Knorkator - Bremen

22.11.2016 | 07:11

18.11.2016, Schlachthof

"Deutschlands meiste Band der Welt" ist wahrlich der Boss.

KNORKATOR erlebt seit der Reunion einen zweiten Frühling. Die inzwischen reifer klingenden Alben kommen überall gut an, die Konzerte sind stets gut besucht und auf den Festivalplakaten rutscht die Berliner Combo immer weiter nach oben. So liegt es auf der Hand, dass sich vor dem Bremer Schlachthof, der glücklicherweise seit fünf Jahren zu einer Stammlokalität auf jeder KNORKATOR-Tour geworden ist, trotz norddeutschem Schmuddelwetter eine Schlange bildet. Netterweise lässt sich das Warten auf den Einlass mit so manchem Heißgetränk (ich wählte Grog, mein Fotograf ließ sich einen Irish Coffee schmecken), das es auf dem Vorplatz des Veranstaltungshauses käuflich zu erwerben gibt, verschönern.

Nach dem Bestaunen der hübschen T-Shirt-Auswahl am Merch-Stand und der Selbstversorgung mit einem weiteren, dieses Mal kalten Getränks, geht's vor die Bühne, die schon eine halbe Stunde vor Beginn der Show mit einem Video aufwartet, dass den Stumpen (Gesang) auf einer Autofahrt zeigt, wie er Coverversionen komischer Songs mitträllert. Am Ende der Fahrt kämpft sich der Zappelphilipp humpelnd über einen Parkplatz und trifft nach und nach seine Bandkumpanen, die er freudig begrüßt.

Quasi nahtlos daran anknüpfend betreten die KNORKATORen dann auch die Bühne. Auf Vorbands wird ja seit Ewigkeiten verzichtet, gut so, denn wer oder was könnte den Vergleich mit den Berliner Krawallmacher gewinnen? Richtig, also geht es ohne weitere Umschweife auch direkt zur Sache. Begrüßt wird das tanzwütige Bremer Publikum mit dem Smash-Hit 'Alter Mann' - die Stimmungskurve geht logischerweise direkt durch die Decke. Alle singen den Rap-artigen Songtext mit - na ja, die meisten versuchen es eher und scheitern sympathisch. Der als Waldschratwesen mit Krückstock die Bühne heimsuchende Stumpen hält es nach zwei weiteren Bandhits ('Der ultimative Mann' und 'Ich lass mich klonen' - viele sind jetzt schon heiser) in seinem dicken Kostüm nicht mehr aus und entkleidet sich nach und nach.

Als nächstes spielen Buzz Dee (Gitarre), der erneut ein ganzes Arsenal an sehenswerten Stromgitarren im Gepäck hat, und Kollegen zwei Songs vom aktuellen Album "Ich bin der Boss". 'Die Geschichte von den schwarzen Buben', ein krasses Statement nach den Rassismus-Vorwürfen, die irgendwelche Nichtdenker zum letzten Album über das Internet ausschütteten, kommt genau wie der Titelsong ziemlich gut an, wenngleich die Zahl der Mitsänger natürlich niedriger ausfällt, als bei den bekannten Alttracks.

Doch das tut der Laune der gesamten Halle keinen Abbruch. Mit Songs wie 'Du nich', 'Die Narrenkappe' und 'Für meine Fans' wird wieder jeder einzelne Zuschauer abgeholt. Während 'Highway To Hell', das gewohnt eindringlich und emotional ausfällt, spielt die Technik nicht ganz mit. Das auf den Helm des inzwischen beinahe nackten Sangesgnoms montierte Feuerwerk zündet nicht, auch die zur Reparatur einberufene Zwangspause verschafft nicht unbedingt Abhilfe. Es soll halt nicht sein. Da passt es auch, dass nach 'Buchstabe' endlich der teilweise hinter seinem Keyboard versteckte Alf Ator (seines Zeichens Gottes Vater) das Mikrofon übernimmt und in unnachahmbarer Weise 'Konflikt' niederrotzt.

Die nun anstehenden Coversongs 'Geh zu Ihr' (im Original von den PUHDYS) und 'Eldorado' (eigentlich von der GOOMBAY DANCE BAND) werden ähnlich gut aufgenommen wie das im Sitzen dargebotene 'Setz dich hin', das auf der aktuellen CD von Schauspieler Axel Prahl eingesungen wurde. Das nun folgende 'Du bist kein Mensch' stammt ebenfalls vom kürzlich veröffentlichten Dreher und ist wohl das aggressivste Lied seit dem inzwischen 16-jährigen 'Eh, du alte Ficksau'. Besonders toll ist aber der Text des Songs, beschreibt er doch den modernen Schlachtereibetrieb punktgenau.

Das Einbeziehen sämtlicher Fans war schon immer ein Steckenpferd der hier versammelten Anarchisten. So muss sich ein auf der Ballustrade nicht mitklatschender Gast auf die Bühne bequemen und der gesamten Mannschaft tänzerisch beweisen, dass er dennoch Spaß hat. Gelungen. Ein in der ersten Reihe filmender Besucher darf auch mal von der Bühne aus filmen. Den jüngsten anwesenden Fan schätze ich auf neun bis elf Jahre - keine Frage, das findet auch Deutschlands Boyband Nummer 1 spitze, und so darf die kleine Zoe bei 'Du bist schuld' auch auf der Bühne wüten. Erst beim anschließenden Crowdsurfing verlässt die Kleine irgendwann der Mut.

Nachdem sich bei 'A' das komplette Publikum noch einmal die Seele aus dem Hals gebölkt hat, kehrt KNORKATOR zu einer fünfteiligen Zugabe wieder auf die Bühne zurück. Mit goldenen Baseballkappen gekleidet wird das oft übersehene 'Ich verachte Jugendliche' zum Besten gegeben, bevor mit 'Böse', 'Weg nach unten', 'Eigentum' und natürlich 'Wir werden alle sterben' vier weitere Muss-Tracks den Set beschließen. Über die zweistündige Show kann man sich eigentlich nicht beschweren. Verwundert bin ich über das Auslassen des Krawallsongs 'Die Geschichte vom Zappel-Philipp', doch vielleicht wollte man dem mit einer Kniestütze ausgestatteten Stumpen das nicht auch noch antun, denn bei dem Song von "Ich bin der Boss" erwartet man natürlich auch das durch den Text Beschriebene.

Und so geht es nach dem Auftritt den zuvor genommenen Weg wieder zurück. Am Merch-Stand wird dieses Mal zugegriffen und draußen wird der nächste Grog zur glücklichen, aber heiseren Brust genommen. Kommt bitte bald wieder, Bremen wird "Deutschlands meiste Band der Welt" offensichtlich immer mit in Freude geöffneten Armen Willkommen heißen, auch wenn damals im Jahre 2000 in den Messehallen (witzigerweise direkt neben dem Schlachthof) Schluss war für die "Irren" (BILD) im Vorentscheid zum Eurovision Song Contest.

Setliste: Alter Mann, Ich lass mich klonen, Der ultimative Mann, Ich bin der Boss, Die Geschichte von den schwarzen Buben, Du nich, Für meine Fans, Die Narrenkappe, Highway To Hell (AC/DC), Buchstabe, Konflikt, Geh zu ihr (PUHDYS), Eldorado (GOOMBAY DANCE BAND), Setz dich hin, Du bist kein Mensch, Ich bin ein ganz besond'rer Mann, Ich will nur fickn, Du bist schuld, Zähnepzuten, pullern und ab ins Bett, Sie kommen, A, Encore: Ich verachte Jugendliche, Böse, Weg nach unten, Eigentum, Wir werden alle sterben

Fotos: Hauke M. Sperling

Redakteur:
Marius Luehring

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