PARADISE LOST - Frankfurt

24.02.2010 | 19:11

21.02.2010, Batschkapp

Dunkel und elektronisch - das sehr passende Duo PARADISE LOST/SAMAEL ist aktuell auf Tour und lädt Metaller, Goten und auch einige Pop-Rock-Fans ein.

Ein wenig nostalgisch werde ich schon, als ich die gut gefüllte Batschkapp betrete. Denn ich habe PARADISE LOST letztmalig auf der Tour im Vorprogramm von SEPULTURA gesehen, irgendwann Anfang der Neunziger, ich glaube, man betourte gerade "Icon". Ein Blick umher enthüllt, dass das Publikum weniger metallisch als erwartet und wenig gotisch ist. Stattdessen tummeln sich zahlreiche ältere Jahrgänge im Publikum, und der weibliche Anteil ist auch relativ hoch.

Ein ziemlich "normales" Publikum also, auf das zu Beginn erstmal die Schweizer SAMAEL losgelassen werden, die anfangs ein mit dem Bandnamen verziertes Testbild als Backdrop zeigen. Die Schweizer ernten erste verwunderte Blicke, als niemand hinter dem Drumkit Platz nimmt. Stattdessen kommen die meisten Percussions vom Band, nur gelegentlich greift Alexandre Locher zu Schlagzeugstöcken und gibt organische Rhythmen vor.

Aber gleich mit dem Opener 'Rain' kommt Leben in die Bude. Frontmann Michael Locher grunzt und röhrt ins Mikro, wie es die durchaus zahlreich vertretenen SAMAEL-Fans gewohnt sind. Der Rest des Publikums allerdings nicht, so dass vorerst der Applaus etwas verhalten bleibt. Die eingängigen Keyboardmelodien tauen aber auch die hinteren Ränge nach und nach auf.

Leider bleibt 'Rain' das einzige Stück von meinem persönlichen Lieblingsalbum der Band, dabei hätte ich gerne noch 'Dying Kingdom' gehört. Aber da SAMAEL mittlerweile auf eine stattliche Diskographie von neun Alben zurückblicken können, spielen sie einen tollen Querschnitt ihres Schaffens und graben mit 'Into The Pentagram' sogar einen ganz alten Klassiker und mit 'Ceremony Of Opposites' ebenfalls ein Frühwerk aus. Diese Songs sind deutlich düsterer als die verhältnismäßig eingängigen Stücke der neueren Alben, werden aber vom Publikum gegen Ende des Sets mit großem Beifall bedacht.

Ziemlich passend sind dazu die Videoeinblendungen hinter der Band, auch wenn ich glaube, dass sie Sänger Michael ziemlich nerven. Denn der Beamer ist so eingestellt, dass die obere Kopfpartie einschließlich seiner Augen noch im Bild ist. Sollte er davon geblendet werden, lässt er es sich nicht anmerken.

Eine besondere Show gibt es nicht; die beiden Saitenhexer rocken an den beiden Bühnenrändern lediglich kräftig ab. Nach vierzig Minuten ist Schluss, und SAMAEL haben einen guten Eindruck hinterlassen, auch wenn sich das, wie es scheint, nicht in CD-Verkäufen niedergeschlägt. Ich sehe jedenfalls keinen allzu großen Andrang am Merchandise-Stand.

Nach einer halben Stunde Umbaupause geht es pünktlich los mit PARADISE LOST. Ich bin gespannt, was mich erwartet, denn das aktuelle Album "Faith Divides Us, Death Unites Us" geht deutlich wieder in die Richtung der erfolgreichen "Shades Of God"-Zeit. Vorbei scheinen die Ausflüge in den elektronischen Mainstream, obwohl diese kommerziell am erfolgreichsten waren und die Band ihre höchsten Charterfolge für das Album "One Second" einfahren konnte. So beginnen die Briten dann unter großem Applaus auch mit einem neuen Stück vom aktuellen Album, nämlich mit 'Rise Of Denial'.

Nick Holmes ist gut bei Stimme und beweist dies bei dem folgenden 'Pity The Sadness', wobei er weicher klingt als früher und den alten Sound dem neuen Musikgewand der Band anpasst. Trotzdem macht der Song einiges her und reiht sich ohne Schwierigkeiten in den Reigen der folgenden knapp achzig Minuten ein, den PARADISE LOST ihren Fans bieten.

Vor der Bühne ist die Stimmung ausgezeichnet, aber insgesamt scheint das Publikum doch merkwürdig reserviert, eher still genießend denn exaltiert. Zwar wippen einige im Takt, aber sonst gleicht das Publikum in weiten Teilen des Saals dem einen Kinos. Man sitzt und steht da und lässt sich unterhalten.

Die ersten Anfälle von größerer Euphorie erntet 'As I Die', das ich eigentlich als Zugabe erwartet habe. Aber es ist sicherlich ganz gut, die Stücke der letzten Alben mit etwas Historischem aufzulockern. Auch hier ist Nicks Stimme der Unterschied zu früheren Zeiten deutlich anzumerken. Er ist mit Sicherheit ein besserer Sänger geworden, geht aber zum Leidwesen der Altfans weniger extrem zu Werke. Mir persönlich ist das ganz recht, denn ich meine, dass dieser Song es verdient hat, die großartige Melodie noch weiter in den Vordergrund gearbeitet zu bekommen, also genau so, wie PARADISE LOST es heute Abend machen.

Mehr zu schaffen machen mir meine Fotos, denn da es in der Batschkapp keinen Graben gibt, muss ich versuchen, ein paar gute Bilder aus der Entfernung zu schießen. Aber der Lichtmensch scheint das verhindern zu wollen. Entweder stehen die Herren in gleißendem Licht starker weißer Strahler, oder eine rötliche Dunkelheit überzieht die Bühne. Später von weiter hinten sehen die hellen Spots recht gut aus, auch wenn die Lichtshow inklusive der psychedelischen Backdropvideos keine besonderen Akzente setzen kann. Allerdings kann die Bewegung auf der Bühne ebenfalls nicht als eine echte Show bezeichnet werden. Passt sich die Band dem Publikum an, oder ist es umgekehrt? Jedenfalls gerät das Konzert bis auf den Augenblick, in dem die Band 'Eternal' vom "Gothic"-Album anstimmt und einige Altfans Freudentränen in den Augen haben, zu einer relativ eintönigen Angelegenheit.

Erst kurz vor Schluss, als PARADISE LOST mit dem Song 'One Second' einen ihrer eingängigsten Tracks rausholen, kommt so etwas wie Stimmung auf. Aha, daher weht der Wind, das Publikum heute Abend ist eher dem Mainstream zuzuordnen.

Dass die Band nichts von ihrem unmetallischsten Album "Host" spielt, dürfte einigen möglicherweise negativ auffallen. Mir allerdings nicht. Die alte und wieder aktuelle Ausrichtung gefällt mir deutlich besser als die DEPECHE MODE-Phase der Engländer.

Nach einer kurzen Pause, in der der Beifall auch deutlich weniger enthusiastisch ausfällt, als man es gewohnt ist, kommen die Fünf noch einmal auf die Bühne und spielen drei weitere Songs, darunter der Titelsong des aktuellen Albums, der der vierte Track von "Faith Divides Us, Death Unites Us" heute Abend ist. Doch einige bekommen das nicht mehr mit, denn der Saal hat sich weiter hinten doch schon merklich geleert. Dass wohl auch der letzte Bus in Kürze fahren wird, hilft natürlich auch nicht. Schade, denn mit 'The Last Time' und 'Say Just Words' kommen noch zwei echte Hits, die ganz auf der Wellenlänge des Publikums liegen.

Insgesamt boten PARADISE LOST eine ordentliche und routinierte Vorstellung, aber die Chemie zwischen Publikum und Band war einfach nicht gut - oder besser: Sie war nicht vorhanden. An welcher Seite das lag, vermag ich nicht zu sagen, aber mehr als die Note befriedigend springt auf keinen Fall für den Abend heraus. Wobei ich ausdrücklich sagen muss, dass PARADISE LOST musikalisch gut waren, auch wenn sie leider nichts von "Icon" gespielt haben, was ich sehr schade finde. Ein richtiges Konzertfeeling wollte einfach nicht aufkommen.

Setlist:
The Rise Of Denial (Faith Divides Us, Death Unites Us)
Pity The Sadness (Shades Of God)
Erased (Symbol Of Life)
I Remain (Faith Divides Us, Death Unites Us)
As I Die (Shades Of God)
The Enemy (In Requiem)
Eternal (Gothic)
First Light (Faith Divides Us, Death Unites Us)
Enchantment (Draconian Times)
Frailty (Faith Divides Us, Death Unites Us)
No Celebration (Symbol Of Life)
One Second (One Second)
Requiem (In Requiem)
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Faith Divides Us, Death Unites Us (Faith Divides Us, Death Unites Us)
The Last Time (Draconian Times)
Say Just Words  (One Second)

Redakteur:
Frank Jaeger
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