No Mercy Festival - Tilburg

24.04.2004 | 09:15

12.04.2004, 013

Jedes Jahr zu Ostern ist es wieder so weit: Der Tourtross der No Mercy Festivals macht seinen letzten Halt in Tilburg und stößt dabei für gewöhnlich auf einige der fanatischsten Extrem-Metal-Fans in ganz Europa. Dieses Jahr hingegen sah es zunächst nicht so berauschend aus: Die Vorverkäufe liefen eher schleppend an und so konnte man den modernen 013-Club letztendlich auch nicht ganz ausverkaufen. Denkt man dabei mal an das letzte Jahr zurück, als das Billing von diversen Old-School-Thrash-Bands dominiert wurde und man froh sein durfte überhaupt eine Karte zu ergattern, fragt man sich natürlich woran das liegen könnte. Aber stellen wir diese Frage einmal zurück und konzentrieren uns auf das, was da am Ostermontag auf die moshende Menge losgelassen wurde.

EXHUMED
Nicht umsonst werden EXHUMED schon seit längerer Zeit als die legitimen Nachfolger von CARCASS gehandelt und betrachtet man einmal das aktuelle Album „Anatomy Is Destiny“ dann kann man dieser These auch nur zustimmen. Als ich irgendwann gegen 16.15Uhr nach langem Kampf durch den Stau auf überraschend überfüllten Autobahnen endlich im 013 ankam, waren die Gore Metaller schon fast am Ende ihres Sets angekommen, weshalb ich auch nur noch die letzten drei Songs beobachten konnte. Der Auftritt schien es aber bis dahin schon wirklich in sich gehabt zu haben, denn der Club war bereits sehr gut gefüllt und beinahe die gesamte Menge bangte oder streckte die Fäuste zu den flotten Grind-Klängen der Amerikaner Richtung Bühne. EXHUMED dankten es den Zuschauern mit Songs ihrer letzten drei Alben, bei denen besonders der Wechselgesang zwischen derben Grunts und extrem hohen Screams zu überzeugen wusste. Schade, dass ich davon nicht mehr sehen durfte, denn glaubt man den frenetischen Reaktionen der Fans, war diese Show der absolute Hammer.

VOMITORY

VOMITORY sind auch ständige Gäste auf den prall gefüllten Festival-Tourneen, sind aber dabei trotz immer stärker werdenden Platten selten über den Status eines Opening-Acts hinausgekommen. Warum wurde bei ihrem heutigen Auftritt auch ganz schnell deutlich: es mangelt einfach an Abwechslung. Fast im gleichbleibenden Tempo holzten sich die Schweden durch ihren halbstündigen Set und konnten zu Beginn auch die Leute in den ersten Reihen zum Kopfschütteln bewegen. Jedoch verlor das heftige Midtempo-Geballer nach drei bis vier Songs merklich an Wirkung. Lediglich der Titeltrack des neuen Albums „Primal Massacre“ stach positiv heraus, der Rest hingegen war zwar äußerst brutal, aber mangels Variation zum Ende hin recht langweilig. Auf ihren Scheiben killt das schwedische Quartett nach wie vor, live sollte man sich indes mal gedanken machen, wie man das ganze interessanter gestalten könnte.

CARPATHIAN FOREST

CARPATHIAN FOREST sorgten bereits vor der eigentlichen Show für Aufregung, da die `Motörhead des Black Metal´ nicht wie gewohnt mit Corpsepaint auf die Bretter stiegen, sondern sich stattdessen mit ihrem neuen Bandmerchandising (geschmackvolle Aufschriften: `Thank You For The Blow Job´ bzw. `Fuck You All´) kleideten. Lediglich Frontmann und Bandleader Nattefrost hatte sich dezent weiß angemalt und mit einigen Nietenarmbändern bestückt, hatte aber gleichzeitig auch schon dermaßen einen im Kahn, dass man bei den ersten beiden Nummern Sorge hatte, der Gute würde jeden Moment von der Bühne stürzen. Als einzige Black-Metal-Band im großen Saal des 013 hatten die Norweger es zunächst schwer die Menge auf ihre Seite zu ziehen, aber nach und nach konnte sich auch das niederländische Publikum für den rohen Sound von CARPATHIAN FOREST begeistern und spätestens bei `The Angel And The Sodomizer´ jubelte der Großteil der anwesenden Gäste Nattefrost und Co. zu. Weitere Schmuckstücke des Sets waren zweifellos `Morbid Fascination Of Death´ und `He`s Turning Blue´, die zusammen mit dem Bandklassiker `Black Shining Leather´ und der eigenen Hymne `Carpathian Forest´ eine sehr gute Show beschlossen. Da fiel selbst das alberne Gehampel mit einem umgedrehten Kreuz, welches der Sänger zwischendurch immer wieder praktizierte, nicht weiter ins Gewicht.

KATAKLYSM

Was nun folgte war eine der wohl überzeugendsten und stärksten Knüppel-Konzerte, an denen ich jemals teilhaben durfte. Einen derartigen Triumphzug, wie ihn KATAKLSYM in nur einer Dreiviertelstunde fabrizierten, hätte ich eher von den beiden Headlinern erwartet. Stattdessen ballerte das kanadische Holzfällerquartett den Zuschauern eine gnadenlos heftige Best-Of-Show um die Ohren, welche einmal mehr unter Beweis stellte, dass KATAKLSYM nicht nur zu den unterbewertetsten sondern auch zu den weltweit führendsten Death-Metal-Bands überhaupt gehören.
Direkt mit dem Opener `The Ambassador Of Pain´ zündeten die Jungs um Frontmann Maurizio ein Feuerwerk an Brutalität. Besonders auffällig hierbei der Schlagzeuger, der in stetiger Gelassenheit die krassesten Blastbeats aus seinem Kit zauberte. Als er dann auch noch zu einem alles wegblasenden Solo ausholte, war es um sämtliche anwesenden Nachwuchsdrummer geschehen – das war einfach nicht mehr von dieser Welt.
Bis dahin hatten KATAKLSYM mit Songs wie `Temple Of Knowledge´, `Serenity In Fire´ und `As I Slither´ die Halle schon in Schutt und Asche gelegt. Maurizio bangte wie ein Wildgewordener, schrie sich die Lunge aus dem Körper und feuerte die Menge immer wieder lautstark an. Diese fraß ihm schon nach kurzer Zeit aus der Hand und zeigte sich ebenso begeistert wie der vollkommen verblüffte Rezensent.
`Blood On The Swans´ und `For All Our Sins´ rundeten schließlich ein Set ab, das nur ein einziges Prädikat verdient: perfekt!

MYSTIC CIRCLE

Während im großen Saal PRO-PAIN in ihrer zweiten Heimat Holland die diesmal nicht so stark vertretenen Hardcore-Zuschauer befriedigten, machte ich mich für wenige Minuten in den kleinen Saal des 013 auf, wo MYSTIC CIRCLE vor einer knappen Hundertschaft mit Songs ihrer letzten Alben loslegten. Mit `Satanic Rituals´ landete man direkt zu Beginn einen echten Volltreffer bevor dann `The Whore Of Satan´ von der ersten LP das bis dahin sehr thrashlastige Set ein wenig variierte. Leider hatte ich nur knapp zwanzig Minuten Zeit für MYSTIC CIRCLE, aber was die Band in dieser Zeit ablieferte war wirklich überaus überzeugend und allemal besser als das, was uns die deutschen Black Metaller auf ihren letzten drei Platten vorgeworfen haben. Da tat es auch richtig weh den Saal vor der wahrscheinlichen Zugabe `Dragonslayer´ räumen zu müssen. Ein kurz angespieltes `Raining Blood´ konnte darüber wenigstens ein bisschen hinwegtrösten.

HYPOCRISY

Peter Tägtgren hatte ja schon im Vorfeld angekündigt, einige Songs zu spielen, die man nur selten oder gar noch nie live präsentiert hatte. Und der Mann hielt Wort und nach dem Intro der aktuellen Scheibe „The Arrival“ folgten mit `Adjusted The Sun´ und `Fusion Programmed Mind´ gleich zwei Songs, die man nie und nimmer erwartet hätte. Und das sollte noch nicht alles sein, denn mit `God Is A Lie´ und `Necronomicon´ folgten im weiteren Verlauf zusätzliche überraschende Kompositionen, die Tägtgren und Co. schon lange nicht mehr im Gepäck hatten.
Dazwischen gab es mit `Eraser´ und `Slave To The Parasites´ auch neues Material, doch die Grundausrichtung an diesem Abend lautete ganz klar alte Schule. Vergessen die Zeiten, in denen HYPOCRISY mit modernen Sounds herumexperimentierten wie noch bei „Catch 22“ – hier regierte das ultimative Brett, das lediglich durch die eingängigen Hymne `Fire In The Sky´ und den Klassiker `Roswell 47´, das heute unter dem Titel `Tilburg 47´ firmierte, unterbrochen wurde.
Wenn ich richtig gezählt habe, war das heute meine 9. HYPOCRISY-Show und selten zuvor habe ich die Band in solch bestechender Form wie heute gesehen. Tägtgren grunzte wie in vergangenen Tagen, seine beiden Nebenmänner bangten während der ganzen Show in synchronem Takt und Schlagzeuger Horgh machte sogar das Urgestein Lars Szöke vergessen.
Als man nach einer knappen Stunde unter lautem Beifall mit `Deathrow (No Regrets)´ die Bühne für den zweiten Headliner räumte, sich von kurzen Soundschwierigkeiten nicht hat unterkriegen lassen und auch heute wieder einige frische Impulse in die eigene Show integrieren konnte, hatten die Schweden genau das geschafft, worauf ich vorher keinen Cent gewettet hätte, nämlich die vor ihnen auftrumpfenden KATAKLSYM nochmal zu übertreffen. Und das, obwohl ein Song wie `Fractured Millenium´ schmerzlich vermisst wurde.

Setlist:
Born Dead Buried Alive
Fusion Programmed Mind
Adjusted The Sun
Eraser
Turn The Page
Fire In The Sky
Necronomicon
Slaves To The Parasites
Reborn
Roswell 47
God Is A Lie
Deathrow (No Regrets)

CANNIBAL CORPSE

CANNIBAL CORPSE betraten zum Missmut vieler Anwesenden die Bühne mit ganze zwanzig Minuten Verspätung, brauchten aber nur ca. 15 Sekunden, um die etwas genervten Fans mit dem Opener `Severed Head Stoning´ vom neuen Album „The Wretched Spawn“ wieder zu beruhigen. War ich sonst immer von dem faszinierend brutalen Gefrickel der Instrumentalfraktion beeindruckt, war es heute George „Corpsegrinder“ Fisher, der sämtliche Augen auf sich zog. So heftig wie dieser Stiernacken seine Matte wie ein Propeller bewegte, nur um eine halbe Hundertstelsekunde wieder mit seinen brutalen Grunts einzusetzen, bekommt das unter Garantie kein zweiter hin. Jedem anderen Menschen wäre wahrscheinlich sofort der Kopf abgefallen...
Während Fisher der unumstrittene Aktivposten war, agierten Alex Webster und Pat O`Brien etwas weiter im Hintergrund, bangten aber ebenfalls um ihr Leben, während Lead-Gitarrist Jack Owen in stoischer Ruhe an der anderen Bühnenseite stand und sich die furiosesten Leads aus dem Ärmel schüttelte.
Als Fisher dann nach kurzer Zeit schon mit der Ansage „This one goes out to all the fucking women out there“ startete und `Fucked With A Knife´ ankündigte, fühlten sich die zahlreichen CANNIBAL CORPSE-Shirt-Träger bereits im Paradies und als man dann auch noch das Highlight der aktuellen CD `Dececy Defied´ anspielte, war es auch um den letzten Banger im Publikum geschehen.
Der Rest des Sets war wie gewohnt ein bunter Querschnitt der bisherigen Alben, wobei vor allem das schleppende `Gallery Of Suicide´, `Unleashing The Bloodthirsty´ sowie `Stripped, Raped & Strangled´ Punkte sammeln konnten.
`Pit Of Zombies´und `Staring Through The Eyes Of The Dead´ läuteten dann schon das Finale ein, das dann mit `Devoured By Vermin´ beschlossen wurde. Aber halt, da war doch noch etwas, wir sind doch schließlich im europäischen Ausland. Folgerichtig knüppelten die Kannibalen also noch eine extrem heftige Variante von `Hammer Smashed Face´ in die Audienz, die das sich langsam lichtende und teilweise schwer erschöpfte Publikum in die Nacht entließ.
Wie auch ihre beiden Vorgänger KATAKLYSM und HYPOCRISY waren CANNIBAL CORPSE an diesem Abend eine Macht, welche ihre Vormachtstellung in diesem Genre nur weiter bestätigte. Mit einem so starken, vollkommen brutal agierenden Frontmann und vier technisch dermaßen versierten Musikern wird sich daran aber bis zum Bandsplit wahrscheinlich auch nichts ändern...

Fazit: 7 Stunden Death Metal mit einzelnen schwarzen Ausflügen, da wurde die Birne heftig durchgeschüttelt, der Körper durch die Gegend geschleudert und die Ohren lautstark malträtiert. Aber trotzdem sollten sich die Veranstalter mal überlegen, das Billing demnächst um ein oder zwei Bands zu kürzen, denn über diese Distanz können lediglich Extremsportler wirklich alles geben. Sieht man davon mal ab, war auch die diesjährige Ausgabe der No Mercy Festivals eine verdammt starke Angelegenheit, die für einige Bands zu einem echten Triumphzug wurde. Aus diesem Grunde werden wir uns auch in einem Jahr an gleicher Stelle wiedersehen – versprochen!

Redakteur:
Björn Backes

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