MANOWAR - Essen

27.01.2015 | 22:58

14.01.2015, Grugahalle

Vor dem Hintergrund, dass man MANOWAR oft - teilweise zurecht - vorwirft, das eigene Denkmal zu beschmutzen, ist die Frage immer wieder interessant, wie viel vom alten Glanz aktuell noch vorhanden ist. Und wo lässt sich das besser herausfinden als bei einem Konzert der aktuellen Tour? Es ist mal wieder Zeit für einen Bericht von der Front.


Die Show in der mit etwa 5000 Fans gut gefüllten, aber nicht ausverkauften, Essener Grugahalle ist das einzige Konzert des "Kings Of Metal MMXIV"-Tourzyklus mit Vorband.
Das Essener Schulorchester gab eine halbe Stunde lang epische Klassik und ein paar symphonische MANOWAR-Songs zum Besten. Leider war zu diesem Zeitpunkt der Einlass noch lange nicht abgewickelt und so kommen mir bei meinem Eintritt in die Grugahalle bereits Heerscharen von pubertierenden Musikern entgegen, die ihre Instrumente schnellstmöglich in Sicherheit bringen wollen. Ob dieser organisatorische Fauxpas auf das Konto von MANOWAR oder der Veranstalter geht, kann ich leider nicht beurteilen.

Ziemlich genau um 21 Uhr hat das Warten dann aber ein Ende. Das altbekannte Intro aus "Ben Hur" ertönt und Orson Welles Stimme erhebt sich, um die Band anzusagen. Der durchsichtige, Omas Gardinen ähnelnde Vorhang fällt aber erst mit Verzögerung während der namensgebenden Hymne, was beim Publikum für leichte Irritationen sorgt.
War das jetzt eine technische Panne oder so gewollt? Man weiß es nicht, allerdings war der sonst für den Showbeginn typische Wow-Effekt verpufft. Dann geht es aber direkt zügig weiter und man reiht ewige Klassiker wie 'Kill With Power' und 'Sign Of the Hammer' an neuere Songs, während auf den Leinwänden zu den Stücken passende Artwork-Collagen zu sehen sind. Mit 'Dawn Of Battle' ist auch eine Perle neueren Datums im Programm, die erstmalig gespielt wird. Leider ist der Sound heute arg basslastig und dem Drumsound fehlt etwas Druck. Eric Adams singt die sonst rasend gewaltigen Strophen des Stücks mit klarer, statt wie im Original dunkler Stimme, sodass einiges von der Wucht des 'Dawn Of Battle' leider auf der Strecke bleibt. Darüber hinaus wird der balladenhafte Part in der Mitte des Stücks nicht gespielt, sodass sich ein mutmaßliches Highlight der heutigen Setlist wie ein völlig anderer Song anfühlt. Sehr schade. Ebenfalls traurig ist, dass Eric Adams heute zwar achtbar seinen Mann steht, aber offenbar leider stimmlich nicht seinen besten Tag erwischt hat. Die Screams sitzen zwar, aber bei melodiösen Gesangspassagen, die viel Luft aus seinen Lungen in Anspruch nehmen, ist die Stimme nicht ganz sauber. Dies versuchen die Tontechniker damit zu kaschieren, dass alle anderen Instrumente etwas mehr aufgedreht werden, damit die Stimme im Klangbild nicht so weit vorne steht. Klappt leider nicht so ganz. Aber malen wir den Teufel nicht an die Wand. Auch Sangesgötter haben nicht nur goldene Tage.

Richtig in die Spur kommt die Band glücklicherweise mit der kompletten Performance  ihres ewigen Klassikers "Kings Of Metal". Wer sich noch an das zweite Magic Circle-Festival in Bad Arolsen erinnert, wird wissen, dass damals die Dramaturgie des Werks völlig auf den Kopf gestellt wurde. Damals wurde kein Lied an der Stelle gespielt, wo es auf dem Album steht. Auf der Neuaufnahme des Albums wurde die Reihenfolge dann auch wieder umgekrempelt und da auf dieser Tour ja die Neuaufnahme promotet wird,  wird auch diese neue Dramaturgie wieder umgeworfen. Auch irgendwie eine Form von konsequent.

Weiter geht es mit dem Hörspielklassiker 'The Warrior's Prayer', der auf den Leinwänden von Schlachtsequenzen untermalt wird. Das in der Geschichte vom Großvater gesprochene Gebet läuft auf den Leinwänden wie bei einem Teleprompter mit, damit auch eventuell nicht ganz textsichere Zuschauer mitbeten können. Diese fast andächtige Atmosphäre währt aber nur so lange, bis 'Blood Of The Kings' wie eine Dampfwalze übers Volk rauscht und alle ekstatisch die überraschend sinnvolle Songtitelkette mitsingen. 'Kingdom Come' kommt wie auch auf der Neuaufnahme noch bombastischer als im Original rüber und Eric liefert die Screams glücklicherweise sauber ab, sodass der Gänsehaut nichts im Weg steht. Nun darf Karl Logan sein Gitarrensolo des heutigen Abends vortragen, welches weitaus getragener daherkommt als gewohnt und mit dem üblichen Tonleitergedudel nichts zu tun hat. Überraschend gut!
Auf den Leinwänden werden zwischenzeitlich unter dem Motto 'Fallen Brothers' durchaus bewegende Filmaufnahmen von Orson Welles, Ronnie James Dio und Scott Columbus gezeigt, deren Wirkung vom stimmungsvollen Gitarrensolo Logans unterstützt wird.
Überhaupt werden zwischen fast allen Songs Einspieler mit Making-ofs zu den Aufnahmen des Klassikeralbums gezeigt. Diese sind zwar interessant zu sehen, nehmen aber auch etwas den Fluss aus der Show und schinden Zeit, die man musikalisch durchaus sinnvoller hätte nutzen können, indem man zwei bis drei Songs mehr gespielt hätte. Dafür wäre bestimmt noch Zeit gewesen. Doch das sei nur am Rande erwähnt, denn 'Heart Of Steel' ist (zum Glück in der englischen Fassung) der nächste herausragende Programmpunkt in der Setlist.

Auf ein Highlight folgt oft ein Lowlight und so ist Joey DeMaio nun mit seinem Basssolo an der Reihe, sich zum ersten und nicht zum letzten Mal an diesem Abend unangenehm in den Vordergrund zu stellen. Wie immer ist dieses wenig mehr als ein "wer-hat-den-Längsten"-Egogepose mit einem Wettbewerb fürs Publikum verbunden. Welche Seite beklatscht Joeys Solo wohl enthusiastischer? Es gibt wenig zu applaudieren, denn DeMaios Soloeinlage lässt das durchaus gefühlvolle Bassspiel, was ihn einstmals auszeichnete und auf den Klassikern nachzuhören ist, völlig vermissen.
Insgesamt also leider eine völlig alberne Vorstellung, da hierbei letztlich nicht mehr als Griffbrettgeschrubbe  herauskommt. Zum Glück hat alles ein Ende, denn nun rollen die 'Wheels Of Fire' los. Das schnellste Stück des Albums macht live durchaus Spaß und auf den Leinwänden werden Filmschnipsel gezeigt, die die Band (noch mit Scott Columbus) beim Motorrad fahren zeigen. Selbstredend mit ein paar drallen Mädels auf dem Bock. Wenn man es braucht, kann man es so machen. Mit 'Hail And Kill' steht nun ein erprobter Liveklassiker auf dem Programm, der die Stimmen vieler Fans an die Grenzen ihrer Belastbarkeit treibt. Besser kann man eine solche Hymne wirklich nicht schreiben. Über die Leinwände flimmern dabei Aufnahmen von Ritterburgen, die DeMaio früher gerne erobert hätte, um heute bereits den Altersruhesitz für später sicher zu haben. Die Livehymne 'Kings Of Metal' schließt sich nahtlos an und Eric bedankt sich bei den Fans für ihren Enthusiasmus, die Treue und alles andere auch, um dann leider wieder die Bühne für DeMaio frei zu machen, damit dieser seine übliche Rede ans Volk halten kann.

Er erzählt von einer Freundin, die länger nichts von sich hören ließ, ihn aber kürzlich anrief. Nun sollen die Fans entscheiden, ob er sich bei ihr melden soll oder  es besser wäre, die Dame schmoren zu lassen und sie nicht "to full glory zu ficken". Trotz geteilter Meinungen entscheidet sich Joey für Ersteres, denn immer wenn er in Deutschland ist, sei er in Stimmung für Bier und Mädels. Nachdem klassischen Ausspruch "Schwing dein Ding und Prost!" kippt sich unser verhinderter Winnetou-Darsteller sein Bier über den Kopf und wirft die leere Dose ins Publikum. Wann bringt dem Herrn endlich jemand bei, wie man vernünftig Bier trinkt? Damit ist es natürlich noch nicht getan.
Er meint noch, über die deutsche Metalpresse herziehen zu müssen, denn die Fans hat MANOWAR selbstverständlich ganz allein für die drei Konzerte der Deutschlandtour rekrutiert. Außerdem seien die Band und deren Fans natürlich die Geilsten und alles andere Mist. Soweit so bekannt, doch gerade weil mir diese hohlen Phrasen nun seit Jahren geläufig sind, fällt mir mittlerweile immer weniger dazu ein.

Gott sei Dank wird zum Abschluss noch einmal versöhnlich stimmende Musik gespielt. 'Warriors Of The World United',  der größte Klassiker der Neuzeit, bringt alle nochmal ordentlich in Wallung und mit 'Black Wind, Fire And Steel' wird stilecht der Deckel auf den Topf gesetzt.
Eric Adams verabschiedet sich mit dem üblichen "We'll return!" und 'The Crown And The Ring' dröhnt aus der Anlage, während das Licht im Saal wieder angeht. Währenddessen liegen sich alle Fans selig in den Armen, singen die bombastischen Chöre mit und hängen dem Moment nach.

110 Minuten Stagetime vergingen beim "Fight for True Metal" wie im Fluge. Es wird oft gesagt, dass MANOWAR die Szene wie keine andere große Band spaltet, doch eigentlich haben sie sich längst ihre eigene Szene geschaffen, um sich mit niemandem vergleichen lassen zu müssen.
Trotz aller - teilweise berechtigter - Vorwürfe der Selbstdemontage an DeMaio durch Geschäftsgebahren und seiner realitätsfernen Sichtweise auf die Dinge, gilt, wie Otto Rehhagel schon sagte: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz!" Denn da wurde heute trotz erwartbarer (Joeys Rede & Solo) und überraschender Abzüge in der B-Note (Erics Formschwäche) ordentlich abgeliefert. Deshalb bin ich auch als Anhänger der eigentlichen Metalszene gerne noch Zaungast in der "MANOWAR-Szene".
Natürlich sind die Ticketpreise mit 80 Euro, gerade was den technischen Aufwand betrifft, sehr hoch angesetzt. Doch wenn einem MANOWAR auch heute, trotz aller Schwierigkeiten, noch eine Herzensangelegenheit ist, lohnt sich ein Konzertbesuch nach wie vor.

Setlist: Manowar; Call To Arms; Kill With Power; Sign Of The Hammer; Lord Of Steel; Dawn Of Battle;
Warriors Prayer; Blood Of The Kings; Kingdom Come; Gitarrensolo; Heart Of Steel; Basssolo; Wheels Of Fire; Hail And Kill; Kings Of Metal; DeMaios Rede; Warriors Of The World United; Black Wind, Fire And Steel; The Crown And The Ring

Redakteur:
Arne Boewig
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