Party.San Open Air - Bad Berka

01.09.2006 | 14:50

10.08.2000, Festivalgelände

...14 Uhr. Hat das lang gedauert. Zum Glück sind ja die Nächte im Zelt lang. Da schläft es sich sowieso länger und die Zeit ist überbrückt. Gestärkt und mit einem Accessoire vom "Brutz&Brakel"-Stand in der Hand geht es auf die noch recht spärlich bestandene, noch recht frisch wirkende Wiese vor der Bühne. Das wird sich bald ändern, haha. Nur bei KILLING SPREE, da können die Grashalme noch ein wenig vom Leben träumen - auch während des Gigs interessieren sich nicht allzu viele Fans für den Death-Metal-Sound der Cottbuser. Sie klingen aber auch ein wenig behäbig mit ihren mittelschnellen Stücken, die mit Keyboard-Unterstützung und recht stimmungsvollen Melodien serviert werden. Doch das machen auch geschätzte 5432 andere Bands auf diesem Planeten so. Zumindest reihen sich KILLING SPREE aber in die vordere Qualitätshälfte ein - und bieten die perfekte Unterhaltungsmusik für einen ausgedehnten Shopping-Spaziergang. Denn Merch muss sein. Und am Ende landet man doch wieder bei "Brutz&Brakel"...

Von dort aus gibt es eine Anti-Premiere zu erleben: Denn ihren allerletzten (!) Gig auf Erden spielen die 1998 gegründeten KAAMOS. Um die Jungs aus Schweden - die ihren Gig in Bad Berka im vergangenen Jahr aus familiären Gründen absagen mussten - ist es schade: Denn ihr oldschooliger Death Metal ist definitiv mosh- und partykompatibel, seine Stärken liegen in der geschickten Mischung aus doomigen Bangerparts und richtig schnellem Gerumpel. Und nun ist auch das Gras platt: Viele Besucher sind gekommen, um den alten Helden für ihre beiden Alben "Kaamos" und "Lucifer Rising" zu danken. Und die Fans wollen mehr, auch als die Band schon die Bühne verlässt, mit steinernen Blicken und eisigen Mienen. Ein erhebender Moment, irgendwie traurig, aber auch mutig in der so konsequenten und ernsten Art, sein künstlerisches Schaffen zu beenden. Ein feiner und besonderer Gig für den Nachmittag. Doch es warten noch mehr Highlights. Ein Band bereitet sich dabei auf ganz spezielle Art gründlich auf ihr Konzert vor: Der Sänger von DESTROYER 666 liegt während des KAAMOS-Auftritts backstage im Bierzelt und nüchtert auf einer Bank aus. Noch haben die Australier zum Glück ein wenig Zeit, bis sie auf die Party.San-Bühne müssen...

...denn zunächst sind erst einmal die niederländischen Abrissbirnen von SEVERE TORTURE dran. Wie immer schroten sie kompromisslos ihren auf Florida gestylten Death Metal ins Volk vor der Bühne. Selbst alte Smasher wie 'Baptized In Virginal Liquid' finden sich im blutgefüllten Programm, dessen Zeremonienmeister der wild grunzende Frontmann Dennis ist. Jaja, Dennis, the Menace. Ansonsten lassen sich die Breaks und Riffs typischerweise kaum zählen, die Holländer reichen durchaus an ihre amerikanische Baller-Konkurrenz heran. Brutal wie ein Stahleimer voller Tulpen in die Fresse, wie ein Fachmann für Sprachklischees sagen würde. Die Fans zumindest mögen den Sound. Nur für die Black-Metal-Fanaten wird es langsam eng. Denn noch eine Band mit ziemlich deftigen Death-Metal-Anteilen steht in den Startlöchern hinter der Bühne. Feuer frei!
[Henri Kramer]

Als Ersatz für DEW-SCENTED, die mit Line-Up-Probleme kämpfen, spielen kurzfristig FALL OF SERENITY aus Thüringen. Die Resonanz hält sich leider doch etwas in Grenzen, sprich bis auf die ersten drei, vier Reihen ist eher entspanntes Zugucken denn Ausrasten angesagt. Schade eigentlich, denn die Mischung aus melodischen Death Metal mit leichten (Achtung, Unwort!) Metalcore-Anleihen wird kompetent und mit viel Spielfreude dargeboten. Die Haare fliegen, Bewegung ist ebenfalls vorhanden und der Sound stimmt auch. Dazu kommt die Tatsache, dass mal der Basser und mal der Sänger die Vocals übernehmen: Abwechslung ist also garantiert. Und ganz allgemein: FALL OF SERENITY geben gut Gas. Kein Melo-Death von der Stange, sondern hier wird Arsch getreten. Songs wie 'Royal Killing' oder 'A Piece Of You' sind jedenfalls ziemlich gut und werden von den wenigen Fans auch wohlwollend aufgenommen. Insofern trotz der widrigen Umstände und der wenigen Anwesenden ein rundum gelungener Auftritt.
[Herbert Chwalek]

Naja. FALL OF SERENITY sind schon ein wenig zuviel des Guten: Nach den obligatorischen Jublern zum Abschluss des Gigs kommt nach dreieinhalbmaligem Todesblei-Genuss endlich ein Stilwechsel: Es ist Zeit, die Wölfe loszulassen. 'Unchain The Wolves'! DESTROYER 666 treten an, um VENOM, dem Teufel und seinem gemachten Schnaps ihre Ehre zu erweisen - und der ein paar Stunden vorher noch völlig breite Sänger wirkt fast wieder nüchtern. Nur sein Grinsen verrät ihn.
[Henri Kramer]

In Lederklamotten und Spikes erscheinen die "blackened" Death-Thrashigen Aussies auf der Bühne. Wohl ein Geheimtipp für Fans, kann sich trotzdem nicht jedes Gemüt mit der passiven Bühnenshow der Jungs von Down Under anfreunden. Und so zeigt sich auch das Publikum eher verhalten - steif lauschend die Ohren gespitzt mit dem Mund dem Bierglas angepasst. Obwohl der Sound von DESTROYER 666 einen guten Gesamteindruck hinterlässt, scheint die Lead-Gitarre manchmal etwas unterzugehen, was die ersten Reihen aber doch nicht daran hindert, noch etwas in Bewegung zu kommen. Als dann aber kleinere technische Probleme auftreten und eine pinke Gitarre hervorgekramt wird, muss man mal ausgiebig die Nase rümpfen, denn die Farbe passt zum Lederkluft-Spike-Anblick wie ein Metallrohr in Pinocchios Arsch. Nach nur einem Song wird dann auch schnell wieder zur schwarz-düsteren Klampfe gewechselt und Frontmann Warslut nimmt einen tiefen Schluck aus der mittlerweile halbleeren Whiskeyflasche. Mit dem VENOM-Cover 'Live Like An Angel, Die Like A Devil' verabschiedet sich die Band nach einem etwas verhaltenen Gig von ihren Fans.
[Silvana Conrad/Marko Seppä]

Die Jungs von TURISAS würden da wohl eher auch die Variante "Live like a devil" bevorzugen. Mit wildem Getose betreten sie als nächstes die Bühne. Die Fans begrüßen ihre mit Blut und Dreck verschmierten finnischen Helden. Die V-Pose (V für Victory) darf da nicht fehlen und so präsentiert sich auch deren Sänger Mathias: kraftvoll und anmutig trotz des Erscheinungsbilds. Doch die Metalgirls in den ersten Reihen scheint das nicht zu stören - im Gegenteil, die Jungs mit ihren langen blonden Haaren und zumeist blauen Augen kommen einfach gut an. Nur Geigenspieler Olli sowie der dunkelhaarige Akkordeonspieler Janne stechen optisch heraus, mit kleinen Tänzchen. Frauenliebling Janne gibt dabei auch gerne einmal eine kleine Extraeinlage mit seinem Akkordeon - doch manch eine wird darauf wohl kaum geachtet haben, immerhin ist es manchmal doch interessanter was Mann doch so unter seinem Röckchen trägt. Dass TURISAS wissen, wie sie ihr Publikum anheizen können, ist klar, schließlich ist es nicht ihr erster Gig. Da ist es auch völlig in Ordnung, wenn nach Liedern, die meist Finnland und Schlachten zum Thema haben, auch spontan eine Coverversion von 'Lambada' zu hören ist. Ganz recht, DER Lambada-Song! Sexy eben, so wie die Optik der Jungs.
[Franziska Böhl]

Nach dem Battle-TURISAS-Metal und ordentlich finnischem Melodie-Budenzauber samt ansprechender Härte ist es Zeit für eine schwedische Institution, ihre abgewetzten Nieten auf Hochglanz zu polieren. Hoch die Tassen auf die wohl coolsten Halbglatzenträger des gesamten Festivals. So viele Nieten waren noch nie...
[Henri Kramer]

NIFELHEIM live! Das ist ungefähr so häufig wie ein Papstbesuch in Deutschland, nein, eher noch seltener, deshalb ist es vor der Bühne gut voll, als die schwedischen Chaoten selbige betreten und gleich mal Vollgas geben. Das Outfit der Jungs ist natürlich ein Traum, circa tausend Nieten pro Quadratzentimeter, was wohl den fehlenden Haarwuchs einiger Bandmitglieder ausgleichen soll. Musikalisch gibt es Black-Thrash, simpel, aber effektiv und verdammt gut. Kein Wunder, denn dank NECROPHOBIC-Unterstützung klingen NIFELHEIM keinesfalls dilettantisch, sondern richtig geil. Und neben alten Hymnen wie 'Bestial Avenger', 'Storm Of Satans Fire' oder 'Satanic Sacrifcie' spendiert die Band der Meute noch zwei neue Kracher, die stilistisch schön die typische Schiene fahren. Resultat des Ganzen sind Sprechchöre, ein feierndes Publikum und ein saucooler Auftritt. Hoffentlich müssen wir nicht solange bis zum nächsten Mal warten...
[Herbert Chwalek]

Nach den göttlich-abgefahrenen Nietenmonstern von NIFELHEIM und ihrem kranken Sound aus einer anderen Zeit zeigen CRYPTOPSY, dass Metal-Wahnsinn auch in der Moderne funktioniert. Ihr mit allen Arten von Breaks, Frickeleien und anderen Abstrusitäten ausgestatteter Hochgeschwindigkeits-Death-Metal kracht nach einem mit klassischer Musik hervorragend gewählten Intro dermaßen technisch und durchschlagend von der Bühne, dass es schon fast nicht mehr zum Aushalten ist: Soviel eruptierende Energie wird selten frei. Dazu bangt die gesamte Band um ihren Sänger Lord Worm, als ginge es um ihr Leben - und reißt das Publikum in Gänze mit. So fliegen die Kanada-Flaggen zu dieser hochtechnisierten Prog-Death-Walze. 'Cold Hate, Warm Blood' ist da ein treffender Songtitel: Brutalität und adrenalingeschwängertes Blut. Und die Fans moshen sich warm - wohl auch eine Reaktion auf die wegen des klaren Himmels inzwischen einsetzende Kälte. Am Ende steht auch für CRYPTOPSY ein rundum gelungener Party.San-Auftritt in den langen Annalen des Festivals. Und schon jetzt ist klar, dass dieser Festivaltag nach etwas eintönigem Beginn - bis auf KAAMOS - zu etwas ganz Besonderem wird.
[Henri Kramer]

Mittlerweile ist es dunkel geworden und gegen 22 Uhr ertönt ein düsteres Intro auf der Bühne. Mit neuem Album schleichen ENSLAVED durch einen schaurig aufsteigenden Nebel, der sich entlang blauer Lichtsäulen gen Himmel räkelt. Ein fieses Lachen des Sängers Grutle Kjellson und schon schmettern sie ihren ersten Song in die Nacht, der seine Energie sofort über den Party.sanen entlädt. Dazu eine Mischung aus unterwerfenden Drums, fesselnden Growls und gänsehauttreibenden Keyboardmeldodien: Schon verlieren sich die vorderen Reihen im Mattenschütteln. Gerade Songs des neuen Albums "Ruun" nutzen die Norweger um dem anfänglich verhaltenen Publikum einen musikalisch treffsicheren Arschtritt zu verpassen. Dabei weiß man nicht einmal genau ob einige Metalheads nicht einfach nur von der genialen Licht- und Pyroshow paralysiert sind. Denn selbst das Wetter scheint von den Skandinaven so beeindruckt, dass es (wieder mal) zu einem Temperatursturz kommt, der einem die nordische Kälte direkt in die Adern schießen lässt. Mit diesem Gig wachsen ENSLAVED eindeutig über ihre Black-Metal-Wurzeln und Viking-Einflüsse hinaus, denn gerade das neu präsentierte Material ist progressiv gehalten, Stücke wie 'Isa' reißen aber auch wieder das Ruder herum zum früheren Sound. ENSLAVED präsentieren sich so fast schon als eine Art musikalisches Chamäleon, das aber dennoch seine Eingängigkeit nicht verliert.
[Silvana Conrad]

Ein besonderer Auftritt ist es nun für KATAKLYSM, eine DVD-Aufzeichnung steht an. Die Unterstützung der Fans ist der Band auf jeden Fall sicher, die Stimmung ist die ganze Zeit hindurch topp und die geschwenkten Quebec-Flaggen werden von Sänger Maurizio Iacono entsprechend gewürdigt. Als erster Song wird 'Like Angels Weeping (The Dark)' gespielt, und schon da wird deutlich, was den gesamten Rest des Gigs anhält: Die Kanadier walzen heute wie nichts Gutes. Die Kombination aus Northern Hyperblast, Uptempopassagen und mal majestätischen, mal einfach nur alles plattmachenden Midtempoparts kommt klar und deutlich aus den Boxen, verdeutlicht die Ausnahmestellung von KATAKLYSM und drückt halt wie Hölle. Und für Abwechslung ist gesorgt, eher komplexere Songs wie 'Face The Face Of War', 'Let Them Burn' und 'Where The Enemy Sleeps' ergänzen sich perfekt mit simplen Schädelspaltern wie dem gottgleichen 'As I Slither', 'Crippled And Broken' oder 'The Ambassador Of Pain'. Dazu kommen noch Kracher wie 'Manipulator Of Souls', 'Shadows And Dust' oder 'The Resurrected', so dass das Quartett das Publikum jede Sekunde hinter sich hat. Die Pyroshow bietet noch was fürs Auge, Kultmerchandiser Singh - der Mann mit dem Turban - darf auch kurz auf die Bühne und mit dem mächtigen Epos 'The Road To Devastation' endet eine in allen Belangen großartige Show. Dass KATAKLYSM zu den besten Death-Metal-Bands der Welt gehören, kann nach diesem Gig jedenfalls niemand mehr ernsthaft bestreiten.
[Herbert Chwalek]

Nach dem überwältigenden Auftritt von KATAKLYSM sind die Labelkollegen von HYPOCRISY an der Reihe. Sie packen ihr komplettes Hitpaket aus: Ob 'Roswell '47' oder 'Slave To The Parasites', der Katalog der schwedischen Ohrwurm-Death-Metahl-Hits ist unglaublich lang. Peter Tätgren hat heute auch besonders gute Laune, was wohl auch an den vielen Fans liegt, die ihm bereitwillig nach jedem Song zujubeln. Der Sound für die Party ab Mitternacht ist im Gegensatz zu manch anderen Bands während des Festivals unglaublich klar und hart, so dass einem gepflegten Tanzabend auf Moshbasis nichts mehr im Wege steht: 'Killing Art', 'Fire In The Sky' oder 'Eraser' heißen die Hits für das Bangen unterm eisigen Party.San-Himmel. Wenigstens den ersten Reihen wird es auch ohne Bewegung warm: Denn wie bei KATAKLYSM wird kräftig mit Feuer umhergeballert, was der Show noch einige Grade mehr Licht-Qualität verleiht. So füllen HYPOCRISY ihre Headliner-Rolle perfekt aus und verabschieden rundum zufriedene Fans in eine extrem lange Nacht im Partyzelt. Es ist furchtbar, was einem Körper mit Alkohol alles angetan werden kann.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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