MORBID ANGEL, KREATOR, NILE & FUELED BY FIRE - Gießen

07.12.2012 | 18:44

02.11.2012, Hessenhalle

Wenn es draußen stürmt und regnet, ist doch jeder froh, dass das Konzert ausnahmsweise mal in heimeliger Halle stattfindet, anstatt auf durchweichter Wiese. Das gilt umso mehr, wenn das Line-up eine Vielzahl ordentlicher Bands aufführt und die Halle in direkter Nähe eines Getränkemarktes steht. Was liegt also näher, als einen Abend mit der Musik von MORBID ANGEL, KREATOR, Nile und FUELED BY FIRE zu verbringen?

Letztere stellen sich als grandiose Openerband heraus: Starker Thrash Metal inklusive old-schooligen Death Metal Elementen und chaotisch guten Soli, natürlich samt passendem Drumming und energetischer Bühnenpräsenz. Selbst zu dieser frühen Stunde verbreiten die Jungs aus Kalifornien Stimmung, bis die Halswirbel krachen, und erfreuen sowohl die Thrasher des Abends als auch die Death Metal Freunde. Für zusätzlichen Unterhaltungswert sorgt das Drummset des Schlagzeugers Gutierrez, da es vor dem bollwerkgleichen Instrument des NILE Drummers Kollias einem Kinderspielzeug gleicht, auch wenn es glücklicherweise nicht so klingt. Mit Songs wie 'Eye of the demon', verfeuert die Band nicht nur thrashige, sondern auch Death Metal-lastige Tracks, um die Mischung frisch und vor allem für das gemischte Publikum interessant zu halten. Messerscharfe Riffs, drückender Sound und offensichtlicher Spielspaß wärmen die Besucher schon jetzt ordentlich für das Kommende vor und so verlassen FUELED BY FIRE nach relativ knapper Spielzeit unter Jubelrufen die Bühne, um Platz für die Mainacts zu schaffen.

Selbige fahren mit NILE nun schwerere Geschütze auf, denn der direkte Vergleich zwischen den Death Metal-Größen und den Thrashern lässt letztere etwas alt aussehen. Ganz besonders fällt dies in der Schlagzeugsektion auf, denn hier darf Drummer Kollias endlich an das Spielzeug für große Jungs. In guter alter NILE Tradition wird auch selbiges exzessiv genutzt, denn gerade an dieser Front schaffen die Amerikaner es immer wieder zu beeindrucken. Ein drückender Sound und eine Double Bass Drum, die so schnell flackert, dass fast ein durchgehender Ton entsteht, vermischt sich hier mit den fräsenden Gitarrenriffs und stimmigen Kehlgesang. Positiv zu werten ist nebenbei auch der Sound, der wirklich nicht schlecht abgemischt ist, negativ fällt allerdings die stationäre Haltung der gesamten Frontfraktion auf. Diese steht festgewurzel vor ihren Mikrofonen oder auf der Monitorbox und rattert stumpf ihr Riffing runter, ohne auch nur wirklich nach oben zu schauen, was allerdings zu Folge hat, dass hier wirklich jeder Schlag und Griff richtig sitzt. Nach ihrer angesetzten Spielzeit verschwindet die Band ohne viel Aufwand wieder, abgesehen vom gewaltigen Schlagzeug, welches noch beiseite geräumt werden muss. Ein guter Auftritt in Anbetracht des musikalischen Niveaus, allerdings showtechnisch recht uninteressant.

Ganz im Gegenteil dazu der wirkliche Anreisegrund vieler Fans: die Death Metal-Helden MORBID ANGEL. Nicht nur als Klassiker wertgeschätzt und geachtet, sondern auch mit dem Versprechen eines "Classic Sets" voller nostalgischer Lieblingsstücke vor Ort, ziehen die Amerikaner einen gut gefüllten Saal mit gespannten Fans an. Glücklicherweise halten sie das Versprechen und füllen den Abend mit echten Fankrachern wie 'Chapel of Ghouls' oder 'Where the slime lives' und im Gegensatz zur vorherigen Band beweist Frontmann David Vincent, dass man auch mit schwerem Instrument in den Händen seine Entertainerfähigkeiten spielen lassen kann. Nicht umsonst ist der Raum plötzlich gefüllt und die Haare fliegen ebenso enthusiastisch umher wie auch die durch den Sänger diktierten Tracks euphorisch mitgesungen werden.

Natürlich lassen sich auch die übrigen Bandmitglieder nicht lumpen. Das Riffing ist wie zu erwarten ausgezeichnet, auch wenn der Sound etwas Feinschliff hätte vertragen können, und auch vom Percussion Part der Band lässt sich viel Positives vermelden. Die Trackauswahl variiert von hochgeschätzten Klassikern bishin zu im Classic Set Kontext eher fragwürdigen Tracks wie etwa 'Nevermore'. Letzterer wird übrigens dem kürzlich verstorbenen SUICIDE SILENCE Sänger Mitch Lucker (wir berichteten) gewidmet, den David Vincent als persönlichen Freund seinerseits tituliert. Trotzdem ein rundum gelungener Auftritt und bis jetzt definitiv der Höhepunkt des Abends.

Allerdings wollen sich die deutschen Thrasher von KREATOR die Chance auf den Titel des besten Auftritts des Tages nicht entgehen lassen und der Heimvorteil scheint ihnen da in die Hände zu spielen. Wenn sich der Raum auch deutlich geleert hat, ist er noch mehr als gut besucht, und die Lokalmatadoren werden von der Menge vor, nach und während des Auftrittes gefeiert, als wäre es das letzte Mal. Und in gewissem Maße ist dies auch gerechtfertigt, denn als Thrash Metal-Hauptereignis des Abends fahren KREATOR schwere Geschosse auf und feuern gleich mit 'Phantom Antichrist' den Titeltrack ihrer neuesten Scheibe in die Menge, welche sich begeistert mitreißen lässt. Dies steht zwar in leichtem Kontrast zum Klassikset der Vorband, funktioniert aber äußerst gut und erzeugt wie gewünscht fliegende Haarmähnen, laute Jubelrufe, sowie tosenden Applaus für die Band. Auch hier wird ordentliches Entertainment geboten, oder zumindest herrscht eine Menge Bewegung auf der Bühne. Gerade Frontmann Mille rennt wie wild von A nach B und nutzt die Extramikrofone, die für ihn herumstehen, auch angemessen, während die übrigen Saitenzupfer sich durch Soli schreddern oder groovig ihre Lines runterrasseln. Allerdings erfreuen auch KREATOR die Fans mit einigen Klassikern und Songs für feuchte Fanträume für Anhänger der ersten Stunde. Auch wenn natürlich Tracks wie 'Enemy of God' nie fehlen dürfen, erfreut Fans der älteren Alben vor allem 'Tormentor' am Ende des Konzertes. Gefeiert und relativ früh verlassen dann auch die letzten Musiker des Abends die Bühne und hinterlassen zufriedene Fans, die sich größtenteils ob der relativ frühen Uhrzeit noch Richtung Biertheke bewegen.

Rundum ein gelungenes Konzert, keine unangenehmen Ausschreitungen (die ich bemerkt hätte), durch die Bank weg gute Bands (auch wenn sich MORBID ANGEL ganz entspannt die Krone ergattern) und lockere Atmosphäre. Selbst wenn nichts Weltbewegendes geschehen ist und somit niemand etwas Wichtigeres verpasst hätte als den eigentlichen Auftritt der Bands, würde ich es nicht missen wollen.

Redakteur:
Johannes Lietz

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