Cox hinterm Mikrofon weniger interessant finde. Der Einstieg mit dem Bandklassiker 'Euthanasia' bläst alle Zweifel in Sekundenschnelle aus meinem Hirn, und ich spüre das angenehme Kribbeln in der Magengegend. Die Band – und allen voran Urgitarrist Robb Weir – sprüht vor Spielfreude, und Sänger Jacopo Meille passt mit seiner leicht bluesigen Räucherstimme sehr gut zum facettenreichen Material der Briten. Vor allem die Jon-Deverill-Titel liegen ihm natürlich, aber selbst schwer nachzusingende Jess-Cox-Tracks funktionieren sehr gut.

So wird das dreißigjährige Jubiläum des Erstlings mit 'Suzie Smiled', 'Slave To Freedom', der allerersten Single 'Don't Touch Me There' und dem Titelsong amtlich abgefeiert, und meine Kehle wird schon wieder heiser. Die  Band ist schlau genug, außer dem flotten 'Hot Blooded' lediglich auf alte Klassiker zurückzugreifen, was die Menge gebührend honoriert. So wird zu hüftschwingenden Nummern wie 'Raised On Rock' oder 'Rock'n'Roll Man' genauso abgerockt wie zu Riffgranaten der Marke 'Gangland' oder 'Hellbound', welche auch ohne John Sykes sehr amtlich klingen.

Die Musiker grinsen breit und strahlen eine energische Fröhlichkeit aus, die schlicht und einfach ansteckend ist. So ansteckend, dass sogar das Jungvolk neben mir nach wenigen Songs die Faust gen Hallendecke reckt und mich bei 'Take It' ernsthaft fragt, ob die Songs von denen alle so toll seien. Nein, es gibt sogar bessere Nummern von den NWoBHM-Helden, mein Freund. Den Beweis liefert die Truppe wippenden Fußes mit 'Suzie Smiled', bei welchem die Eingeweihten unwillkürlich die Luftgitarre einstöpseln müssen. Leider verspielen wir uns alle, was der tollen Stimmung aber keinen Abbruch bereitet. Natürlich vermisse ich meinen Favoriten 'Insanity', aber den darf eigentlich eh nur Jess Cox singen. Insofern haben sie alles richtig gemacht. In dieser Form bitte unbedingt wiederkommen.

Setlist: Euthanasia, Raised On Rock, Take It, Suzie Smiled, Hot Blooded, Slave To Freedom, Never Satisfied, Rock And Roll Man, Hellbound, Wild Catz, Gangland, Don't Touch Me There

[Holger Andrae]


Wer im letzten Jahr der NWoBHM-Anniversary-Show beiwohnen durfte, wird in Erinnerung haben, mit welcher Begeisterung Dave Hill dort vom Publikum abgefeiert wurde. Kein Wunder, bei der Qualität des Songmaterials. In diesem Jahr bringt Onkel David seine gesamte Truppe mit zum KIT-Festival, um dort noch einmal so richtig die oft genannte Sau herauszulassen. Etwas überraschend, denn eigentlich wollten die Briten gar nicht mehr auftreten. Umso toller, dass sie sich ausgerechnet dieses Event ausgesucht haben, um mit dem Vorsatz zu brechen. Denn wer bereits einmal das Vergnügen hatte, einem Auftritt der melodisch-mystischen Wudertüten beizuwohnen, weiß, wie toll so eine Veranstaltung immer ist. Entsprechend groß ist der Ansturm direkt vor der Bühne und auch auf den Rängen, als die Herrschaften mit 'Sign Of The Madman' Pandoras Melodientruhe öffnen.

Von Beginn an wird die Band abgefeiert wie die Könige. Obwohl: Zu den Blaublütigen der NWoBHM gehören sie auch auf jeden Fall. Nachdem ich bereits beim nachfolgenden 'Into The Nightmare' völlig aus der Puste gerate, wird mit dem unerwarteten Doppel 'Blue Skies In Red Square'/'Commercial Dynamite' die endgültige Euphoriebombe gezündet, stammen diese beiden Nummern doch vom objektiv besten Melodic-Metal-Album aller Zeiten. Ich bin im siebten Himmel. Jetzt ist es mir beinahe egal, was DEMON noch für Highlights aus der Hüfte feuern, besser geht es kaum noch. Das Publikum sieht dies wohl ähnlich und geht ebenfalls völlig steil.

Die im weiteren Verlauf gespielten 'The Spell' und vor allem 'Night Of The Demon' zählen dann ebenso zu den Gänsehautmomenten dieses Wochenendes wie der Übersong 'Don't Break The Circle'. Wie im letzten Jahr steht die Halle hier erneut völlig Kopf, und mehrere hundert Kehlen jodeln sich heiser. Da kann der viel zu frühe Abschluss nur 'One Helluva Night' heißen. Da haben die alten Herrschaften dem Jungvolk mal wieder gezeigt, wie es geht. Man darf hoffen, dass DEMON in dieser Form noch nicht in Rente gehen. Sahneauftritt!

Setlist: Sign Of A Madman, Into The Nightmare, Blue Skies In Red Square/Commercial Dynamite/Blue Skies In Red Square, Liar, Blackheath, No More Hell On Earth, Standing On The Edge, Life On The Wire, Under A Spell, Night Of The Demon, Don't Break The Circle, One Helluva Night

[Holger Andrae]



Die Idee war gut, das Geheimnis lange gehütet. Nur wenige Eingeweihte wussten, wer denn nun der Surprise Act sein würde. Die Gerüchte und Vermutungen reichten dabei bis in den Staat Absurdistan - auch wenn die Vorstellung, dass John Arch die "A Twist Of Fate"-EP zum Besten gibt, ebenso reizvoll ist wie die Idee, dass ROXXCALIBUR mit diversen Sängern Songs des IRON MAIDEN-Debüts zocken, da dies just dreißig Jahre alt geworden ist.

Wahr ist davon nichts. Und auch sonst steht der Surprise Act nicht gerade unter einem guten Stern. Denn ursprünglich war der Tribut an den im letzten Jahr verstorbenen CRIMSON GLORY-Sänger Midnight anders geplant, als er letztendlich heute über die Bühne geht. Alle drei Überraschungssänger müssen den Gig leider kurzfristig wegen Krankheit oder Vulkanasche canceln, so dass hier sehr kurzfristig umorganisiert wird. Von den geplanten fünf Songs werden zwei gestrichen. Als Gastsänger springen dafür kurzfristig Mike Vescara von OBSESSION und - natürlich - Harry 'The Tyrant' Conklin ein, welche am Tag vor dem Gig (Mike) bzw. am Tag des Gigs (Harry) von ihrem Glück erfahren. Zudem steigt ACID-Frontdame Kate für den ACID-Song 'Max Overload' auf die Bühne.

Kate darf dann auch gleich den Anfang machen. Unterstützt von achtzig Prozent der LANFEAR-Truppe (Richie am Keyboard, Ulle an der Klampfe, Kai am Bass und Gen an den Drums) und ETERNAL REIGN-Gitarrist Mick sorgt Kate für eine gelungene Überraschung bei den Fans. Immerhin wurde eine ACID-Autogrammstunde angekündigt (drei Bandmitglieder waren vor Ort), die Möglichkeit, dass man ACID aber auch zu hören bekommt, indes von Organisator Oliver immer kategorisch ausgeschlossen. Dieser erste Teil der Überraschung ist also durchaus gelungen.

Dies kann man nicht ganz so sehr vom zweiten Teil sagen. Natürlich waren die Umstände mehr als widrig, und natürlich hat unter diesen Voraussetzungen niemand eine perfekte Show erwartet, dennoch tun sich beim Vergleich zwischen Mike Vescara und Harry Conklin (Foto) Welten auf. 'Valhalla' erkenne ich tatsächlich komplett gar nicht, da Mike immer nur vereinzelt nicht besonders passende Screams von sich gibt. Von Text müssen wir nicht reden. 'Red Sharks' ist etwas besser, was aber auch daran liegt, dass Gitarrist Mick einige Male an der richtigen (!) Stelle 'Red Sharks' singt, während Mike sich in erster Linie als (erfolgloser) Animateur präsentiert.

Dass man mit so wenig Vorbereitungszeit auch eine ansprechende Performance hinlegen kann, beweist dann Harry Conklin, der 'Lonely' überzeugend interpretiert. Zwar muss auch bei ihm ab und zu mal ein Textzettel helfen, was aber nichts daran ändert, dass er im Verbund mit der sehr souverän zockenden Band im Rücken deutlich macht, warum er so sehr verehrt wird. Auch die abschließenden Worte über und an Midnight sind gut gewählt und lassen diese Überraschung versöhnlich ausklingen. Und spätestens als 'Lost Reflection' vom Band ertönt, hat doch jeder der Anwesenden eine Gänsehaut. Der Headliner darf also kommen.

[Peter Kubaschk]

Bis FIFTH ANGEL dann aber endlich die Bühne betreten, vergeht unüblich viel Zeit. Doch schon bei den ersten Tönen von 'The Night' wird die aufkommende Müdigkeit aus den Beinen und dem Nacken geschüttelt. Die Fäuste fliegen in die Luft, die Stimmbänder vibrieren tausendfach. Für nicht wenige wird hier ein Traum wahr. Umso mehr, wenn man weiß, dass dies der erste (!) Gig in der Geschichte von FIFTH ANGEL ist. Das merkt man der Band aber zu kaum einer Sekunde an, auch wenn der gerade vor wenigen Wochen zur Band gestoßene Sänger Peter Orullian noch den einen oder anderen Anker für die Texte benötigt.

Das fällt allerdings kaum auf und ist zudem letztendlich auch gar nicht weiter wichtig, denn er singt Songs wie 'In The Fallout', 'Shout It Out', 'Seven Hours', 'Call Out The Warning' oder 'Cry Out The Fools' großartig. Und auch wenn der eine oder andere Rocker der späten Stunde und dem Alkohol Tribut zollen muss, sorgen FIFTH ANGEL für eine gnadenlos gute Stimmung. Nicht wenige Metaller flippen völlig hemmunglos aus und werden am Tag danach mit heiserem Krächzen erwischt. Das ist auch wenig verwunderlich, immerhin ist tatsächlich jeder Song aus dem Repertoire der Band absolut faust- und mitsingkompatibel. Da bleibt kein Fuß ungerührt, kein Nacken verschont und keine Hand in den Hosentaschen. Genau das erwartet man wohl auch von einem Headliner. Dabei machen die Jungs auf der Bühne kaum etwas Besonderes. Es gibt kein Backdrop, keine große Show, kein wildes Gepose, sondern nur die Energie und Klasse der Songs und die sichtbare Spielfreude der Band. Und welche Mittel sind besser als diese, um ein Publikum zu überzeugen?

Dennoch gibt es einen kleinen Makel an dieser an sich makellosen Show. Bereits nach knapp siebzig Minuten fällt der Vorhang mit der einzigen Zugabe 'Lights Out'. Da wären sicher noch zwanzig Minuten drin gewesen. Vor allem 'Fade To Flames' vom Debüt wird mehr als schmerzlich vermisst. Und auch die Tatsache, dass die Band keinerlei Merchandise dabei hat, ist für einige Fans unverständlich. Von diesen Kleinigkeiten abgesehen, sind FIFTH ANGEL aber ein würdiger Headliner eines abermals großartigen "Keep It True".

Setlist: The Night, In The Fallout, Shout It Out, Cathedral, Seven Hours, Call Out The Warning, Fifth Angel, Midnight Love, Time Will Tell, Wait For Me, Cry Out The Fools, Only The Strong Survive, Wings Of Destiny, We Rule,
Lights Out (U.F.O.-Cover)

 

 

 

Tops und Flops


Peter Kubaschk

Top:
ANACRUSIS (zerlegen Königshofen)
FIFTH ANGEL (Faust! Melodie! Faust!)
HEART OF CYGNUS (Prog galore)
WATCHTOWER (Irrsinn in Noten)
RAM (True Metal will never die.)
TYGERS OF PAN TANG (Arsch abgerockt)

Dazu noch: Cordon Bleu in der "Rose", das metallische Pentagramm, Sonne, Das PM.de-Kollektiv everywhere, Das Billing des KIT XIV.

Flops:
CANCELMESS (alberne Absage)
Mike Vescara (OBSESSION) verschandelt CRIMSON GLORY-Klassiker
Vulkanasche
Fliegende Bierbecher

Spruch des Festivals:
"Wart ihr auch mal auf einem richtigen Konzert? So bei AC/DC oder METALLICA?" (Kellnerin in der "Rose"?)

 

Martin Loga

Top:
WATCHTOWER (nicht von dieser Welt!)
TYGERS OF PAN TANG (eine echte Überraschung; rockte gewaltig)
RAM (eine Offenbarung live)
SAVAGE GRACE (spielerisch top)
Distelhäuser
Lockere Plaudereien mit den OMEN- und HEART OF CYGNUS-Leuten

Flop:
Die CANCELMESS-Primadonnen
Engpass am Eingangsbereich in die Halle
KIT XIII ging wieder viel zu schnell vorüber

 

Frank Jäger

Top:
WATCHTOWER
ANACRUSIS
HEART OF CYGNUS
TYGERS OF PAN TANG
DEMON

Flop:
Die Bierbecher werfenden Dünnbrettbohrer
Mike Vescera kann keine Texte

 

Martin Schaich

Top:
ANACRUSIS
WATCHTOWER
...
TYGERS OF PAN TANG
FIFTH ANGEL
DEMON
RAM

Flop:
Eyjafjallajökull
Bierbecher
Laserpistolen

 

Rüdiger Stehle:

Top:
alle Bands, jedoch zuforderst:
WATCHTOWER (die Kollegen haben alles gesagt)
DEMON (hat jemals eine Band beim KIT mehr abgeräumt? Ich glaube nicht!)
SATAN'S HOST (eine der originellsten Bands, die je beim KIT gespielt haben)
ANACRUSIS
OMEN (trotz einiger kritischer Worte im Auditorium)
Der kollegiale Stammtisch in der Rose
Die Atmosphäre eines metallischen Familientreffens
Der Ferienhof Henn in Nassau

Flop:
Eigentlich gibt es nichts zu meckern, aber als kleine Verbesserungsvorschläge:
Der Bierstand im Freien möge zurückkehren.
Zu Stoßzeiten sind Aus- und Eingang überlastet. Hier wäre es vielleicht ganz gut, die Halle hinten am Metalmarkt als "Nur-Ausgang" zu öffnen.
Das - wirklich schlimme - Ärgernis, dass an sich ausschließlich tolle Bands spielen und man deswegen entweder keine Zeit für Konversation hat oder notgedrungen auch mal eine Band verpasst, die man eigentlich sehen wollte. Zwei Bands weniger, und jede Pause zehn Minuten länger. Das könnte helfen.

 

Holger Andrae:

Top:
WATCHTOWER (das Warten hat sich gelohnt)
ANACRUSIS (moderner Old School Emo-Thrashcore deluxe)
HEART OF CYGNUS (Keep It Prog)
TYGERS OF PAN TANG (so will ich das immer wieder sehen!)
DEMON (mystisch und magisch)
Das musikalische Pentagramm, Käsespätzle, Pension Boger, Kia-Krabbelgruppe, Wettergott, die Ankündigungen für das nächste KIT

Flops:
Viel zu kurzes Festival
Bier im Ohr
Zu wenig Zeit, alle zu treffen, die man treffen wollte
Bundeswehrkolonnen und gesperrte Autobahnabfahrten

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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