Paul Di'Anno & THE PHANTOMZ - Bruchsal

04.10.2014 | 19:48

25.09.2014, Rockfabrik

Der IRON MAIDEN-Veteran präsentiert die Highlights seiner über 35-jährigen Karriere.

Die Zeiten für alte NWoBHM-Helden scheinen auf den ersten Blick nicht schlecht. Auf Festivals wie dem "Headbangers Open Air" und dem "Keep It True" sind sie gerne genommene Publikumsmagneten, und viele von ihnen sind auch öfters mal auf ausgedehnter Tournee. So durfte ich dieses Jahr schon RAVEN und GIRLSCHOOL beim Clubgig bewundern, ebenso vergangene Woche die von uns präsentierte BLITZKRIEG-Tour. Ja, und heute erfahre ich in einem Metal-Forum, dass sich am Abend ex-IRON MAIDEN-Frontmann Paul Di'Anno die Ehre gibt und im Rahmen seiner sage und schreibe 63 Gigs umfassenden Tour 2014 zusammen mit seiner langjährigen deutschen Backing-Band THE PHANTOMZ die Rockfabrik in Bruchsal aufmischen möchte. Also spontan etwas bälder die Arbeit zur Seite gelegt, ins Auto gestiegen, und die 200 Kilometer lange Reise angetreten, die sich leider aufgrund des Verkehrsnotstands auf der A8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe auf drei Stunden aufbläht. Dass die Zeiten für unterschiedliche Vertreter der Szene dann doch unterschiedlich gülden sind, zeigt sich schließlich vor Ort, doch dazu später mehr...

Staubedingt bekomme ich vom Gig der hessischen Power-Thrasher von ODIUM leider nur noch die zweite Hälfte mit, doch allein hieran lässt sich schon erkennen, dass sich zum einen die agile und überzeugende Band alle Mühe gibt, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, und dass dieses Unterfangen zum anderen auch sehr gut gelingt. Die Fläche vor der Bühne ist ganz ansehnlich gefüllt, und es ist keineswegs so, dass alle nur auf den Headliner gewartet hätten. Als nämlich Sänger Ralf Runkel kurz den Namen des Meisters erwähnt, brandet wider Erwarten kein großer Beifall auf, so dass sich der Frontmann wundert, ob denn die Leute wohl doch alle wegen ODIUM erschienen seien. Daher der selbe Versuch noch einmal, und dann ist klar, dass sich das Auditorium ganz offensichtlich doch sehr auf Herrn Di'Anno und seine Mannen freut. Doch zurück zu ODIUM: Die Band präsentiert sich spielfreudig, entfacht ein intensiv groovendes, hohes Energielevel und sie stellt ausgiebig ihr neues Album sowie auch etliche weitere Songs aus der immerhin schon gut zwanzig Jahre und sieben Studioalben umfassenden Karriere vor, darunter auch den neuen Song 'Die With Pride', dem kein Geringerer als eben der Herr Di'Anno auf der Platte auch die Stimme lieh. Die Frankfurter können den Besuch im Badischen also als vollen Erfolg verbuchen, und es sind nicht wenige der Anwesenden nach dem Gig am Merchandisestand anzutreffen, um sich mit einigen Scheibchen der Truppe einzudecken.

Es folgt eine etwas längere Umbaupause, in welcher der Gang durch die schöne Location und ein Blick in die Runde offenbart, was eingangs bereits angedeutet wurde: In der Fabrik tummeln sich gut und gerne 300 bis 400 Leute, und damit ist die Halle ganz ordentlich gefüllt. Wo sich BLITZKRIEG auf der Deutschland-Tour also mit regelmäßig weniger als 50 Nasen begegnügen musste, da lockt die IRON MAIDEN-Vergangenheit Paul Di'Annos dann eben doch ein Vielfaches an zahlenden Gästen an, obwohl gerade Paul in der Vergangheit oft für seine Auftritte und sein Auftreten kritisiert wurde. Doch so ist das Business, nicht immer gerecht!

Auf der anderen Seite muss aber auch gesagt werden, dass Paul Di'Anno es verdient hat, dass ihm die Leute wieder eine Chance geben. Allein im Jahre 2014 spielt er insgesamt 63 Clubshows über die ganze Welt verteilt, er tourt sich die Hacken wund, verschiebt die, wie man seinen spärlichen Bewegungen allezeit ansieht, dringend notwendige Knieoperation tourbedingt immer wieder, und im Gegensatz zu einigen Gigs der letzten fünfzehn Jahre scheint der Mann auch wieder voll motiviert, entspannt, witzig, mit sich selbst im Reinen und mit seiner Band und seinen Fans glücklich und zufrieden. Klar, er zehrt von der Vergangenheit mit den eisernen Jungfrauen, denn diese Songs wollen die Leute primär von ihm hören. Und ebenso klar: Ganz überwunden hat er die Vergangenheit nach wie vor nicht, hadert er doch immer noch ein wenig damit, dass viele Metalbands lieber irgendwelche Schönlinge als Sänger hätten, als einen assligen alten Punk. Doch im Gegensatz zu früher wirkt Paul nicht verbittert, sondern allenfalls ein bisschen zynisch, aber auf die humorige Art und Weise. Und es weht ein frischer Wind durch die Rockfabrik, es regt sich Aufbruchstimmung. Paul verkündet nämlich, dass er zusammen mit den hier anwesenden PHANTOMZ eine neue Band, eine richtige Band gegründet habe, dass sie von nun an die ARCHITECTS OF CHAOZ seien, und dass er - wie auch der Rest der Bandmitglieder - die Nachnamen ändern würden. Er stellt sich dann folgerichtig als Pauley Chaoz vor und es gibt auch einen brandneuen und wirklich sehr guten Song zu beklatschen. Daneben gibt es einmal die KILLERS mit 'Marshall Lockjaw', einmal BATTLEZONE mit 'Children Of Madness' und natürlich nahezu alle obligatorischen Hits der ersten beiden MAIDEN-Scheiben nebst der zugehörigen Singles. 'Killers' wird den Herren Obama und Cameron gewidmet, vor allem jedoch dem I.S., wobei Paul betont, dass er den Islam für eine wunderbare Religion hält, aber ein gewaltiges Problem mit Fundamentalisten hat. Eine sehr andächtige und großartige Version von 'Remember Tomorrow' widmet Paul Di'Anno zwei Verstorbenen, die ihm sehr wichtig waren, nämlich seinem Großvater und seinem ex-Bandkollegen Clive Burr, und so entsteht eine echte Gänsehautstimmung. Eine Aufzählung der weiteren Setlist erübrigt sich zwar im Zweifel, denn ihr kennt sie eh, die Songs. Dennoch, wer mit 'The Ides Of March' und 'Wrathchild' loslegen, mit Perlen wie 'Sanctuary', 'Prowler', 'Murders In The Rue Morgue' oder meinem persönlichen Favoriten 'Charlotte The Harlot' fortfahren und schließlich mit 'Running Free' abschließen kann, der hat natürlich von vornherein gewonnen, auch wenn er der Schmerzen im Knie wegen einige Songs im Sitzen bringen muss und einen sehr kleinen Bewegungsradius hat. So weit es geht stimmt ansonsten nämlich auch der körperliche Einsatz und stimmlich weiß der Mann auch noch zu überzeugen. Klar, wie er selbst sagt: "Jack Daniels and cigarrettes have shaped this voice... and maybe a bit of cocaine!", und ebenso klar: Di'Anno ist noch immer mehr der Punk-Shouter als der Metalsänger, aber das ist er mit Leib und Seele, und daher passt auch die Zugabe 'Blitzkrieg Bop' von den RAMONES wie die Faust aufs Auge, ebenso wie die wirklich tolle und spielfreudige Band zu Di'Anno und seinem Klassikerpotpurri.

Die Vorfreude auf ARCHITECTS OF CHAOZ ist also geweckt, und wenn es beim nächsten mal zwei oder drei MAIDEN-Hits weniger geben sollte, weil das neue Album so toll geworden ist, dann werden die kritischen Stimmen bestimmt noch leiser werden.

Redakteur:
Rüdiger Stehle
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