Mono - Leipzig

05.01.2007 | 14:31

20.11.2006, NATO

Japanische Wolke.

An einem kalt-verregneten Montagabend betreten wir die NATO in Leipzig, bekannt und beliebt durch ihr Interieur und Vielfalt in der Programmauswahl. Hier rattert noch keine Kasse, und wenn man einen eher ungewöhnlichen Musikansatz verfolgt, ist die Bühne erste Wahl. MONO aus Japan sind heute Gast. 2004 war das bisher erfolgreichste Jahr, die Reaktionen auf "Walking Clouds And Deep Red Sky, Flag Fluttered And The Sun Shined" waren damals mehr als euphorisch. Das 2006 erschienene "You Are There" hat sich aber diesbezüglich auch schon als Renner erwiesen. Eigentlich geht es nur noch bergauf, z. B. hat Meistermischer Steve Albini inzwischen die Hoheit über die Regler übernommen.

Die Einsparung eines Vokalisten oder einer Vokalistin erfreut sich ja seit geraumer Zeit wachsender Beliebtheit. So auch hier. Soweit ich das mitbekomme, wird auf der dunkelblau beleuchteten Bühne kein einziges Wort gesprochen. Schon lange erstaunt es mich nicht mehr, dass Bands mit diesem Ansatz teilweise mehr "knallen" als Bands mit Lyrics zwischendrin. Bei MONO trifft das auch zu.

Der Konzertraum ist zum Bersten voll, wir drängeln uns, das Fassbier vor uns herschwenkend, etwa in die Mitte vor. Das gesamte Konzert hindurch werden wir nach vorn oder hinten gebogen, wir lernen jeden kennen, der aufs Klo muss. Die wadenhohe Stufe des Absatzes, auf dem die Technik steht, reibt ein jedes Mal eine weitere Strieme unter das behoste Bein. Aus dem Zischen der Umstehenden glaube in wahrgenommen zu haben, dass vielen, die das Haus heute ausverkauft haben, die Live-Präsenz der Truppe zu Ohren kam. Aber es stellt sich heraus, dass die sprichwörtliche Zurückhaltung der Japaner in der Fremde auch hier greift. Dass sie jedoch schon vier Studioalben und eine siebenjährige Bühnenerfahrung besitzen, merkt man vom ersten bis zum letzten Ton.

Interessant ist heute zudem, dass mein Begleiter C. wie ich mit Stakkato-Nickern wie HELMET, BIOHAZARD und PRONG aufgewachsen ist. An die gemeinsame Hardcore-Phase schloss sich bei C. eine eigene Bandgründung und die eherne Offenheit für Elektronica an. Bei mir fanden eher krautige und psychedelisch-rockige Sachen den Weg in die Player, wobei auch der Metal immer präsent bleibt. Das ist bei der gemeinsamen Endbewertung des Konzerts letztendlich wichtig.

Die Band mit dem Bassistinnen-Blickfang Tamaki in der Mitte der Bühne konzentriert sich auf die Instrumente. Ernsthaftigkeit ist zu erkennen, vielleicht sogar Melancholie. Das scheint auch für die absolute Mehrzahl des Publikums zuzutreffen. Bedächtiges Nicken und gespannte Ruhe zwischen den Darbietungen haben da irgendwie etwas Mystisches an sich. Das ist die Musik der Vier, aber nur teilweise. Es wird zumeist dem Schema Leise-laut-leise-laut-leise gefolgt, ohne jedoch langwierig oder langatmig zu wirken. Wer den Zusammenklang von herkömmlicher Rockinstrumentierung in all seinen Facetten zu schätzen weiß, kommt hier voll auf seine Kosten.

Unweigerlich fallen ein jedem, der diese Szene musikalisch verfolgt, die Überväter MOGWAI ein, die definitiv auch zum Bustourrepertoire der Asiaten gehören. Und da kommen wir auch schon zu C., meinem heutigen Begleiter. Er vermisst irgendwann die Struktur, ihm, dem Liebhaber eher knochigen Gitarrenspiels, ist das auf Dauer zu viel Fleisch. Zu verwaschen, zu laut, zu sphärisch. Zu lang? Darauf hinzuweisen ist hier Pflicht, liest doch ein Großteil der Leser hier eher metallene oder corige Reviews.

Der Schreiber selbst fühlt sich in den wärmenden Tönen und den sehr schwer schwelenden Arrangements, die MONO da zaubern, äußerst wohl. Während er das hier tippt, laufen die Soundfragmente auf der Website der Japaner durch – das Album rauszusuchen, hätte zu lang gedauert. Testet laut den Song 'com(?)' vom Album "One Step More And You Die", welcher live eine gepfefferte Heißwalze ist. Als würde man in einen süß schmeckenden Nebel hineingeschoben werden, von dessen Einatmen man wie besoffen wird.

Erst das gemeinsame Abschlussbier mit C. ernüchtert und klart den Blick für die herausströmenden Massen. Und so traurig sehen die alle gar nicht aus.

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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