Rock Hard Festival 2004 - Gelsenkirchen

21.07.2004 | 09:09

29.05.2004, Amphitheater

Sonntag

DESASTER
Dass DESASTER auf diesem Festival spielen durften, ist wohl eher eine Freundschaftsaktion der Kollegen vom Rock Hard, die mit den Hellbangers aus Koblenz sehr gut befreundet sind, und doch muss ich ganz klar sagen, dass die Band im Vergleich zu vorangegangenen Acts wie DESTRUCTION und EXODUS ganz klar den Kürzeren zogen. Zwar fand sich zur frühen Mittagszeit schon eine ganzer Haufen Oldschool-Metalheads in den ersten Reihen des Amphitheaters ein, die den Teutonen-Thrash auch weitestgehend mit entgegengestreckten Fäusten begrüßten, jedoch konnte mich persönlich der solide Thrash von Desaster nicht wirklich umhauen. Lediglich 'Tyrants Of The Netherworld', der heimliche Hit 'Metallized Blood' und die Coverversion von SEPULTURA's 'Troops Of Doom' konnten mich bewegen, der Rest, darunter auch schon zwei ganz neue Nummern, konnte außer kurzem Kopfnicken keine besonderen Reaktionen hervorrufen. Vielleicht war das aber auch gerade deswegen der Fall, weil ich DESASTER generell arg überbewertet finde…
[Björn Backes]


INTO ETERNITY
Die Kanadier waren für mich DIE Band des Festivals. Einfach unglaublich, was sich diese extremen Prog-Metaller so alles aus den Fingern schüttelten, ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen. Und auch die Wechselgesänge zwischen herben Grunts, aggressiven Screams und packenden Power-Metal-Shouts wurden genauso grandios umgesetzt, wie dies auf Platte der Fall ist. INTO ETERNITY wurden als Insidertipp angekündigt, jedoch bin ich mir sicher, dass mindestens die Hälfte aller Anwesenden nach diesem Gig beschlossen hat, sich die beiden CDs dieses Fünfers zuzulegen. Als man nach einer viel zu kurzen Dreiviertelstunde die Show unter euphorischem Jubel beendete, erinnerte ich mich noch einmal an die Hinfahrt nach Gelsenkirchen, wo wir die erste Scheibe von CONTROL DENIED laufen ließen. Ganz ehrlich: Es gibt wohl keinen würdigeren Nachfolger für den Nachlass von Chuck Schuldliner und ich bin davon überzeugt, dass Chuck, wo immer er nun auch ist, mir da zustimmen würde. Diese Jungs haben das Potenzial, ganz groß herauszukommen und das ohne jegliche kommerzielle Anbiederung. Ich sage nur: Danke für eine der technisch perfektesten, bewegendsten und mitreißendsten Shows, denen ich jemals beiwohnen durfte. DIE Gewinner des Festivals!!
[Björn Backes]


ILL-DISPOSED
Nachdem MALEVOLENT CREATION leider absagen mussten, wurden kurzerhand die dänischen ILL-DISPOSED verpflichtet, und das stellte sich als wahrer Glücksgriff heraus. Nun sind mir zwar die Songs nicht geläufig, aber das macht auch nix, denn die Dänen – allen voran Frontgrunzer Bo Summer – machten mächtig Laune.
Wer wie der Bo den Auftritt mit Ansagen wie: "Wir sind die doofen Dänen… die sehr doofen Dänen!" oder "Wir haben gestern in Wien gespielt und unseren Roadie verloren, aber das macht nichts. Nun spielen wir den Song…" der hat eh schon halb gewonnen. Ein Übriges tat die wirklich geile Mischung aus Oldschool Death Metal der Marke SIX FET UNDER und leichten Elchtod-Einflüssen à la DISSECTION, um sich in den Vordergrund zu spielen.
Und wer in die glasigen Augen von Bo Summer geblickt hat, der konnte sich leicht ausmalen, warum ILL-DISPOSED ihren Roadie verloren hatten! ;-)
[Alex Kragl]


PINK CREAM 69
Neben Krokus waren PINK CREAM 69 die einzige Hardrockband dieses Wochenendes, und wiederum steigerte sich das Durchschnittsalter vor der Bühne um einige Jahre. Und doch war es verhältnismäßig leer im Stehplatzbereich, was eigentlich sehr schade war, denn die Karlsruher Hardrocker, verstärkt um ihren neuen Zusatz-Gitarristen Uwe Reitenauer, boten eine wirklich erfrischende Show, deren Schwerpunkt natürlich auf dem aktuellen Album "Thunderdome" lag. Sänger David Readman versuchte das Publikum immer wieder anzufeuern, doch irgendwie wollte der Funke nicht so recht überspringen, nicht einmal bei den beiden vermeintlichen Hits 'Keep Your Eyes On The Twisted' und 'Shame'. Warum das so war, ist mir rätselhaft, an der Performance der 69er kann es jedenfalls nicht gelegen haben, denn diese war wie gewohnt vom Feinsten.

Setlist:
Thunderdome
-
Hell's Gone Crazy
Lost In Illusion
Break The Silence
Talk To The Moon
Carnaby Road
Living My Life For You
Seas Of Madness
Keep Your Eyes On The Twisted
Shame
Welcome The Night
[Björn Backes]


METAL CHURCH
GEIL! GEILER! METAL CHURCH!
Definitiv das absolut Beste, was das RH-Festival an diesem Wochenende zu bieten hatte. Kurdt Vanderhoof & Co sind IMO die Headliner dieses Pfingstwochenendes gewesen. Allein schon die Setlist der metallischen Kirche war über jeden Zweifel erhaben: 'Ton Of Bricks', 'Watch The Children Pray', 'The Dark' (einfach göttlich!), 'Gods Of Wrath' (noch viel göttlicher), 'Beyond The Black' und 'Metal Church'! Vom neuen Album "The Weight Of The World" ist mir lediglich der Opener 'Leave Them Behind' ein Begriff, aber der kam sehr gut an.
Neuzugang Ronny Munroe erwies sich als absoluter Glücksgriff, wobei man sagen muss, dass es mit Sicherheit auch interessant gewesen wäre, Songs aus der Mike-Howe-Ära zu hören. Wie dem auch sei, der Ex-ROTTWEILER Fronter passt nicht nur optisch hervorragend zur Band, sondern bewies auch stimmlich, dass er zur ersten Gilde der Powermetal-Sänger gehört – und wenn ich das mal so anfügen darf: Ronny ist um Längen besser als ein gewisser David Wayne.
Für mich als Altmettler war es auch ein Hochgenuss, den Ex-MALICE-Klampfer Jay Reynolds mal wieder auf der Bühne zu sehen – auch wenn er sich im Hintergrund hielt und die meisten Soli Kurdt fiedelte, so war er zusammen mit Drummer Kirk Arrington und Basser Steve Unger eine sichere Bank, was die Rhythmussektion betraf.
Mir persönlich war nach dem Auftritt klar, dass keine der nachfolgenden Bands METAL CHURCH toppen könnte!

Setlist:
Ton Of Bricks
Start The Fire
Leave Them Behind
Watch The Children Pray
Battalions
Gods Of Wrath
The Dark
Madman's Overture
Beyond The Black
Metal Church
From The Cradle To The Grave
[Alex Kragl]


DARK TRANQUILLITY
Und weiter ging es mit Metal der Extraklasse! An dieser Stelle möchte ich den Verantwortlichen eine Rüge erteilen: Wie kann man nur so ein Billing zusammenstellen? Denkt denn niemand an die armen Nackenmuskeln eines alten Mannes? Scheinbar nicht! ;-)
Wie dem auch sei, die Schweden zogen ganz gewaltig vom Leder – leider getrübt durch einen etwas arg matschigen Sound – wie man es von Mikael Stanne & Co gewöhnt ist! Die Songauswahl war absolut ansprechend. So wechselten sich Klassiker wie 'Haven' und 'Punished My Heaven' mit neueren Songs der Marke 'Damage Done' oder 'Monochromanic Stains' ab. Da es im Herbst ein neues Album geben soll, wurde ein Track als Kostprobe abgeliefert, der darauf schließen lässt, dass das neue Material zum Härtesten gehört, was DT bisher verbrochen haben.
Jedenfalls waren die Göteborger ein weiteres Highlight auf dem RockHard-Festival!
[Alex Kragl]


RAGE
Ja nun… irgendwann wird es langweilig – zumindest für mich. RAGE zum siebenhundertzwölften Mal innerhalb von drei Jahren und dann auch noch mit fast identischer Setlist zur letzten Tour (man entnehme diese bitte den jeweiligen Tourberichten in diversen Online-Magazinen)! Ebenfalls nicht geändert haben sich die überflüssigen Soloeinlagen der Herren Smolski und Terrana – wobei Letzterer eh wie ein Gummiball hinter seiner Schießbude hockt und sein ureigenes Ding durchzieht!
Ich möchte hier betonen, dass das meine eigene subjektive Meinung ist und vermutlich keinesfalls die Meinung vieler Anwesenden sein wird.
Sieht man das Ganze nüchtern betrachtet, so bot das Trio um Bandkopf Peavy Wagner eine ansprechende Show, gepaart mit Spielfreude und Engagement! RAGE wurden zumindest genauso abgefeiert wie vor ihnen METAL CHURCH und DARK TRAQUILLITY! Der Sound war im Vergleich zu DT um etliches klarer und auch lauter – wo sich bei mir die Frage aufdrängt, warum man nicht ALLEN Bands ein guten Sound bieten kann, aber lassen wir das.
Einziges Manko dürfte die Songauswahl gewesen sein. Ich verstehe einfach nicht, dass eine Band wie RAGE immer wieder die gleichen Songs spielt, obwohl sie unendlich viele Klassiker in petto hat!

Setlist:
War Of Worlds
The Greater Ones
Black In Mind
Solitary Man
Going Down
Solo Victor
Soundchaser
Set This World On Fire
Solo Mike
Don't Fear The Winter
From The Cradle To The Grave
Higher Than The Sky
[Alex Kragl]


STRATOVARIUS
Die Vorzeichen des Auftritts von STRATOVARIUS hätten schlechter nicht sein können, da es die Band in dieser Form ja nicht mehr lange geben wird. Und entsprechend unterkühlt präsentierten sich die finnischen Megastars dann auch, wobei besonders zwischen Frontmann Timo Kotipelto und Gitarrist und Bandchef Timo Tolkki eine große Distanz zu bemerken war. Trotzdem zogen STRATOVARIUS ihr Ding professionell durch, hatten sogar mit 'Eternity' einen überraschenden Track parat und versuchten die Show zum Ende hin dann über die Zeit zu retten.
Natürlich fehlte hier die Magie vergangener Shows, was zum einen an den verhaltenen Ansagen Kotipeltos' und zum anderen an der etwas hüftsteifen Darbietung aller Musiker auszumachen war. Und obwohl es schön war, Hits wie 'Father Time', 'Black Diamond' und 'Hunting High And Low' ein letztes Mal in dieser Besetzung zu hören, bleib zum Ende hin ein sehr fader Beigeschmack und letztendlich der Wunsch, dass sich STRATOVARIUS diese Shows gar nicht mehr angetan hätten. Denn einen Gefallen haben sich die Finnen mit diesem emotionslosen, wenn auch prinzipiell guten Auftritt keinesfalls getan.

Setlist:
I Walk To My Own Song
Speed Of Light
Reign Of Terror
Father Time
Eternity
Forever Free
Season Of Faith's Perfection
I'm Still Alive
Kiss Of Judas
Phoenix
Hunting High And Low
Forever
Black Diamond
[Björn Backes]


MACHINE HEAD
Tja, nun war es schon soweit und das Rock Hard Festival wartete auf die letzte Band der diesjährigen Veranstaltung – dabei fühlte es sich vorm Gig von MACHINE HEAD so an, als wären gerade erst ein paar Stunden vergangenen, seitdem THUNDERSTORM den Reigen eröffnet hatten.
Sei's drum, auf diese Band hatten anscheinend die meisten gewartet und aufgrund des tollen Comeback-Albums "Through The Ashes Of Empires" und des Triumphzuges auf der vergangenen Tour durfte man von der Show der Neo-Thrasher einiges erwarten.
Und als dann die ersten Töne der aktuellen Single 'Imperium' ertönten, gab es in den ersten Reihen kein Halten mehr und fast jeder einzelne Zuschauer unterstützte Robert Flynn und Co. bei den Texten dieses Megasongs. Mit 'Take My Scars' und 'The Blood, The Sweat, The Tears' ging man dann direkt in die Vollen und hatte das Publikum ganz schnell auf seine Seite gezogen. Mit 'Ten Ton Hammer' und dem überraschenden 'The Burning Red' hatten die Maschinenköpfe weitere Kracher im Gepäck und als man dann mit 'Blood For Blood' einen Track der ersten Scheibe "Burn My Eyes" ankündigte, ging die Menge ab wie ein Zäpfchen.
Nach einer guten Stunde verzogen sich MACHINE HEAD hinter die Bühne, hatten aber natürlich noch einige Zugaben vorbereitet, die allesamt einschlugen wie eine Bombe. Bei 'Descent The Shades Of Nights' gab es sogar einige Gänsehaut-Momente, bevor dann bei "Davidian" alle den Chorus mit voller Inbrunst mitbrüllten. Beim letzten Song des Abends ('Block') forderte Flynn seine Zuschauer dann dazu auf, den größten Circlepit der Gelsenkirchener Geschichte zu machen und plötzlich bildete sich inmitten der Stehplatzfläche ein riesiger Kreis, in welchem Hunderte wie verrückt rannten was das Zeug hielt. Was für ein geiles Bild zum Abschluss eines erneut gelungenen Festivals.
[Björn Backes]


Für viele dürfte das Rock Hard Festival 2004 die Veranstaltung des Jahres gewesen sein, denn wiederum war die Atmosphäre einfach nur herrlich, die Preise in Relation zu anderen Festivals sehr günstig (2 € für ein leckeres Bierchen waren mehr als okay) und die Bandauswahl so gestaltet, dass wieder für jeden etwas dabei war. Und auch wenn im Vorfeld Stimmen laut wurden, dass man wegen der schwächeren Bandbesetzung nicht mehr ganz an den letztjährigen Event herankommen würde, dann haben uns die Mitarbeiter der Dortmunder Postille am Ende doch eines Besseren belehrt und ein Festival aufgezogen, das vom Verlauf her besser hätte gar nicht sein können. Dazu kommt, dass man mit einer Band wie INTO ETERNITY den momentan wohl heißesten Newcomer verpflichten konnte, während au der anderen Seite eine bereits abgeschriebenen Band wieMETAL CHURCH eine letzte Chance bekam sich zu rehabilitieren und diese schließlich auch nutzte. Doch eigentlich konnten alle 18 Bands, die um Pfingsten in diesem Amphitheater aufspielten, überzeugen und Kühnemund und Co. darin bestätigen, alles richtig gemacht zu haben.
Für das nächste Jahr ist schon wieder eine Folgeveranstaltung geplant und bereits jetzt steht fest, dass an diesem Happening kein Weg vorbeigehen wird, ganz gleich, wer auch dort spielen wird. Vielleicht schaffen es dann ja auch noch ein paar Leute mehr nach Gelsenkirchen, damit das Amphitheater nächstes Jahr dann endlich mal ausverkauft ist; ist nämlich irgendwie verwunderlich, dass dies nicht schon in diesem Jahr der Fall war.

Redakteur:
Björn Backes

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