Nuclear Blast Festival - Leipzig

29.10.2000 | 04:42

16.09.2000, Hellraiser

Was für ein Mörder-Package! Ein absolutes Muß für jeden Metaller! Und was für einen ständig vor dem finanziellen Ruin stehenden Langhaardackel nicht ganz unerheblich ist, ist der Preis. Und diese fünf Bands, von denen außer KATAKLYSM wohl jede imstande wäre, eine Headliner-Tour durchzuziehen, gab\'s für nur 33 Märker. Respekt! Eine sehr fanfreundliche Sache unter dem Banner \"Nuclear Blast Festival\", wie man sie heutzutage bei weitem nicht mehr überall geboten bekommt.
Als ich so gegen acht Uhr im Hellraiser eintraf, war der Opener KATAKLYSM bereits fleißig zu Gange. Wie ich allerdings später zu meinem Leidwesen feststellen mußte, hatten in Wirklichkeit RAISE HELL eröffnet, die, als ich meinen Arsch endlich herbewegt hatte, sicherlich schon auf oder unter ihren Groupies lagen (je nachdem, wie anstrengend ihr Auftritt war). Ich geb\'s ja zu: Bei fünf Bands hätte man sich den frühen Beginn eigentlich auch denken können. Asche auf mein Haupt!
Auf jeden Fall waren KATAKLYSM eifrig am Ackern und konnten einen guten Eindruck im sich langsam füllenden Hellraiser hinterlassen (ich war offenbar nicht der Einzige, der eine spätere Anstosszeit erwartet hatte). Mit dem neuen Album \"The Prophecy\" im Gepäck präsentierte man sich auf der verhältnismäßig kleinen Bühne angenehm beweglich und konnte mit den ziemlich knackigen Songs schon mal auf das zu erwartende Inferno einstimmen.
Und so folgte bereits kurz darauf mein persönliches Highlight - HYPOCRISY. Peter Tägtgren und seine Mannen haben ja mit \"Into The Abyss\" einen absoluten Volltreffer gelandet und so war es auch nicht verwunderlich, daß die neuen Stücke (\"Legions Descend\", \"Fire In The Sky\", \"Deathrow - No Regrets\") am meisten abgefeiert wurden. Aber die Mischung stimmte, auch die älteren Stücke wie z.B. \"Pleasure Of Molestation\" von \"Osculum Obscenum\" traten mächtig Arsch. Die zahlreich vertretenen HYPOCRISY-Jünger gingen jedenfalls mächtig ab. Mit der schlechten Luft im hinteren Teil der Bühne hatte offensichtlich Drummer Lars Szöke zu kämpfen, der sich von seinem Roadie mehrfach mit einem Handtuch Luft zufächern ließ, aber nichts desto trotz schnaufte wie ein Walross. Seinen Drum-Künsten tat das freilich keinen Abbruch und da sich auch Peter heute gut in Form zeigte und seine Vocals einmal mehr alles wegbliesen (jeder aus dem Publikum, der versuchte, es ihm ansatzweise gleichzutun und mitzubrüllen, mußte bald die Sinnlosigkeit seines Vorhabens einsehen), waren die Schweden die (un-)heimlichen Gewinner des Abends. Nur auf dem Wacken Open Air hatten sie mir noch einen Tick besser gefallen. Schließlich spielte man sogar noch eine kurze Zugabe, aber trotzdem blieb unterm Strich nur eine knappe dreiviertel Stunde Spielzeit - einziger Minuspunkt eines guten Auftritts.
In der anschließenden Pause wurde dann bewiesen, daß wir Sachsen doch ein eigenen Völkchen sind, als einige, noch im Taumel des eben beendeten Auftritts, versuchten, \"HYPOCRISY\" in die Landessprache zu übernehmen. Man kam schließlich tatsächlich auf einen Nenner, nämlich: HÜBOGREISIIIIIII !!!!!!
Danach gab es ein Bilderbuchbeispiel dafür, daß man Schrankwand Schmier von DESTRUCTION nicht in Rage bringen sollte. Geschafft hat dies der Tontechniker, der heute nicht seinen besten Tag hatte (auch bei HYPOCRISY hatte schon manches etwas merkwürdig geklungen...). Bereits beim Auftakt \"The Butcher Strikes Back\" gab Schmier permanent Handzeichen nach draußen. Irgendwann reichte es ihm dann und es mußte schon befürchtet werden, daß er dem Mann an die Gurgel gehen würde, was er aber dann doch bleiben ließ. O-Töne Schmier: \"Entschuldigt bitte, aber unser Tontechniker ist gerade eingeschlafen.\", \"Wir lassen uns nicht davon die Stimmung vermiesen, daß er eine Flasche ist.\", \"Warscheinlich hat er zu lange nicht mehr gefickt.\", \"Am liebsten würde ich dir den Kopf abreißen.\" u.ä. Statements gab der Fronter von sich. Schließlich bombardierte er den indisponierten Mann auch noch mit einer Rolle Panzertape und schickte eines der Mikros mit einem Karatekick in die ewigen Jagdgründe. Schmier war auf 180. Auch wenn der Sound wirklich mies war, kam das der Show durchaus zu Gute. Der DESTRUCTION-Sänger gab heute wirklich alles und beackerte die Bühne sowie seinen Bass dermaßen, daß er dadurch seinen, eh nicht sonderlich aktiven, Gitarristen wie eine Schaufensterpuppe aussehen ließ.
Überraschenderweise waren es die richtig alten Songs, die am besten ankamen. Und so orientierte sich auch die Setlist daran - \"Curse The Gods\", \"Life Without Sense\", Bestial Invasion\", \"Eternal Ban\", \"Mad Butcher\" und wie sie alle heißen, wurden zum Besten gegeben und weniger Wert auf die \"All Hell Breaks Loose\"-Songs gelegt. Den Abschluß machte \"Total Desaster\", wo sich auch Peter Tägtgren nochmal hervorlocken ließ und sich mit Schmier ein herrliches Brüllduett oder -duell lieferte (ganz nach Sichtweise).
Dem Sound-Mann schien die ganze Sache dann doch etwas unangenehm zu sein und so versuchte er sich nützlich zu machen und half emsig beim Umbau. Als er sich dann allerdings wieder seiner eigentlichen Aufgabe zuwand, dauerte es eine geschlagene Viertelstunde, bis die Mikros richtig eingestellt waren. Keine Ahnung, was mit dem Mann heute los war.
An CREMATORY scheiden sich die Geister, das war heute ganz deutlich zu merken. Während eine Handvoll Maniacs regelrecht ausrasteten, gab es auch einige, die ihren Unmut über die Band lautstark zum Ausdruck bringen mußten. Ich weiß nicht, ob es so klug war, CREMATORY an Nummer eins zu setzen, da HYPOCRISY und DESTRUCTION weit mehr abräumten, was ja auch irgendwie zu erwarten war. Der CREMATORY-Fronter nahm es allerdings mit Humor, obwohl seine Ansagen - \"Wir sind doch auch ziemlich hart.\" oder \"Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja noch ein bißchen mitmachen\" - mit der Zeit doch etwas nervten. Vom brandneuen Album \"Believe\" wurden u.a. \"The Fallen\", \"Take\" und \"Time For Tears\" gespielt, letzteres ist der von vielen Fans geforderte \"Tears Of Time\"-Nachfolger (cooler Name!), aber auch ältere Stücke wie \"Fly\" oder \"I Never Die\" kamen nicht zu kurz. Die besten Reaktionen ernteten CREMATORY erwartungsgemäß mit ihrem letzten Song, der natürlich \"Tears Of Time\" hieß.
Damit ging das sehr unterhaltsame Nuclear Blast-Festival zu Ende. Bis auf die Tatsache, daß ich das Kunststück fertiggebracht hab, RAISE HELL im Hellraiser (!) zu verpassen, war es ein Abend, der wirklich alles geboten hat und ich konnte erschöpft aber glücklich den Heimweg antreten.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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