ROCK OF AGES - Seebronn

14.08.2016 | 20:43

29.07.2016, Festivalgelände

Unser Bericht von dem Familienfestival zum Ferienbeginn!

Seit dem letzten Jahr ist am Sonntag von vormittags bis etwa 15:00 Uhr Familientag. Das bedeutet, es geht um die kleinen Rocker, allerdings hat sich das Wetter gehörig verschlechtert. Es sind fast zehn Grad weniger, es sieht nach Regen aus. Da hält aber viele Einheimische nicht davon ab, mal vorbeizuschauen. Immerhin ist der Eintritt frei. Ein Fahrgeschäft, Kinderspiele und ein besonderes Bühnenprogramm mit Detlef Jöcker und Arabella Wirbelwind wendet sich direkt an die Kleinsten. Für die Eltern gibt es wahlweise einen Frühschoppen oder Kaffee und Kuchen, letzteres ist übrigens wirklich gut und viel zu vielfältig, als dass ich alles probieren kann. Es ist genug Zeit, noch einmal über das Gelände zu streifen, Dabei kommen wir wieder einmal am Merchandise-Stand vorbei. Dieser ist allerdings die ganzen drei Tage über eher spärlich behangen. Die meisten Bands haben gar keine T-Shirts mitgebracht, nicht einmal die alten Hasen, die gerade auf Tour gewesen waren wie MAGNUM zum Beispiel. Ich glaube, diesen Stand könnte man erheblich verkleinern, so sieht das ein wenig armselig aus.

 

Dann ist aber wieder Musik angesagt. FARGO eröffnet den letzten Tag des Festivals. Nicht jeder dürfte mit den Hannoveranern vertraut sein, die in den Jahren 1979 bis 1982 vier Alben veröffentlicht haben. Damals war das ganze zeitgenössischer Hard Rock, der heute irgendwo zwischen den Attributen "angestaubt" und "zeitlos" schwankt. Die Grundlage bietet ein Fundament aus Blues und klassischem Rock, der zu Beginn eher misstrauisch beäugt wird, aber mit zunehmender Spieldauer auch immer mehr Zuschauer zum Mitnicken animiert. Leider ist es momentan vor der Bühne noch erschreckend leer, was ich für die Norddeutschen sehr schade finde, denn sie geben sich alle Mühe und bieten eine dreiviertel Stunde lang einen hübschen Querschnitt durch ihre vier Alben, von 'Little Smile' vom Debüt "Wishing Well" über 'Soul Survivor' und 'I'm A Loser' von "No Limits" aus dem Jahr 1980, dem Titelsong und 'Arrows In The Wind' vom dritten Werk "Frontpage Lover" bis zu ihrem Abschiedsalbum "F", das mit 'The Tide Is Turning' zum Zug kommt. Am Ende folgt sogar noch ein Stück von Bandleader Peter Knorns Soloalbum und dann ein schmissiges Instrumental, bei dem er und seine Mitstreiter Peter Ladwig, Nikolas Fritz und Arnd Schultz durchaus für ein Lächeln auf den Gesichtern der Zuhörer sorgen. FARGO hatte einen undankbaren Platz inne, hat aber gut unterhalten und trotz anfänglicher Leere vor der Bühne den Gig hochprofessionell durchgezogen. Allerdings auch wieder mit gewissen Soundproblemen, der diesmal Peters Gitarre zum Opfer fiel, die zeitweise kaum zu hören war. Die Probleme mit der Anlage ziehen sich durch das ganze Wochenende, nicht gravierend, aber doch nervend. Wobei für die Musiker sicher mehr als für das Publikum.

 

Der Familiencharakter des Tages spiegelt sich auch im Billing wieder. Als nächstes sollen die österreichischen Blödel-Barden der ERSTEN ALLGEMEINEN VERUNSICHERUNG spielen. Doch vorher tritt Veranstalter Horst Franz auf die Bühne, um zu verkünden, dass KIM WILDE nicht wird spielen können. Bedingt durch einen Unfalls auf dem Stuttgarter Flughafen, aufgrund dessen der Flughafen für mehrere Stunden gesperrt war, ist der Flug der Dame annulliert worden. Das heißt, Kim sitzt in London und es gibt keine Möglichkeit, sie noch pünktlich zum Auftritt hier zu haben. Das ist höhere Gewalt, daran lässt sich nichts ändern. Dass es das Rock Of Ages in diesem Jahr gleich zweimal so kurzfristig erwischt, ist einfach Pech. Aber ganz ehrlich, so gerne ich 'Kids In America' oder 'Chequered Love' gehört hätte, bei drei Festivaltagen fällt so ein Malheur nicht wirklich gravierend ins Gewicht. Die beiden wichtigen Headliner haben gespielt, und da ich morgen eine Dienstreise antreten muss, hätten wir sicher sowieso nicht bis zum Ende bleiben können. Und auch der Rest des Publikums nimmt die Nachricht eher gefasst auf. Entweder wird die Dame nicht mit so großer Spannung erwartet oder nach drei Tagen sind viele auch einfach mal satt.

 

Doch jetzt folgt erst einmal die österreichische Geheimwaffe, wenn es um Stimmung geht, die ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG. Mit beinahe vierzig Jahren Veröffentlichungsgeschichte und mehr als einem Dutzend Alben sind die Herren eine Rockinstitution in unserem Nachbarland. Die großen Erfolge stammen allesamt aus den Jahren 1985 und 1987, und so setzt sich die Setliste nahezu ausschließlich aus Titeln der beiden Alben "Geld Oder Leben" und "Liebe, Tod Und Teufel Teil 1" zusammen. Auch EAV verkommt in diesem Moment eher zu einer Art Selbstcoverband, die Musiker müssen mehr oder weniger ihre weitere Entwicklung verleugnen, denn immerhin haben sie seit 1987 nicht weniger als neun Studioalben veröffentlicht. Andererseits können sie sich glücklich schätzen, dass sie eine solche Phalanx an Hits überhaupt auf dem Konto haben, und obendrein sind nur noch zwei der Originalmusiker der Zeit dabei, nämlich Gitarrist Thomas Spitzer und Sänger und Aushängeschild der Band Klaus Eberhartinger. In jedem Fall eröffnet die Band ihren Set mit 'Willkommen Im Neandertal' aus dem Jahr 1991. Tatsächlich kommt sofort Stimmung auf, die einen ersten Höhepunkt mit dem folgenden Lied erreicht: 'Ba-Ba-Banküberfall'. Klar, EAV hat nur eine Stunde Zeit, da werden die Hits am Fließband gespielt. Obwohl sie eigentlich länger dürften, aber Horst Franz hatte bereits angedeutet, dass länger spielen nicht für alle Bands eine Möglichkeit sein würde. EAV fliegt wohl am heutigen Tage noch zurück nach Wien.

Zwischen den Liedern unterhält Frontmann Eberhartinger das Publikum mit einer Mischung aus lustigen und flachen Ansagen, alten Gags und pointierten Spitzen. EAV war schon immer durchaus politisch in ihrer Blödelei, aber die Tatsache, dass zahlreiche Lieder eben thematisch doch etwas in die Jahre gekommen sind, lässt dem witzigen Entertainer nicht allzu viele Möglichkeiten. Wenn er einmal frei und thematisch uneingeschränkt durch das jeweils folgende Stück redet, zeigt er Comedian-Qualitäten. Highlight dabei ist sein Dank dafür, dass sie bei diesem "Jurassic Park des Rock" dabei sein dürfen. Doch trotz Blödeleien und Kostümwechsel des Sängers steht natürlich die Musik im Vordergrund, und an dieser Stelle geht nichts schief. Es folgen tatsächlich alle Lieder, die in Deutschland die Charts in der zweiten Hälfte der Achtziger gestürmt hatten, zumindest falls ich mich recht erinnere. Ich kann sie jedenfalls alle weitgehend mitsingen, die 'Heißen Nächte' genauso wie den 'Märchenprinz' oder das abschließende 'Fata Morgana'. Und tatsächlich, das Publikum singt und tanzt und feiert die Österreicher. Hier schaut keiner auf die technischen Finessen der Saitenfraktion, niemand wünscht sich versierte Soli, für diesen Auftritt gilt: jetzt wird gesungen! Nach einer Stunde ist das Hitfeuerwerk gezündet und die Jungs lassen ein euphorisiertes Publikum zurück. Zumindest vor der Bühne. Dass dieser dritte Tag allgemein der Metalfraktion nicht so zusagen würde, war im Vorfeld klar gewesen, aber selbst bei den MOTÖRHEAD- und IRON MAIDEN-Shirtträgern höre ich kaum Gemaule. Daher: Der Tagessieg geht an die ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG.
Setliste: Neandertal, Ba-Ba-Banküberfall, Sandlerkönig Eberhard, Geld oder Leben, Küss die Hand, Herr Kerkermeister, Heiße Nächte in Palermo, Einmal möchte ich ein Böser sein, An der Copacabana, Küss die Hand schöne Frau, Märchenprinz, Fata Morgana


Heute ist Oldie-Tag, anders kann man es nicht ausdrücken. Nächste Station ist das Vereinigte Königreich in Form von SLADE, eine Band, die tatsächlich ihre Wurzeln in noch fernerer Vergangenheit hat als die bisherigen beiden Bands, und die sind schon keine Newcomer mehr gewesen. Die Briten hatten in den Siebzigern ihre große Zeit, in der sie Hitsingles am laufenden Band produzierten. Selbst die Hard Rocker, die mit dem Glamstil der Band nicht allzu viel anzufangen wissen, sollten sich das 1972er Live-Album anhören, das die Band energetisch und mitreißend rockend zeigt. Obendrein gibt es zwei starke Hard Rock Alben aus dem Jahr 1981, die sich zwischen den Glam und die poppige Phase schmiegen und die ich empfehlen kann. Allerdings hat SLADE, nach der Wiederauferstehung immerhin noch mit zwei Gründungsmitgliedern in Form von Gitarrist und Sänger Dave Hill und dem Schlagzeuger Don Powell besetzt, seit beinahe dreißig Jahren kein Album mehr veröffentlicht. Die Band ist tatsächlich als Oldietruppe unterwegs. Wenn man dann noch bedenkt, dass viele der Hits vor allem in England erfolgreich waren, ist die Frage berechtigt, wie viele der Anwesenden mit dem Schaffen der Band jenseits von 'Cum On Feel The Noize' oder 'My Oh My' vertraut sind. Doch als die Band die Bühne betritt und mit großem Applaus empfangen wird, als 'Gudbuy T' Jane' und 'Take Me Bak 'Ome' in die Meute gepfeffert werden, in diesem Moment steht außer Frage, dass SLADE gerade jetzt zur rechten Zeit kommt. Klar, nach EAV sind alle sowieso in Feierlaune, und die Songs der Briten sind auf jeden Fall eingängig. 'Lock Up Your Daughters' ist dann mein Bandfavorit, stammt er doch von einem der besagten 1981er Alben, "Til Deaf Do Us Part". Gitarrist Dave Hill sieht immer noch extravagant aus, wenn auch nicht mehr so extrem wie in den Siebzigern, aber als originell geht sein Outfit immer noch durch. Mit beeindruckendem Elan rockt sich die Band durch mehr oder weniger bekannte Hits, bringt 'Run Runaway' genauso wie 'Mama We're All Crazee Now' und 'Far Faraway'. Als Zugabe kommen die beiden oben bereits erwähnten Hits und als ich befürchte, SLADE würde mitten im Sommer ihren größten Hit anstimmen, nämlich 'Merry Xmas Everybody', dröhnt ein bekanntes Riff aus den Boxen. Ja, das hat SLADE früher bereits gerne gespielt, unter anderem auf der besagten Live-Scheibe: 'Born To Be Wild'. Gute Idee, guter Song, gute Stimmung. Guter Gig.

 

Leider endet an dieser Stelle mein Lob für den Festivaltag. Zwischen SLADE und den nun folgenden BARCLAY JAMES HARVEST waren laut ursprünglichem Zeitplan zwanzig Minuten Umbaupause eingeplant. Allerdings wird diese Zeit überzogen, und zwar sehr. Es dauert sage und schreibe über fünfzig Minuten, bis das Intro zum Auftritt der letzten Band des Festivals beginnt. Bis dahin ist die Luft raus, einige Besucher sind gegangen, die Kinder quengeln, und ich muss zugeben, dass sich auch bei mir die Langeweile breit macht. Auf dem Gelände gibt es nichts mehr zu erkunden, man sitzt einfach da und wartet, trinkt noch einen alkoholfreien Cocktail (der "Dragon Blood" war gut, gab es auch schon auf dem Bang Your Head, der wird bei mir zum Stammgetränk), und wartet, hält noch einen Plausch, aber eigentlich hat man sich in den letzten drei Tagen fast alles schon erzählt. Also wartet man. Dann endlich geht es los und BARCLAY JAMES HARVEST FEATURING LES HOLROYD betritt die Bühne. Warum dieses "featuring Les Holroyd"? Ende der Neunziger spaltete sich die Originalband in zwei verschiedene Inkarnationen von BARCLAY JAMES HARVEST auf, die beiden unter dem alten Bandnamen mit einem Zusatz versehen segeln. In diesem Fall haben wir es mit dem einen noch lebenden Gründungsmitglied Les Holroyd zu tun, nicht zu verwechseln mit der John Lees-Variante. Was aber beiden gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass der ruhige Progressive Rock mittlerweile mehr als angestaubt wirkt, noch dazu vor einem Publikum, dessen Feierlaune durch die lange Umbaupause komplett erloschen ist. Obendrein ist die Musik des unfreiwilligen Headliners kaum dazu angetan, noch einmal Stimmung aufkommen zu lassen. Zu ruhig und monoton ist die Musik und zu statisch die Performance auf der Bühne, als dass BARCLAY JAMES HARVEST FEATURING LES HOLROYD einen adäquaten Headliner abgeben würde. In Anbetracht der Uhrzeit und einer allgemeinen Müdigkeit nach drei Festivaltagen ist es Zeit, dem Rock Of Ages 2016 Lebewohl zu sagen.

 

Das ROA 2016 war ein wirklich schönes, gut organisiertes Festival. Das eingespielte Team hat hervorragend funktioniert, Essen und Getränke waren sehr gut, ich möchte besonders die Kaffee-und-Kuchentheke im Familienbereich hervorheben. Das Personal war äußerst entspannt und freundlich, die ganze Atmosphäre war einfach gemütlich. Dass gleich zwei Bands kurzfristig ausfallen, ist großes Pech, was aber am großartig besetzten Freitag noch kompensiert werden konnte. Am Sonntag war dies eher schwierig, weswegen das Festival nicht mit dem erhofften Hitreigen KIM WILDEs beendet werden konnte. Und BJH ist definitiv kein Festival-Headliner. Aber das kann nur einen kleinen Schatten werfen auf ein ansonsten stark besetztes Festival ohne schwache Band, auch wenn AXEL RUDI PELL und CHRIS THOMPSON an ihren jeweiligen Tagen das Feld von unten anführten, aber auch die, ohne wirklich schlecht gewesen zu sein. Kleinere Probleme mit dem Sound gab es vor allem am ersten Tag, sie können aber den Gesamteindruck nicht nachhaltig schmälern.

2017 ist das Rock Of Ages sicher wieder eine Reise wert, da es sich wohltuend abhebt von den anderen großen Sommerfestivals. Es ist entspannter und musikalisch eben anders, während sonst Bands die große Festivaltour machen, spielen hier Acts, die nicht oder zumindest kaum im Eventzirkus des Jahres auftreten. Tickets für nächstes Jahr gibt es übrigens bereits für 99 Euro plus Vorverkaufsgebühr im ROA-Ticketshop. Es wird auch wieder Junior-Tickets geben, denn Jugendliche zwischen 11 und 14 Jahren zahlen nur den halben Preis, unter 11 Jahren ist der Eintritt frei. Die Juniortickets sind allerdings noch nicht erhältlich. Man sieht sich 2017 in Seebronn!

 

Redakteur:
Frank Jaeger

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