LIS ER STILLE und PARASHURAMA - München

13.05.2013 | 22:56

12.05.2013, Chateau

Hochenergetische Wohnzimmerveranstaltung

Es ist mal wieder einer dieser ewig undankbaren Abende für junge Bands, die versuchen, live auf neuem Terrain Fuß zu fassen. LISERSTILLE und PARASHURAMA spielen vor sage und schreibe sechs zahlenden Gästen im sogar mir unbekannten Club Chateau. Kein Wunder, denn es gibt weit und breit keine Hinweise auf dieses Konzert, der Club hat ja nicht einmal eine Homepage. Auch der Soundmann ist nicht aufgetaucht, ergo müssen die Bands allein aufbauen und den Sound machen, doch sie schaffen es rechtzeitig, alles für eine intime Privatveranstaltung für die echten Fans herzurichten. Ich sehe das Positive, denn bei Bands, die schon mal auf dem Roskilde gespielt haben (LISERSTILLE) oder aber den Hamburger Knust-Club ausverkaufen (PARASHURAMA), kann so etwas nur etwas Besonderes werden.

Nachdem ein Alleinunterhalter (der sich nicht weiter vorstellt und dann verschwindet) mit Gitarre und Mundharmonika ein paar nette Liedchen für die zwei anwesenden Mädels trällert, legen die Hamburger PARASHURAMA los. Martin von LISERSTILLE leistet einen tollen Job als Soundmann, Chapeau en Chateau, alles ist deutlich und differenziert zu hören. LIS ER Martin sollte am Ende recht behalten, wenn er PARASHURAMA für einen fast sogar magischen Auftritt lobt, denn die Band kann es! Leicht psychedelischer New Artrock, grob vergleichbar mit neueren PORCUPINE TREE, wummert energetisch aus den Boxen, so dass sich die wenigen Anwesenden (grösstenteils LISERSTILLE) schnell einwippen. Drummer Nando meistert kniffelige Breaks souverän und treibt die Band mit seinem Groove und in perfekter Einheit mit dem Bass weit nach vorne. Die Band beherrscht es mitunter, aus ruhigen Passagen heraus innerhalb weniger Sekunden einen pfeilschnellen Konter einzuleiten und in FC Bayern-Manier über den (dänischen) Gegner herzufallen. Das rockt gewaltig und ist fast sogar headbangerkompatibel, was die Jungs hier fabrizieren. Aber auch zarte Passagen wissen zu überzeugen. Man hat sogar ein Cello dabei und setzt dabei wunderbare Farbtupfer. Einzig der Gesang von Lukas geht neben der Groovemaschine etwas unter. Er könnte etwas mehr aus sich heraus gehen. Die mehrstimmigen Gesangspassagen sitzen dafür umso besser. Das darf man gerne ausbauen! Musikalisch decken PARASHURAMA also ziemlich alles ab, was der, ich nenne es gerne "moderne" Prog anno 2013, fordert: Abwechslung, Atmosphäre, Eingängigkeit, Komplexität, Vision. Und so gibt es am Ende auch noch einen tanzbaren elektronischen Track, der jedem 65-Kid (das ist ein Fan der genialen Elektro-Postrocker 65DAYSOFSTATIC) gefallen hätte. Applaus, Applaus, Applaus!

Setliste: Seven Places, For The Sake of whom, When The City Cracks The Dawn, The alley I used to know, You and the rough, The secretary, Green river current, Apatride, Anadipsia

Danach betreten die vier verrückten Dänen LISERSTILLE die Bühne. Und sie treten so auf, als würden sie vor tausend statt vor zehn Leuten stehen. Es wird alles ausgenutzt, was die kleine Bühne so an Bewegungsspielraum hergibt. Absoluter Blickfang ist Sänger und DAVID BOWIE-Lookalike Martin, dessen Mimik und Gestik beim Singen seinem Idol wohl in nichts nachsteht. Ähnlich aufgedreht wie die gesamte Band ist die Musik. Das sind völlig losgelöste Progachterbahnfahrten, zum Bersten voll mit verrückten Ideen und ungewöhnlichen Twists, Musik, die mit Nichts und Niemandem zu vergleichen ist. Vielleicht mit RADIOHEAD. Dessen Freigeist schwingt hier immer und überall mit, LISERSTILLE fangen ihn ein, konzentrieren ihn und potenzieren seine Resonanz zu einem ohrenzerberstenden Toben. Egal ob das postrockige 'Lys Over Tid' von "Apathobvious" oder der vor kurzem online veröffentlichte Song 'Lynchers Aim' oder aber die völlig freakigen Songs vom aktuellen Album "Nous" (jetzt auch als edles Vinyl zu haben), LISERSTILLE sind auf Starkstrom.

Und zum Schluss kommt 'Epitome'. Ein Jahrhunderttrack. LISERSTILLEs 'Paranoid Android'. Gedrücktes Tempo, schaurig-feierliche Melodien, geheimnisvoller Gesang und dann diese monumentale Melodie am Schluß. Die Definition von episch. Stellt Euch vor, die schöne Elbin Galadriel hätte den Ring der Ringe doch genommen und alle würden an der grausamen Liebe zu ihr verzweifeln. Das ist die Musik dazu. Diese Melodie wird minutenlang ausgekostet und zur Lärmorgie gesteigert (wer sind nochmal MOGWAI?). Mir klingeln die Ohren auch am Abend danach noch. Herrlich.

So bleibt mir am Schluss nur ein Bitte an alle, die außergewöhnliche Musik lieben und gerne den Underground unterstützen: Schaut euch diese beiden Bands an. Mit etwas Glück kann man sogar in den Genuss eines Aftergig-Jams der beiden Bands kommen, und auch wenn nicht: ein Bier und ein Chat mit den Bandmitgliedern ist allerweil drin. Die freuen sich. Tourdaten gibt es hier.

Setliste: Torchers, Lys Over Tid, Human Head, Lyncher's Aim, Epitome

Redakteur:
Thomas Becker

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