Niflheim II - Stuttgart

23.03.2013 | 19:26

02.03.2013, LKA-Longhorn

The Power of Niflheim!

Aufgrund der unabsehbaren Stau-Verhältnisse auf der Strecke nach Stuttgart, verpassen wir leider den Gig der deutschen Pagan Metal-Legende ANDRAS. Apropos Legende: Verpasst oder nicht ist es mir allerdings ein Rätsel, warum diese altgediente Truppe schon um diese frühe Uhrzeit antreten musste.
[Christian Schwarzer]

Da ANCESTORS BLOOD bereits die Bühne betreten hat, bleibt nach der Ankunft keine Zeit mehr, um sich noch ein wenig die Umgebung anzusehen oder die Merchandisestände aufzusuchen. Wenn man zur Band guckt, bleibt der Blick wohl als erstes an Sänger Raud in seinem Schamanenumhang und einer Rahmentrommel in der Hand hängen. Ich habe Pagan-Gruppen schon in vielen Outfits gesehen, aber dieser Aufzug ist selbst für mich eine Premiere. Die Trommel dient wohl mehr zur Zierde, denn von ihr nimmt man so gut wie nichts wahr (auch wenn der gute Mann sie offensichtlich hingebungsvoll bearbeitet). Das gilt auch für den Rest der Musik. Der Gesang klingt ziemlich schlecht abgemischt, aber den anderen Instrumenten geht es auch nicht besser. Nach zwei Liedern verliert man schnell das Interesse weiter zuzuhören. Es ist vielleicht ein vorschnelles Urteil, doch schaffen die Finnen es zumindest heute nicht zu überzeugen.   
[Hang Mai Le]

Mit EREB ALTOR kommt mein persönliches, erstes Highlight. Statt des Schamanenumhanges gibt es hier die Kutte und ein Zelebrieren der Viking-Phase Meister Quorthons, wie man es von nur ganz, ganz wenigen vergleichbaren Bands hört. Die live um Bassist Kristofer Nilsson verstärkte Truppe schafft es binnen weniger Minuten eine geradezu magische bzw. mythische Atmosphäre aufzubauen, die mir bei den Chören des Openers 'Dispellation' (vom letzten Album "Gastrike") eine Gänsehaut nach der anderen beschert. Der Sound ist erfreulich klar und druckvoll, sodass die über allem schwebenden Klargesänge sogar deutlicher, als auf Platte rüberkommen. In den folgenden vierzig Minuten geht man erstmal zurück an die Anfänge, zu 'By Honour', dem Titelstück des gleichnamigen ersten Albums, hernach folgen mit 'Balders Fall' und 'Myrding' zwei Songs von "The End". Das Publikum genießt wahlweise oder banged im Takt der monolithischen Riffs. Die Band schließt den Kreis mit einem weiteren Song ihres letzten Albums, nämlich 'Mistress of Wisdom'.

Aufgrund der offensichtlich etwas kruden Planung bzw. Kommunikation zwischen HELHEIM und dem Festival tauschten die Norweger, welche ursprünglich nach ENSIFERUM dran gewesen wären, ihren Platz mit FINSTERFORST, weil man wohl dringend nach der Show auf einen Flieger in Richtung Heimat musste. So kommt man unerwartet schnell von Old-School-Verehrern der neuen Generation auf die eigentliche, alte Schule. Die dienstälteste Band des Festivals legt dann auch eine Headliner-ehrenwürdige Show hin, bei der nicht nur alte und neuere bekannte Brecher wie 'Jernskogen' oder 'Dualitet og ulver' zum Einsatz kommen, sondern sogar ein Song vom kommenden Album mit dem Namen 'Baklengs mot intet'. Trotz der verhältnismäßig frühen Stunde strotzt die Band vor Spielfreude und da die Vermittlung der Umstellung auf dem Billing anscheinend ganz gut klappte, dankte ihnen das reichlich vorhandene Publikum mit viel Applaus. Das gefällt V'gandr (zuständig für Bass und die Hälfte des Gesangs) augenscheinlich so gut, dass er es sich nicht nehmen lässt, einmal quer durch die ersten Reihen zu marschieren, um mit den Anwesenden zu bangen. Beschlossen wird die Show durch ein schnörkelloses, sehr cooles Cover von 'Ace Of Spades' und die Band verabschiedet sich von einem begeisterten Publikum.

Setlist: Åsgårds Fall I, Åsgårds Fall II, Baklengs mot intet, Jernskogen, Nattravnens tokt, Dualitet og ulver, Zugabe: Ace of Spades

Dagegen verlieren FJOERGYN leider (natürlich) etwas, was nicht nur daran liegt, dass klar ersichtlich ist, dass mehr Leute wegen HELHEIM kamen, als wegen ihnen und es dementsprechend eine leichte, zwischenzeitliche Lichtung der Reihen gibt. Hinzu kommt nämlich leider auch ein Sound, welcher in meinen Augen unangenehm übersteuert ist und gerade den Klargesang geradezu schmerzhaft verzerrt, sowie den Rest ziemlich gnadenlos zusammenmatscht, worunter vor allem die orchestralen Farbtupfer zu leiden haben. Davon lässt sich die Gruppe aber erfreulicherweise nicht beirren und spielt sichtlich motiviert das vorab angekündigte Best-Of Set, welches nicht nur bekanntes Material à la 'Narziss(t)' oder 'wie Jahr um Jahr' enthält, sondern auch das lange nicht gehörte 'Des Winters Schmach' vom ersten Album. Beim dritten Stück - 'Katharsis' - wird der allseits bekannte Ivo Raab (Organisator des Ragnarök Festivals) auf die Bühne gebeten und übernimmt einen Teil des harten Gesanges. Darüber hinaus belässt man es nicht nur beim Zitieren alten Materials, sondern präsentiert quasi eine special Best Of-Show: Die zwei ersten Stücke 'Antimensch' und 'Betonlethargie' stammen vom kommenden Album "Monument Ende", dessen Titelstück am Ende noch dargeboten wird und sich - entsprechend der Titelwahl für das neue Album - wenig verträumt präsentiert. Sehr zur Freude aller Anwesenden bleibt danach noch etwas Zeit übrig und man spielt, erneut unterstützt von Ivo Raab, 'Am Ende der Welt'. Das Publikum dankt mit viel Applaus. Mir wird der Auftritt leider durch den Sound etwas vergält, zudem bin ich auch noch mit dem Verarbeiten des mächtigen HELHEIM-Gigs beschäftigt, nichtsdestotrotz kann man schon mal gespannt auf das neue Album sein.  

Auch VREID fahren heute eine spezielle Show auf, allerdings noch mehr auf neuere Taten konzentriert, denn man feiert heute das vor mittlerweile auch wieder vor einem Monat erschienene neue Album "Welcome Farewell", welches bei uns einen sehr schönen dritten Platz im Soundcheck belegen konnte und sich auch sonst ausnehmend gut in der Presse schlägt. Dementsprechend kommt in dem 60 minütigen Set der Norweger das neue Werk mit fünf von zehn gespielten Stücken keineswegs zu kurz. Das Publikum ist wieder deutlich gewachsen, der Sound wesentlich besser und auch die Band präsentiert sich sehr spielfreudig. Fäuste und Matten fliegen, so dass VREID eine gelungene Release-Show attestiert werden darf, garniert mit älteren Songs wie 'Speak Goddamn It' oder 'Wolverine Bastards' und gekrönt durch das finale 'Pitch Black'. 
[Christian Schwarzer]

Während draußen die Sonne schon lange untergangen ist, entern nun die Finnen die Bühne. In der Szene gilt ENSIFERUM als Aushängeschild für massenkonformen Pagan Metal und für jüngere Semester ist diese Gruppe eine gute Einstiegsmöglichkeit ins Genre. Nun, die entsprechende Fraktion ist auch zur Genüge vertreten, und wenn man kein Shirt von ihnen trägt, weisen spätestens die schwarzen Streifen an den Wangen auf die "Zugehörigkeit" zur Truppe hin, was gerne für Erheiterung sorgt. Ich sehe sie nicht zum ersten Mal und im Rahmen von Festivalauftritten weiß man nie so recht, ob der Abend ein Erfolg wird oder nicht, wie jede Band hat man seine guten oder schlechten Abende. Die fast zweistündige Headlinershow wird mit der aktuellen Single 'In My Sword I Trust' eröffnet, einen recht flotten Song, der von dem neuesten Album "Unsung Heroes" stammt. Der Andrang Richtung Bühne wird immer größer und auch die Halle als Ganzes scheint ziemlich gut gefüllt zu sein. Binnen weniger Sekunden haben die Finnen ihr Publikum fest im Griff und mit 'Deathbringer From The Sky' wird die nächste schnelle Nummer präsentiert. Ab dem Titeltrack des "From Afar" Albums ist das Mikro von Sänger Petri soweit in Ordnung, dass man ihn endlich hören kann. Es geht weiter mit 'Burning Leaves', das ebenfalls zum neuen Material gehört und die Masse in Bewegung bzw. einen Pit bringt, der übrigens nicht der letzte sein wird. Die Musiker sind sichtlich zufrieden und lassen sich nicht den Spaß nehmen auf der Bühne Unfug zu machen. Bassist Sami und Gitarrist Markus albern herum, während Hr. Lindros in alter Manier mit seinem Pony zu kämpfen  hat. Es wird mit 'Pohjola' und 'Tales Of Revenge' etwas ruhiger, was für manch einen kein Grund ist, nicht crowdsurfen zu gehen. Bevor die Pause kommt, wird die Meute mit 'Victory Song' und dem ultimativen Klassiker 'Iron' beschallt. Während alle kurz verschwinden, bleibt Bassist Sami vorne und bedient sich frech am Keyboard, welches er auch voll und ganz zu beherrschen weiß. Die anderen kommen zurück und nach 'Lai Lai Hei' und 'Battlesong' scheint die Luft noch immer nicht raus zu sein, denn Gitarrist Markus legt noch ein Solo hin, dass seines gleichen sucht, nicht zuletzt, weil er sein Instrument irgendwann auf den Rücken hat und immer noch alle Töne rückwärts trifft. Das Ende einer sehr tollen Show zelebrieren die Herrschaften mit den Maintheme von Star Wars und so ist es nicht abwegig, dass der pompöse 'Imperial March' als Outro ertönt.

Setlist: In My Sword I Trust, Deathbringer From The Sky, From Afar, Burning Leaves, Pohjola, Tale of Revenge, Stone Cold Metal, Retribution Shall Be Mine, One More Magic Potion, Ahti, Victory Song, Iron, Twilight Tavern, Lai Lai Hei, Battlesong, Solo, Imperial March
[Hang Mai Le]

Nach dem mitreißenden Gig der Finnen haben FINSTERFORST, die ja ihren Platz mit HELHEIM tauschten, leider etwas das Nachsehen, da vor allem sie unter der vorgerückten Stunde leiden. Das LKA ist nun schon deutlich leerer und auch der Soundmann scheint eher Bock auf Feierabend zu haben, denn nach den sehr transparenten Klängen bei ENSIFERUM, schlägt der Matsch wieder zu. Hinzu kommt, dass die Band anscheinend Probleme mit dem Akkordeon hat (welches sich auch nicht wirklich vernehmen lässt). Trotzdem lässt man sich nicht beirren und spielt für die letzten begeisterten Getreuen bestens aufgelegt sein Set, welches mir angenehm und überraschend unlustig als nicht-Fan der Band in den Ohren tönt (was vielleicht an der Nichtvernehmbarkeit eben jener Quetschkommode liegt). Natürlich lässt sich trotzdem die 'Försterhochzeit' nicht vermeiden, summa summarum kann man FINSTERFORST aber scheinbar trotz des übel klischeehaften Namens nicht als bloße Sauf-Band abtun, auch wenn sich Sänger Oliver in den Ansagen redliche Mühe dazu gibt, diesen Eindruck zu untermauern. 
[Christian Schwarzer]

Während manche die ersten Sonnenstrahlen des Jahres genießen, lässt man drinnen die Köpfe kreisen. Auch in der zweiten Edition bietet das NIFLHEIM ein sehr gemütliches Tagesfestival, dass musikalisch für jeden etwas dabei hat. Neben der kuliarischen Versorgung in Form von Met und kleinen Snacks hat man auch ein breites Angebot an Merchandise, das das Musiksammlerherz höher schlagen lässt. Wir werden nicht das letzte Mal da gewesen sein!

Redakteur:
Hang Mai Le

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