M'era Luna - Hildesheim

07.10.2016 | 18:26

13.08.2016,

Schwarz-buntes Treiben mit den Größen aus Gothic und Metal.

Nach den letzten Klängen verlasse ich das Gelände in Richtung Zeltplatz. Ich streife noch einmal über den Mittelaltermarkt, der eine Vielzahl an Leckereien und Vergnügungen anbietet. Auch eine kleine Bühne mit thematisch passender Musik ist hier aufgebaut worden. Die Stimmung ist gut und ausgelassen feiern die Anhänger von Met, Kettenhemd und Axtwurf bis spät in die Nacht hinein. Nicht jedoch auf dem Zeltplatz. Dort bietet sich mir nach unzähligen Metal-Festival Besuchen ein gänzlich ungewohntes Bild. Es ist der wohl sauberste Campingplatz, den ich je gesehen habe, und auch die Dixie Toiletten sind am zweiten Tag noch sauberer, als so manches Dixie bei seiner Anlieferung auf dem Wacken. Das ist ja jetzt erstmal nichts Negatives. Was mich dann aber ziemlich aus der Bahn haut, sind die Vorstellungen über Ruhe auf dem Zeltplatz seitens der Besucher. So werden extrem harmlose Lautstärken von Boxen und Gesprächen schon ab 1 Uhr nachts sofort aus mehreren Zelten mit lauten Rufen nach Stille quittiert. Während ich auf den anderen Festivals mit den Füßen quasi in der Box meiner Nachbarn liege, die volle Kanne SLAYER zum besten geben und mit den Ohren neben fünf Generatoren und drei anderen Boxen der anderen Nachbarn liege, aus denen abwechselnd oder gleichzeitig Ausbilder Schmidt, Heino oder DARK FUNERAL läuft, ist es hier totenstill. Es ist surreal. Wer das nicht erlebt hat, wird es kaum glauben. Um 5 Uhr morgens halte ich die Stille nicht mehr aus und stehe auf.

[Yvonne Päbst]

Heute steht COMBICHRIST auf dem Programm. Mal wieder. Aber das geht ja gar nicht oft genug. Und so freue ich mich über das äußerst gut gelaunte norwegisch-amerikanische Projekt. Das Publikum ist sehr gemischt. Von EBM bis Gothic, von Metal bis Cyber-Industrial und alles andere dazwischen auch ist vertreten. Bei der Bandbreite der Musikvariation ist das freilich kein Wunder. Denkt man das eher Hardstyle-lastige 'Fuck Unicorns' oder 'This Shit Will F*ck You Up', welches das primär tanzfreudige Publikum anzieht, so stehen dazu im Kontrast die EBM-Hymnen 'Get Your Body Beat' oder 'This Is My Rifle'. Metaller kommen ganz sicher bei 'Throat Full Of Glass' auf ihre Kosten und auch für den punkigen Rockabilly-Fan ist mit 'Skullcrusher' ein Lied im Repertoire vertreten. Das Publikum hier hat allerdings nur begrenzte 45 Minuten Zeit, um alle großen Hits genießen zu können. Und so müssen Andy und Co. leider eine ziemlich harte Auswahl treffen, die selbstverständlich die größten Schlager wie eben besagtes 'Throat Full Of Glass' oder 'Get Your Body beat' beinhaltet, aber auch das deutlich düstere 'Blut Royal' und den Partykracher 'Maggots to the Party'. Es ist immer wieder faszinierend, Bands auf eigenen Touren mit Festival-Auftritten vergleichen zu können, und auch ist die unterschiedliche Stimmung beim Wechsel von der Halle auf eine Open-Air-Bühne sehr beeindruckend. Leider, bei aller Hochachtung vor dem künstlerischen Talent, der Energie und der wahnsinnigen Ausstrahlung der Gruppe, fand ich sie in den letzten Jahren auf eigenen Hallen Touren mit Abstand am besten. Der Auftritt war großartig, keine Frage, aber nichts toppt den Moshpit in der Batschkapp, wenn tausende Leute gleichzeitig hüpfen, tanzen und mitsingen.

[Yvonne Päbst]

Ein tolles Bühnenbild und ein echtes Power-Set: Das hat Oliver s.Tyr von FAUN mir schon vor einigen Wochen im Interview fürs M'era Luna versprochen. Kein Wunder, dass ich ziemlich hohe Erwartungen in den Auftritt der Faune habe. Wie nun ein Power-Set der Pagan-Folk-Gruppe klingt? Ungemein vielfältig und so fesselnd, dass ich mich mehr als einmal im Fotografen-Graben dabei erwische, wie ich die Kamera sinken lasse, um einfach nur zuzuhören. Ob nun eher gediegenere Lieder wie 'Alba' oder die wilde 'Walpurgisnacht': FAUN verwandelt das M'era Luna in wenigen Momenten in einen tanzenden, ausgelassenen Reigen, nur um die Menge im nächsten Augenblick tief in die verwunschene Welt der Sagen und Legenden zu ziehen. Ein echter Blickfänger ist dabei tatsächlich der stilisierte Wald im Hintergrund, sogar die Mikrofone sind mit Efeu-Ranken umschlungen. Noch besser als die gängigen FAUN-Songs zum Mitsingen gefallen mir am zweiten Tag des M'era Luna jedoch die instrumentalen Nummern der Gruppe. Mit dem Intro von 'Brandan', als Drehleier-Solo gespielt, teasert FAUN auch das Album "Midgard", welches nächste Woche erscheint, gekonnt an und entlässt das Publikum nach einigen tanzbareren Songs schließlich vollkommen außer Atem aus der verwunschenen Welt der Faune. Du hast nicht zu viel versprochen, Oliver!

[Leoni Dowidat]

 

Wenn sich eine Band auf dem M'era Luna den Titel 'König der Herzen' verdient, dann LORD OF THE LOST. Denn für das Publikum in Hildesheim haben sich die Hamburger ein ganz besonderes Bonbon für ihre Fans einfallen lassen: Gemeinsam mit einem Klassik-Ensemble machen die Jungs rund um Chris Harms das Festivalgelände für eine kurze Zeit zum dunkelsten Konzertsaal der Welt. Ganz anders, ganz emotional und fast schon erhaben klingen die sonst so rockigen Herren der Verlorenen - schon der Song 'Six Feet Underground' klingt auf einmal viel sehnsüchtiger als das Original. Schmachten ist da eigentlich vorprogrammiert, ebenso wie beim nachfolgenden 'See You Soon'. Und zeigt sich das Publikum bei den vorhergegangenen Acts noch als ausgelassene Party-Meute, sind auf einmal alle wie gefangen in den symphonischen Klängen des Ensembles und Chris' schmeichelnder Samtstimme. Besonders brilliert der charismatische Sänger bei der Nummer 'Annabel Lee'; ein Song, der wie die Faust aufs Auge zum M'era Luna passte. Eigentlich hätte LORD OF THE LOST das Publikum damit schon längst in der Tasche gehabt, doch zum großen Finale holen die Jungs noch einmal richtig aus: Das 'Credo' jagt mir einen Schauder nach dem anderen über den Rücken, was nicht einmal an der genialen Interpretation des LORD OF THE LOST ENSEMBLEs liegt. Nein, noch nie habe ich eine Menge mit so viel Gefühl singen gehört. Gänsehaut pur - gut, dass die Nordlichter danach noch Taschentücher für all die feuchten Augen verteilen.

[Leoni Dowidat]

 

Die Scherzkekse des Abends sind die Herren EISBRECHER. Erst werden die Fotografen fröhlich aus dem Fotograben verabschiedet, als diese, wie üblich, nach dem dritten Lied, ihre Arbeit beenden. "Die Fotografen verlassen den Graben. Auf Wiedersehen." Dann werden die Fans netterweise angehalten, ihre Handys mal wegzupacken, und zu diesem Zwecke verspricht die Band nun 30 Sekunden lang für alle Smartphone-Kameras zu posen, ohne sich zu bewegen. Danach sei mit dem neumodischen Schnick-Schnack aber dann gut, und man möge das Konzert bitte doch so genießen. Gute Ansage, finde ich. Dann wird darauf hingewiesen, dass das Konzert ja übertragen wird. Aber nur als Live-Stream beim NDR. Das bekäme die Mama des Sängers aber leider nicht hin, deshalb könne sie das Konzert nicht verfolgen. Aha, na gut, aber wir sind ja schonmal da und deshalb kann es ja nun auch weitergehen. Die Setliste kann sich auch hier gut sehen lassen und man vermisst eigentlich nicht wirklich irgendein Lied. 'Vergissmeinnicht', '1000 Narben' und 'Fehler machen Leute' sind weithin bekannt und die Menge jubelt, singt und tanzt. Die Stimmung ist großartig und der Applaus fällt der Performance gerecht sehr stürmisch aus. Bei 'This Is Deutsch' werden Plakate auf der Bühne hochgehalten, die die gängigsten "Besorgte-Bürger-Sprüche" zitieren. Als würdiges Ende der Show folgt dann 'Miststück' mit einem sehr coolen 'Rock Me Amadeus'-Outro.

[Yvonne Päbst]


Höret, höret! Jetzt wird es mittelalterlich-poppig. Seit 2003 habe ich die Berliner nicht mehr bewusst live gesehen und auch nicht mehr unbedingt die neuen Alben verfolgt. Während LACRIMOSA mich gestern Abend noch sehr positiv überrascht hatte und ich das Set trotzdem fast komplett kannte, ist es nun genauso, wie ich es mir ausgemalt habe. Die Lieder habe ich alle irgendwie schonmal in der Disko gehört, aber ich kenne sie nicht. Die Menge ist deutlich jünger geworden und singt sich die Kehle aus dem Hals, die Stimmung ist unbeschreiblich. Ich sitze ruhig etwas abseits und freue mich auf die Lieder, die ich vielleicht doch noch kennen werde. Und schon bald soll ich belohnt werden: Nach 'Rasend Herz','Feuertaufe' und 'Zigeunerskat' gibt IN EXTREMO nun 'Vollmond' zum besten, dass ich noch von früher her kenne. Leise singe ich mit und freue mich über die gut gelaunte Menge, die an diesem sonnigen Abend langsam dem Festival-Ende entgegen feiert. Dann folgt 'Störtebeker' vom neuen Album "Quid Pro Quo". Da das Album erst vor zwei Monaten heraus kam, hält sich die Menge beim Mitsingen noch sehr zurück. Aber das mit dem Hüpfen und Tanzen hat sie definitiv heute Abend drauf. Es bedarf nur eines kurzen "M'Era Luna"-Rufes und die Menge jubelt. So muss ein Festival sein. Da ist man gerne dabei. 'Liam' ist dann zum Schluß noch eine sehr ruhige Überraschung, aber ich freue mich sehr darüber. Es passt gut zu der eigentlich sehr harmonischen Grundstimmung und auch mit dem letzten Stück 'Moonshiner' wird es nochmal so richtig ruhig und kuschelig. Nicht wenige verlassen dieses Konzert mit einer Gänsehaut und der perfekten Einstimmung auf den nun folgenden Act WITHIN TEMPTATION.

[Yvonne Päbst]


Ein so schönes, ruhiges und gefühlvolles Festival braucht einen umwerfenden Abschluß. Und mit den niederländischen Musikern von WITHIN TEMPTATION rund um Sängerin Sharon den Adel präsentiert das diesjährige M'era Luna einen eben solchen Act. Kraftvoller Sound, betörende Stimme, eine wahnsinns Bühnenpräsenz und eine tolle Show. Eröffnet wird das Konzert mit 'Ice Queen', gefolgt von 'Caged' und 'dem Welthit 'Faster', was die Fans dankbar annehmen und die Stimmung sich so langsam steigert. Bei 'Paradise' gibt es dann eine riesengroße Überraschung: Schon die ersten Töne der Stimme lassen keinen Zweifel zu, dass hier niemand Geringeres als TARJA mit auf die Bühne zur Verstärkung geholt wurde. Und tatsächlich. Schon wenige Sekunden später tritt die umwerfende Finnin in das Schweinwerferlicht. Zusammen sind die beiden Damen die absoluten Königinnen des Symphonic Metal. Ihre Stimmen harmonieren perfekt und die Menge ist außer sich vor Freude. Eine Schauer läuft meinen Rücken herunter, dass es solch vollkommene Momente auf Konzerten geben kann. Als wäre das alles nicht schon viel zu viel für meinen Hormonhaushalt, gibt es dann noch 'Sinead' zu hören, während die Sonne untergeht. Das ist an Romantik wohl kaum zu überbieten. Bei den sanften Klängen von 'Covered By Roses' verabschiedet sich das diesjährige Publikum dann wehmütig in die anbrechende Nacht.

[Yvonne Päbst]

Redakteur:
Yvonne Heines

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