Morgana Lefay - Ingolstadt

07.05.2005 | 06:09

04.05.2005, Paradox

Ingolstadt ist ja schon eine ganze Ecke von meiner Heimat entfernt, aber MORGANA LEFAY stehen nicht zu Unrecht im Ruf, eine der besten Livebands überhaupt zu sein, und so wollte ich die Bollnäser nach zwei Festivalgigs nun endlich mal richtig intensiv in der Atmosphäre eines kleinen Clubs erleben. Also rein ins Auto, 150 Kilometer runterspulen, Ticket kaufen und ins Vergnügen stürzen...


SHAPESHIFT

Der Verkehr ist an diesem schönen Mittwoch vor dem Vatertag allerdings recht dicht, dazu kommen einige Umleitungen, und so ist zum Zeitpunkt unserer Ankunft die lokale Vorgruppe SHAPESHIFT schon beim vorletzten Song angelangt, so dass ich leider nicht viel zum Auftritt sagen kann. Es fällt aber auf, dass sie Band für den spärlich besetzten Kellerraum der recht neuen Location "Paradox" eigentlich relativ guten Zuspruch bekommt, auch wenn ihr Metal etwas moderner wirkt als das restliche Programm des Abends. Schlecht war die Musik der Jungs auf keinen Fall.


MINDCRIME

Die Publikumsresonanz ändert sich aus mir unerfindlichen Gründen bei MINDCRIME, denen das Ingolstädter Publikum leider extrem reserviert gegenüber steht, obwohl sie eigentlich verdammt gute Musik machen. So wagt sich am Anfang des Sets außer dem Verfasser dieser Zeilen keiner der Anwesenden näher als ca. fünf Meter an den Bühnenrand, und wenn ein eher zurückhaltender Konzertbesucher, wie ich es einer bin, zunächst als einziger halbwegs mitgeht, dann ist das schon irgendwie irritierend. Aber mit der Zeit taut das Publikum doch noch fast auf, und am Ende sind wir gar vier oder fünf Mitklatscher innerhalb der Dreimeterzone. Was ich dabei nicht wirklich verstehe, ist, dass die Musik dem recht ansehnlichen Applaus nach zu urteilen eigentlich recht gut ankam. Na ja, was will man machen? Die Band nimmt es professionell und vor allem Sänger Christian Weller wird nicht müde, das lethargische Publikum zu animieren. Da ich bisher nicht mit der Band vertraut war, kann ich euch natürlich nichts über die Setlist sagen, aber der dynamische, leicht progressive Power Metal, der mit viel Keyboard und gelegentlich auch mit einigen MeloDeath-artigen Screams versetzt ist, hat mir schon sehr ordentlich zugesagt. Vor allem das von der Rock Hard-Dynamit-Serie bekannte 'Burning Glass' hat was, außerdem meine ich, auch 'Seven Letter Generation' erkannt zu haben, kann mich da aber auch täuschen. Also für mich ist MINDCRIME sicher eine Band mit Zukunft, da sie über eine sehr anständige Liveperformance und eingängige Songs verfügt, die sich eigentlich hervorragend zum Mitsingen eignen würden. Hoffen wir also, dass die Jungs in Zukunft auf etwas begeisterungsfähigere Auditorien treffen werden.


LANFEAR

Bei LANFEAR ist dann der kleine Raum doch schon ein bisschen besser gefüllt, und die Leute kommen auch näher an die Bühne. Die Jungs scheinen sich mittlerweile durchaus einen guten Ruf erspielt zu haben, dem sie am heutigen Abend auch vollauf gerecht werden. Die sympathische Truppe spielt einen netten Querschnitt durch ihr Schaffen und beweist dabei, dass sie auf anspruchsvolle Arrangements und recht komplizierte, aber immer sehr melodische und fesselnde Songs steht, die mitunter durchaus vertrackt sind und vom intensiven Drumming des "Generals" angetrieben werden, der sich hinter seinem Drumkit wirklich mächtig ins Zeug legt. Das Prog-Element birgt dabei ja manchmal die Gefahr, die Gelegenheitshörer zu überfordern, aber wie die Stimmung im Publikum verrät, scheint ein guter Teil der Anwesenden durchaus sattelfest zu sein, was LANFEARsches Schaffen angeht, und auch der Rest lässt sich von den durchaus progressiven, aber auch nicht überzogen verfrickelten Klängen der Schwaben mitziehen. Der Schwerpunkt der Setlist liegt natürlich auf den beiden letzten Scheiben "The Art Effect" und "Another Golden Rage", wobei wenn ich mich richtig entsinne z.B. aber auch 'Zero Poems', der Titelsong des zweiten Albums zum Zuge kommt, der für manche sicherlich ein Highlight des Auftritts darstellt. Als zwischenzeitlich einige technische Probleme auftauchen, die dazu führen, dass der Sound ihren doch recht perfektionistischen Ansprüchen nicht ganz genügt, scheinen die Musiker allerdings schon ein bisschen verärgert, was man ihnen auch nach dem Gig noch irgendwie anmerkt. Dabei fallen für mich als Zuschauer diese Probleme nicht wirklich gravierend ins Gewicht. Da habe ich schon viel schlimmere technische Pannen erlebt. Aber ich bin halt auch nicht wirklich der Soundfetischist vor dem Herrn, und auch der überwiegende Rest des Publikum scheint sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, so dass die Pause bis zur Behebung des Problems durch die Kommunikation der Musiker untereinander und mit dem Publikum recht kurzweilig vergeht. Sänger Neo demontiert beinahe das Keyboard von Tastenmann Richie und auch die Bemerkung von Gitarrero Ulle, dass man angesichts der Probleme mit dem Basssound nun endlich mal die Gitarre richtig höre, sorgt für allgemeine Heiterkeit... außer vielleicht bei Basser Kai, der allerdings auch gute Miene zum nicht wirklich bösen Spiel macht. Die Band wirkt einfach bodenständig und unaffektiert, dabei aber absolut professionell. Alles in allem überwiegt im Endeffekt dann doch die gute Laune, die Songs wie das heftige 'Time's Dark Laughter' vom Debütalbum "Towers Of February" oder das starke CONCEPTION-Cover 'Roll The Fire' verbreiten, auch wenn sich auf Neos Frage hin offenbart, dass anscheinend doch nicht mehr jeder die norwegische Legende des anspruchsvollen Power Metal kennt. Das Stück erntet trotzdem sehr gute Resonanzen, wie auch das eigene Material der Band, die - so wie ich das sehe - die anwesenden LEFAY-Fans durchaus auch für sich gewinnen konnte und den Auftritt trotz gewisser Problemchen als Erfolg verbuchen sollte.


MORGANA LEFAY

So gut LANFEAR auch waren, ist doch sofort von Beginn an klar, dass MORGANA LEFAY dem noch locker eins draufsetzen können. Nicht umsonst hat die Truppe den Ruf eine der besten Livebands der Szene zu sein, auf die wir aufgrund der Querelen mit Labels und Line-ups leider viel zu lange haben verzichten müssen. Während ich die Band bei den beiden erwähnten Festivalauftritten immer sehr gut gefunden, aber noch nicht so ganz verstanden habe, warum sie denn nun wirklich überragend sein sollen, ist mir dies nach dem Gig in Ingolstadt unmissverständlich klar geworden: Wenn man nämlich mittendrin ist, statt nur dabei, dann kommt die unbändige Energie eines MORGANA LEFAY-Konzerts eben noch besser rüber. Die Band, allen voran Frontmann Charles Rytkönen, versteht es einfach perfekt, auch eine kleine Schar von Fans zu fesseln und zum Mitmachen zu animieren. Dabei scheut es der im Verhältnis zu seinen Bandkollegen erstaunlich kleine Sänger auch nicht, von der Bühne herabzusteigen und singend durchs Publikum zu schlendern, oder sich auf einem Barhocker im Hintergrund des Raumes niederzulassen, um von dort aus den ruhigen Anfang von 'Symphony Of The Damned' zum besten zu geben. Außerdem ist er natürlich bekannt als Großmeister der Grimassen, der witzigen Sprüche und Gesten, sowie als eines der größten Energiebündel der ganzen Szene, das seinen Bewegungsdrang kaum unter Kontrolle halten kann und dabei des öfteren mal Gefahr läuft, heftige Kollisionen mit seinen Mitmusikern zu riskieren. O-Ton Chulle: "The stage is so small. I wanna run around, but it's all full of guitarists and bassists." Doch auch seine Hintermannschaft ist richtig gut drauf und gerade Gitarrist Tony Eriksson, der mittlerweile unter die Rastaträger geraten ist, und Schlagwerker Robin Engström bemühen sich nach Kräften ihren Frontmann beim Fratzenziehen auszustechen. Dazu gibt es diverse anzügliche "Schwedisch bzw. Deutsch für Anfänger"-Einlagen... Ihr seht also, dass für beste Unterhaltung gesorgt ist.

Dabei vergessen die Schweden natürlich auch nicht das Entscheidende, nämlich das Publikum mit genialem Songmaterial zu versorgen. Dass MORGANA LEFAY hier nichts würden anbrennen lassen, war eigentlich von vornherein klar, aber diese Setlist schlägt dann doch alle Erwartungen. Gleich zum Einstieg hauen uns die Wikinger mit 'Source Of Pain' einen ihrer heftigsten Songs überhaupt um die Ohren, bei dem Charles gleich von Anfang an das Mikro für den Refrain ins Publikum halten kann. Weiter geht's mit zwei "Sanctified"-Klassikern, namentlich 'Out In The Silence' und 'Another Dawn' bevor Charles den mit Spannung erwarteten ersten neuen Song ankündigt und zu seiner Freude feststellen kann, dass ein nicht unerheblicher Teil des Publikums das Album schon zu kennen scheint. Das grandiose 'Hollow' mit seinen Jon Oliva-mäßigen Monsterhooks und dem starken Mitsingpart wird dann auch gebührend abgefeiert, so dass mit dem ebenso genialen Upspeedhammer 'Angel's Deceit' gleich ein weiteres neues Lied nachgeschoben wird, das nicht minder begeistert aufgenommen wird. Was für ein Refrain!

In der Folge lässt Charles das Publikum ab und an raten, was denn nun als nächstes kommt, und manche scheinen sogar darüber Bescheid zu wissen, so dass die Band quasi auf Zuruf mit 'Save Our Souls' einsteigt, das richtig ausgiebig mitgesungen bzw. mitgeshoutet wird, bevor die euphorisch beklatschte Überhymne 'To Isengard' durch Mark und Bein geht. Um das Programm aufzulockern streuen die Jungs dann wieder einen neuen Song ein, und auch das dynamische 'I Roam' stellt eindrucksvoll unter Beweis, von welch hoher Qualität die neuen Kompositionen der Band sind. Danach bewundert Charles das "Maleficium"-T-Shirt eines Fans in der ersten Reihe, lässt diesen eine Pirouette drehen, um festzustellen, dass er auch wirklich auf der entsprechenden Tour mit dabei war... und kündigt dann - natürlich - den Titelsong dieser Scheibe an, dessen Refrain wirklich von (fast) allen mitgesungen wird. Dass die Stimmung dann bei 'Master Of The Masquerade' kaum nachlässt, dürfte klar sein und auch die noch folgenden Stücke, insbesondere 'Creatures Of The Hierarchy' und das vierte neue Stück 'Edge Of Mind' gönnen dem Publikum keine Pause zum durchatmen, bis sich vor der Zugabe ein klassischer Fall von "Haste noch nicht gesehn!" ereignet: Die Band begibt sich auf Charles' Worte "this is the moment where you're supposed to do this..." von der Bühne, stellt sich in der ersten Reihe auf, und schreit lauthals "Zugabe! Zugabe!". Das Publikum lässt sich natürlich nicht lange bitten und stimmt in den Chor ein, woraufhin die Musiker wieder die Bühne entern, um den seligen Fans mit 'Symphony Of The Damned' - wie erwähnt teilweise aus dem Publikum heraus gesungen - den Rest zu geben. Da die Meute aber erwartungsgemäß immer noch nicht genug hat, gibt's mit dem erneut ausgiebig mitgesungenen 'The Boon He Gives' und dem mörderischen Nackenbrecher 'Court Of The Crimson King' sogar noch zwei weitere Zugaben obendrauf.

Wir haben zwar allesamt immer noch nicht genug, doch irgendwann muss halt auch das schönste Konzert enden, so dass weitere Zugaberufe leider unerhört bleiben. Doch da die Zeit aufgrund einiger technischer Schwierigkeiten, die zu längeren Umbaupausen geführt hatten, nun doch schon recht weit fortgeschritten ist, hat jeder Verständnis, und alle Fans scheinen glücklich. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass MORGANA LEFAY in dieser Form sicher nach wie vor zu den ganz großen Erlebnissen gehören, die man als Metalfan auf einem Konzert haben kann. Nur schade, dass die Band dieser Tage in nur mäßig gefüllten kleinen Clubs spielen muss, was aber natürlich auch mit daran liegen dürfte, dass sie knapp fünf Jahre weg vom Fenster war und es nun eben eine Weile dauern wird, sich wieder voll zu etablieren. Wenn ihr irgendwo die Chance habt, die Band live zu sehen: Unbedingt hingehen! Ihr wisst gar nicht, was ihr verpasst! Da Chulle & Co. aber im Sommer diverse deutsche Festivals unsicher machen werden, wird sich der Status der Schweden sicher recht schnell erholen, denn - ich wage die Prophezeiung - diese Band wird eine ganze Menge Bands recht alt aussehen lassen, die im Billing weit höher stehen.

Da ich ja nicht in offizieller Mission, sondern zum durchaus ausgiebigen privaten Vergnügen in Ingolstadt war, hab ich die Setlist nicht mitgepinselt und insofern ist die Reihenfolge ein bisschen unsicher. Da mir aber Kollege Rouven von Münster die folgende offizielle Setlist überliefert hat, geh ich davon aus, dass die Unterschiede nicht gravierender Art waren... allenfalls im letzten Drittel des regulären Sets, also vor der Zugabe, könnte wegen des hängenden Zeitplans ein Song gefehlt haben, aber ich bin mir echt nicht mehr sicher. Aber das ist ja im Endeffekt auch egal, denn was zählt ist allein folgendes: MORGANA LEFAY sind zurück, und das wahrscheinlich stärker als je zuvor!


Setlist MORGANA LEFAY (ohne Gewähr):

Source Of Pain
Out In The Silence
Another Dawn
Hollow
Angel's Deceit
Save Our Souls
To Isengard
I Roam
Maleficium
Master Of The Masquerade
End Of Living
When Gargoyles Fly
Creatures Of The Hierarchy
Edge Of Mind
State Of Intoxication
---
Symphony Of The Damned
The Boon He Gives
In The Court Of The Crimson King


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Redakteur:
Rüdiger Stehle

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