Nile und Ex Deo - München

17.09.2013 | 13:38

05.09.2013, Backstage

Unfassbar, es ist soweit! Der Auftakt der Headliner-Tour von NILE wird für den deutschsprachigen Raum soeben im Münchner Backstage angezählt.

München, 05.09.2013! 19:00 Uhr! Vier langhaarige Italiener betreten eine mittelgroße Bühne im Herzen Oberbayerns. BLACK THERAPY nennen sich die Musiker aus dem sonnigen Süden. Die jungen Südländer haben zusammen mit SVART CROWN und EX DEO die Ehre, aber ebenso auch die schwere Bürde, erhalten, das amerikanisch-ägyptische Quartett zu unterstützen. Der Druck für alle Beteiligten ist ziemlich hoch. Es lasten schließlich sehr hohe Erwartungen auf NILE, denn ihr letzter Gastbesuch hatte deutliche Nachwirkungen und nicht nur bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Ein Jahr ist nun bereits vergangen, seit die Death-Metal-Ikonen ihren ersten Teil der "At The Gate Of Sethu"-Reise angetreten haben. Damals durften sie zusammen mit MORBID ANGEL die KREATOR-Tour zur heftig diskutierten "Phantom Antichrist" supporten. In Geiselwind, also im Herzen Metalfrankens, konnte ich mir 2012 selbst einen Eindruck davon verschaffen. Für mich war damals NILE der klare Gewinner des eigentlich ungehörig subjektiven, aber dennoch obligatorischen Direktvergleichs auf dem Heimweg von Konzerten. Milles Show war mir zu überladen und Treys Sound kam zu verwaschen aus den 4x12ern. Karl Sanders & Co. lieferten hingegen eine brachiale Performance, die mit allen Wassern der freien Künste gewaschen war. Puristisch ausgelegt, nur mit Amps und Backdrop als Deko bewaffnet und mit einem druckvollen Sound haben sie an besagtem Abend den Atem der fränkischen Headbanger ins Stocken gebracht. NILE ist einfach ein Garant für Livebrutalität!

Eigentlich kann ich mich an keinen schlechten Gig des Nuclear Blast-Exports erinnern. Nein, einen Totalausfall der Truppe aus Greenville, South Carolina, gab es nicht. Egal, ob auf Headliner-Tour in Leipzig (2005), 2008 in Peterborough’s The Park U.K. oder als Supportact von Six Feet Under (2007) oder Kreator (2012)! NILE rocken! Das sind jedenfalls meine Erwartungen, die ich an den heutigen Abend stelle und selbige werden von der netten Dame, die die Lichtshow für NILE mischen wird, vorab noch geschürt. Die junge Engländerin plaudert jedenfalls im Vorfeld der Show mit einem sympathischen britischen Akzent und im gewohnt derbem englischen Kesselflickerjargon ein bisschen aus dem Nähkästchen des Tourlebens und lässt die Fans ein Stück weit hinter die Kulissen "on the road" gucken. Die Stimmung im Tourbus sei gelassen, die Musiker durch die Bank redselig und kontaktfreudig und die ersten Gigs brachial gewesen – lautet ihr Fazit.

Jedenfalls betritt mit BLACK THERAPY die erste Combo des Abends die Bretter, die für manche die Welt, für mich hingegen Death Metal in Reinform bedeuten. Ihre Melodic Death-Klänge, die teils alte Göteborger Glanzzeiten Revue passieren lassen, teils aber auch DISSECTIONS Zenit lebendig halten wollen, sorgen für eine mehr als stimmungsvolle Eröffnung des Abends. Sicherlich ist die Band noch blutjung und manch einer der Italiener kann das letzte Quäntchen Lampenfieber, das einem Supportact von NILE zwangsläufig verfolgen muss, nicht verbergen. Der Mischer gewährt ihnen zudem auch noch den ungeschriebenen Opener-Gesetzen entsprechend nicht den besten Sound. Aber dennoch können die vier Musiker ordentlich Sympathiepunkte sammeln, denn man kann trotz allem beim Fronter ein Glänzen in den Augen sehen. Diese Jungs haben Blut geleckt und einfach Freude am Spielen. Gegen Ende des Sets legt sich bei den Nachwuchskünstlern dann auch ein wenig die anfängliche Nervosität und es fliegen sogar vereinzelte Haarebüschel zu den Klängen von 'Melancholy' und dem Titeltrack ihrer ersten LP "Symptoms Of A Common Sickness" wild durch die Luft. Der letzte Song des Sets, das etwas schleppende 'The Time Is Dead', ist mir sogar richtig im Ohr hängen geblieben, denn diese Nummer braucht einen Vergleich mit "The Somberlain" nicht zu scheuen.

Mit SVART CROWN bricht nun eine apokalyptische Finsternis über das Münchner Backstage herein. Die Musiker aus dem schönen Nachbarland Frankreich haben bereits drei Alben herausgegeben, wobei das 2013er Werk "Profane" den Aufstieg von der Kreisklasse in die Profiliga markiert. Ihr Sound ähnelt deutlich den düsteren New Yorkern um Ross Dolan, wobei Shouter JB Le Bail oftmals etwas vorschnell als Nergal-Kopie verschrien wird. Als sich die Gelegenheit zu einem kurzen Plausch mit Basser Ludovic Veyssière bietet, kann ich mir die Frage, ob SVART CROWN mehr IMMOLATION oder BEHEMOTH ähneln, nicht verkneifen. Mit einem smarten Grinsen im Gesicht erwidert mir der junge Franzose äußerst schlagfertig, aber doch humorvoll, mit dem zu erwartendem "tell the german scene, SVART CROWN sounds like SVART CROWN". Jedenfalls bringt der Vierer die ersten Münchner dazu, sich das Genick zu verrenken. Der Mischer zaubert einen glasklaren, wenn auch etwas leisen Sound aus den Boxentürmen, der ihre sinistren Klänge unterstützt! Die Doublebass bis zum Anschlag getriggert, feuert N. Muller ein regelrechtes Blast-und-Break-Gewitter los. Dazu lassen die drei Saitenzupfer ihre Köpfe synchron kreisen und die Haare fliegen. Extremes Propellerbangen ist und bleibt doch die ausdrucksstärkste Form einer brachialen Death Metal-Combo. Der Schwerpunkt der Setlist liegt wie zu erwarten auf "Profane". Doch auch die zweite Scheibe kommt nicht zu kurz. Direkt auf 'Here Comes Your Salvation' von der "Witnessing The Fall" folgt mit 'Nahash The Temptator' ein zweiter Track vom 2010er Release. Leider wird die "Ages Of Decay" (2008) komplett ausgespart.

Setlist:
Intro, Genesis Architect, Here Comes Your Salvation, Nahash The Temptator, Profane, In Utero: A Place of Hatred And Threat, Revelation: Down Here Stillborn

Rom, 69 n.Chr.! In den Wirren des Vierkaiserjahres können schließlich fünf Kanadier ihren Anspruch auf die Herrschaft über das Imperium Romanum erheben und verhelfen dem Geschlecht der Flavier an die Macht. EX DEO verstärkt sofort die Legio XII Fulminata im Osten des Reiches und schlägt mit der Legio XIII Gemina, deren historisch leider wenig authentisches Banner ihre überladenen Kostüme ziert, zeitgleich den Bataveraufstand westlich des Rheinufers nieder. Zumindest versucht sich der KATAKLYSM-Ableger an einer Zeitreise in das antike Rom des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. Sicher kann man über die Authentizität ihrer Legionärskostüme und die historische Plausibilität ihrer lyrischen Quellenauswertung diskutieren. Was aber unbestreitbar ist, ist ihre Qualität als Liveband. Erfahrung mit dem Rampenlicht haben die Jungs von KATAKLYSM (plus Dano Apekian am Bass) ja zur Genüge. Das erklärt auch die souveräne Präsenz ihres Nebenprojekts. Selbst eine technische Panne am Drumset, das inmitten der Performance justiert werden muss, bringt die römische Legion nicht aus dem Gleichschritt. In erster Linie ist es das martialische Acting von Sänger Maurizio Iacono, das für Atmosphäre sorgt. Die brennende Frage, ob nun EX DEO verglichen mit KATAKLYSM eine musikalische Innovation ist, bleibt trotzdem offen. Zu sehr ähneln sich doch beide Bands. Letztendlich darf deswegen auch der Zweifel daran nicht verschwiegen werden, ob es den Jungs von EX DEO stets gelingt, mit Keyboardsamples eine Reminiszenz an das antike Rom herzustellen, denn dafür stehen allzu oft die groovenden KATAKLYSM-Riffs, die bei EX DEO nicht zu verbergen sind, im Weg. Trotzdem wird der Fünfer seiner Rolle als Co-Headliner mehr als gerecht und ihre Setlist, die aus einer Mischung der beiden Alben besteht, kommt beim Publikum ziemlich gut an.

Setlist: Legio XIII, The Tiberius Cliff (Exil To Capri), The Final War (Battle Of Actium), I, Caligvla, Police Verso, Teutoburg (Ambush of Varus), Romulus

Es schlägt genau 21:45 Uhr, als das Set der Legionäre von EX DEO zum Ende kommt und ein sehr gelassener Karl Sanders es sich nicht nehmen lässt, bei einem genüsslichen Spaziergang durch das Publikum den einen oder anderen Plausch mit den Fans zu führen. Während die Roadies umbauen, lässt sich der kolossale Gitarrist von nichts aus der Ruhe bringen. Ich packe natürlich die Gelegenheit am Schopf und stelle dem Pharao der auf 'A' getunten Gitarre ein paar Fragen zur aktuellen und zur vergangenen Tour. "The last one was huge, but well organized...", gesteht Karl Sanders redselig. Trotzdem genieße er es im Moment in vollen Zügen, im kleineren Rahmen durch die Clubs Europas zu fegen. Familiärer sei es, führte er fort, und auch der Kontakt mit den Fans sei hierbei wesentlich intensiver als bei groß angelegten Events. Auf die Frage, ob er den deutschen Bangern noch etwas Besonderes mitteilen wolle, überzog ein äußerst breites Grinsen das Gesicht des Ausnahmemusikers. Etwas stockend und mit einem deutlich humorvoll-sarkastischen Unterton folgt das obligatorische "of course, it's the best scene in the world!". Nach einem kurzen Lacher fügt er aber aufrichtig hinzu, er genieße den Trip durch Deutschland total, da er die Szene hierzulande sehr gern hat ...und das soll sie auf der Bühne sofort zu spüren bekommen. Die Gesichter von Dallas Toler-Wade, Karl Sanders und dem seit 2012 am Fünfsaiter rockenden Todd Ellis strahlen eine unbeschreibliche Portion an Spielfreude aus. Vor allem Dallas legt sein Dauergrinsen während des gesamten Auftritts nicht ab. Die Show bietet aber auch nur Highlights. Allein der glasklare, druckvolle und vor allem laute Sound ist Anlass genug für eine Lobeshymne an den Mischer. Die Bühnendeko ist so, wie es sich für eine Death Metal-Show gehört. Schlicht und einfach! Wenig Lichteffekte, ein Backdrop und die leuchtenden Röhren eines Amps sind – ich wiederhole mich – Deko genug. Auch die Setlist ist eindeutig für Fans konzipiert, denn sie enthält einen bunten Mix aller Stationen der inzwischen 15 Jahre alten NILE-Diskographie. Auf den Opener 'Sacrifice Unto Sebek' von der "Annihilation Of The Wicked" folgt mit 'Defiling The Gates Of Ishtar' ein Stück aus "Black Seeds Of Vengeance"-Zeit. Zusammen mit dem Titeltrack der 2000er Scheibe, der das große Finale des Sets letztendlich auch beschließt, und 'Smashing The Antiu' sowie 'The Howling Of The Jinn' von der "Amongst The Catacombs Of Nephren-Ka" veredeln insgesamt vier ganz alte Nummern die Setlist. Von der aktuellen Scheibe stammen hingegen nur drei Songs ('Enduring The Eternal Molestation Of Flame', The Inevitable Degradation Of Flesh' und 'Supreme Humanism Of Megalomania'). Mit 'Sacrophagus' und 'Unas Slayer Of The Gods' runden die Hobbyarchäologen die mehr als gelungene Show noch ab. Leider ist NILE keine Band, die es schafft, einen Moshpit anzustimmen. Zu komplex sind dafür die Riffs und zu kompliziert die Songstrukturen. Das Besondere an der Musik ist hingegen das unfassbare Staunen über die Präzision der Musiker, das in den Augen der Fans zu sehen ist. Ohne Übertreibung sind die Fingerläufe von Todd Ellis über das dicke Griffbrett seines Tieftöners als virtuos zu bezeichen. Er liefert sich mit Karl Sanders immer wieder Riffschlachten, vor deren Hintergrund Dallas eine Orgie an Soli zelebriert. Auch Karl und Dallas duellieren sich in Crossfights und zeigen den Fans Skalensätze, bei denen sich unsereiner ziemlich wahrscheinlich einen oder gar zwei Finger brechen würde. Dass George Kollias, den Dallas beim Schlagzeugsolo von 'Unas Slayer Of The Gods' mimisch und gestisch den Fans vorstellt, bei der Geschwindigkeit der Doublebassrhythmen noch keinen Herzinfarkt erlitten hat, grenzt sowieso an ein Wunder. Nach gut einer Stunde Spielzeit schicken die vier Amerikaner ein rundum zufriedenes Münchner Publikum nach Hause. Ein gelungener Abend! Das einzig traurige daran sind die doch sehr lichten hinteren Reihen des kleinen Backstages. Ich hätte bei dieser Show ein volles Haus erwartet!

Setlist: Sacrifice Unto Sebek, Defiling The Gates Of Ishtar, Kafir!, Hittite Dung Incantation, Enduring The Eternal Molestation Of Flame, The Inevitable Degradation Of Flesh, Supreme Humanism Of Megalomania, Smashing The Antiu, The Blessed Dead, The Howling Of The Jinn, Sarcophagus, Unas Slayer Of The Gods, Black Seeds Of Vengeance

Redakteur:
Michael Sommer

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