PARADISE LOST / SAMAEL - Leipzig

15.11.2009 | 14:13

12.11.2009, Conne Island

Die britische Todeswalze überrollt Leipzig. Die Dunkelheit erhebt sich und sorgt für klingelnde Ohren.

Ein Triumvirat des Schreckens hat sich an diesem (wie war denn das Wetter?) Donnerstagabend in Leipzig angemeldet. Früher füllten PARADISE LOST große Hallen – heute geht es in das kultige, aber nicht immer gemütliche Conne Island. Mit ihrem aktuellen Werk "Faith Divides Us – Death Unites Us" konnten sie viele alte Fans überzeugen, was man auch am Altersdurchschnitt festmachen kann. Kaum junge Hüpfer – eher old school!

Den Anfang machen die Finnen von GHOST BRIGADE, die mit ihrem zweiten Album "Isolation Songs" zumindest bei den Kritikern mächtig abräumen konnten. Daher besteht auch der Großteil des halbstündigen Sets aus aktuellen Tracks, die wie schon auf der Scheibe, zum Träumen einladen. Leider ist die Band ein wenig erkältet und fürchtete schon, sich die böse Schweinegrippe (man traut sich ja gar nicht, das Wort zu tippen) eingefangen zu haben. So schlimm war es dann zum Glück doch nicht. Sänger Manne Ikonen (was für ein Name?!?) zischt einfach ein Bier und schon sieht die Welt wieder besser aus. So richtig kicken wollen die schwermütigen Songs beim Leipziger Publikum allerdings noch nicht. Zwar ist der Applaus für eine Support-Band außergewöhnlich, dennoch stagniert der Bewegungsradius des durchschnittlichen Konzertbesuchers bei 0. So kann man den Finnen eine überzeugende musikalische Leistung attestieren, die jedoch als Support etwas unpassend scheint, weil ein Opener eben die Stimmung nach oben treiben soll und nicht die Menschen in die Depression reißen. Trotz allem – Daumen hoch!

Nach einer kurzen Umbaupause mit Wurst und Bier geht es auch sofort weiter mit den Hochkarätern. Die Schweizer Krachspezialisten von SAMAEL haben mit ihrem aktuellen Album "Above" allen Kritikern auf die harte Tour das Maul gestopft, die meinten, dass die Soundtüftler jegliche Brutalität bei Käse und Schoki verzockt hätten. Auch das Leipziger Publikum hat sich nun geschlossen in den Innenraum begeben, um endlich richtig abzuhotten. Doch das tun leider nur die wenigsten – an der Musik kann es nicht liegen, denn SAMAEL erwischen mit 'Rain' einen perfekten Start. Die Videoleinwand präsentiert schizophrene Bilder, während Vorph und Kumpanen sich die Arme aus dem Leib spielen.  Xy hüpft wie immer an seinen Keyboards herum, nimmt aber auch dann und wann mal die Schlagstöcke in die Hand und drischt auf die Felle. Das ist der Vorteil bei einer kleinen Bühne: Dass man gerade Xy’s Arbeit endlich mal aus der Nähe beobachten kann. Man ist erstaunt, wie wenig Schlagzeug dann doch aus der Konserve kommt. Mit 'Solar Soul' und 'Reign Of Light' plautzen die Schweizer die Titeltracks der letzten beiden Alben aus den Boxen. Müsste ich nicht fotografieren, würde ich jetzt die Location auseinander nehmen. Der Sound ist gewaltig, mein Bewegungsdrang auch. Und während Oma Gerta noch nebenan im Kaufland Wurst und Wirsing kauft (es ist vor 22 Uhr) zerlegen SAMAEL mal eben das Conne Island. Immer fest druff! "Coming From Above – 'Black Hole'" – und ab dafür. Die Schweizer präsentieren einen wunderbaren Mix aus alten Krachern und neuen Hits, wie das frenetisch gefeierte (und auf Deutsch angesagte) 'Into The Pentagram' vom Debütalbum "Worship Him". Nach 50 Minuten und einem begeisterten Powermetal.de-Redakteur ist leider Feierabend. Ob die Stimmung heut noch einmal so gut wird?

Nach einer weiteren Pause ist es dann Zeit für den Headliner. Tja, was soll man über PARADISE LOST eigentlich sagen? Pioniere, Tüftler, Auf-Hosenboden-Faller, Rückenschwimmer und nun wieder Himmelsstürmer? Mit "Faith Divides Us – Death Unites Us" setzt man wieder auf die alten Tugenden und schon kehrt das Glitzern in die Augen und Ohren der alten Fans zurück. Künstlerisch armselig? Mag sein, aber Musik hat auch ein wenig mit Business zu tun. Daher könnten PARADISE LOST nach Jahren der Ernüchterung mal wieder auf das richtige Pferd gesetzt haben. Leider wurde bereits im Vorfeld verkündet, dass Greg Mackintosh aufgrund einer schweren Erkrankung seines Vaters in England geblieben ist. Wünschen wir das Beste. Seinen Posten nimmt der langjährige PARADISE LOST-Roadie Milly Evans ein, der im Laufe des Konzertes seine Sache wirklich exzellent gemacht hat. Mit seiner Jugend sorgt er zusätzlich für eine optische Auflockerung, denn wie üblich beschränkt sich die Unterhaltung bei den Briten auf die musikalische Darbietung. Nick Holmes ist nicht der Entertainer vor dem Herrn und versucht es heute auch gar nicht. Dafür gibt es einen wunderbaren Querschnitt der Diskografie, welcher selbst die treusten Fans überraschen sollte. So kommen neben neuen Tracks wie dem Opener 'The Rise Of Denial' auch 'I Remain', 'First Light', 'Frailty' und der Titelsong auf den Tisch. Ich weiß nicht, ob es so was in den letzten Jahren gab – aber die Fans haben sich echt die Lunge aus dem Leib gebrüllt für die neuen Songs. Hammer! Aber auch Kracher wie 'As I Die' (den Nick als totgespielt empfindet) oder 'Pity The Sadness'  von "Shades Of God" bringen den Pogo in Wallung. Haare kreisen und es ist wirklich das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, dass ich bei einem Konzert von PARADISE LOST im Sekundentakt die Haarpeitschen im Gesicht zu spüren bekomme. "Draconian Times" wird natürlich auch nicht unter den Tisch gekehrt und erlebt mit 'Enchantment', 'The Last Time' und dem göttlichen 'Forever Failure' die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Aber eins muss ich erwähnen – was war denn bitte bei 'One Secon' los? Schrecklicher die Töne nie klangen. Das war gruselig! Eigentlich hätten sie den Song am Ende noch einmal zocken müssen. Das taten sie aber nicht und so wurde nach 90 Minuten und dem obligatorischen 'Say Just Words' ein wunderbarer Konzertabend abgeschlossen. Leute – geht hin! Dieses Dreierpackage ist ein Leckerli für Jedermann und sollte nicht ignoriert werden. Gute Nacht und Prost!

Setlist: PARADISE LOST
01.    The Rise Of Denial
02.    Pity The Sadness
03.    Erased
04.    I Remain
05.    As I Die
06.    The Enemy
07.    First Light
08.    Enchantment
09.    Frailty
10.    One Second
11.    Forever Failure
12.    Requiem
- - -
13.    Faith Divide Us
14.    The Last Time
15.    Say Just Words

Redakteur:
Enrico Ahlig

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