Rock Hard Festival 2015 - Gelsenkirchen

19.06.2015 | 09:35

22.05.2015, Amphitheater

Ein Wochenende lang gute Musik, bestes Wetter, netteste Menschen und tollste Bands.

SAMSTAG – 23. Mai:

DESERTED FEAR

Der Samstag beginnt mit einer frischen und unbekümmerten Prise Todesblei. Und die Jungs von DESERTED FEAR sind sehr gut aufgelegt, fegen sie doch gleich zu Beginn mit 'Forging Delusions' und 'The Battalion Of Insanities' ein amtliches Riff-Inferno in die noch sehr müde wirkende Menschenmenge, die jedoch ordentlich wach geschüttelt wird. Es wird fröhlich gebangt, die Riffs sind amtlich, der Sound durchaus gut und die Sonne ermöglichte den Eisenbergern einen guten Festival-Einstieg.

Dass die Jungs eine durchaus eingespielte Mannschaft sind und es mit zwei Alben auf der Habenseite auch Bands gibt, die weniger Erfahrung zur Schau stellen können, beweisen sie uns mit 'Nocturnal Frags', 'Kingdom Of Worms' und dem bockstarken 'Field Of Death', der auch die letzten Lebensgeister vor der Bühne weckt. Ja, Gelsenkirchen hat Bock auf Death Metal und sieht einen wirklich tollen Gig. Talent und Spielwitz als höchste Güter, das gefällt dem Ruhrpott. Nach 'Mortal Reign' und dem finalen Kracher 'Bury Your Dead' ist bei DESERTED FEAR leider schon Schicht im Schacht, obgleich die Masse vor der Bühne ein, zwei Bolzenschneider sicherlich noch vertragen hätte. Doch wie so häufig in der Vergangenheit wünscht man auch dem heutigen Tages-Eröffner mehr Spielzeit als läppische 40 Minuten. Schade!

Setlist: Forging Delusions, The Battalion Of Insanities, Kingdom Of Worms, Nocturnal Frags, Wrath On Your Wound, Field Of Death, Mortal Reign, Bury Your Dead

[Marcel Rapp]

 

MOTORJESUS

Nach dem amtlichen Death-Metal-Geballer wird es nun Zeit für ein bisschen Dicke-Hose-Metal. MOTORJESUS hat schon vor drei Jahren in Gelsenkirchen abgeräumt, sodass ich mich auf den Auftritt der Mönchengladbacher wirklich freue. Schon der Soundcheck gerät zu einer spaßigen Interaktion zwischen Band und Publikum, das kann ja heiter werden.

"Habt ihr Bock auf Rock 'n' Roll?" – Was für eine Frage, Herr Birx! Das Quintett legt mit 'Motor Discipline' und 'Trouble In Motor City' los und darf sich über einen sehr guten Sound freuen. Aus allen Ecken und Enden des Amphitheaters strömen die Menschen vor die Bühne oder ergattern sich eine der zahlreichen Sitzgelegenheiten in der Mittagssonne. Und doch haben Birx & Co. leichte Anlaufschwierigkeiten. Die Songs rocken und grooven, aber so richtig will der Funke zu Beginn noch nicht überspringen. Spätestens ab 'Fist Of The Dragon', der sich auch gut als Eröffnungsstück geeignet hätte, ändert sich die Lage jedoch schlagartig. Plötzlich wird der Schalter umgelegt und das Publikum frisst dem Fünfer praktisch aus der Hand. Die Band punktet durch Spielfreude und einem äußerst sympathischen Auftreten, mit dem sie das weite Rund ansteckt. Bewegung ist angesagt. Wahlweise wird mit dem Hinterteil im Rhythmus von bleigetränkten Pferdestärken wie 'King Of The Dead End' oder 'Return Of The Demons' gewackelt, oder eben im Ausfallschritt die letzten Staubkörner aus dem Haar geschüttelt. Egal wie: das Amphitheater kocht.

Beim abschließenden 'A New War' bauen die Jungs noch gekonnt 'Rock And Roll All Nite' (KISS), 'Living After Midnight' (JUDAS PRIEST) und 'You Shook Me All Night Long' (AC/DC) ein, was sich als genialer Schachzug entpuppt. Bis in die letzten Reihen wird lauthals mitgesungen und die Party in Gelsenkirchen startet heute bereits kurz vor halb drei. Die anhaltenden "Flughafen, Flughafen"-Rufe werden dennoch nicht erhört. Und so endet dieser Siegeszug leider viel zu früh und hätte sicherlich nicht nur für mich ruhig noch ein wenig länger andauern dürfen. Das nächste Mal darf es gerne ein bisschen später am Tage sein, denn diesen Zuschauerandrang können einige Bands vom Nachmittag nicht vorweisen. Starke Leistung. Einer der imaginären Publikumspreise vom Samstag geht somit definitiv nach Mönchengladbach.

Viel Spaß bei VOIVOD. Ich bin dann mal raus. Brauch jetzt ein Bier und ein Bounty [Unterstützt durch Produktplatzierung? Wohin soll die Rechnung geschickt werden? FJ].

Setlist: Motor Discipline, Trouble In Motorcity, Speed Of The Beast, Fuel The Warmachine, Fist Of The Dragon, King Of The Dead End, Return Of The Demons, A New War (inclusive Rock And Roll All Nite/ Living After Midnight/ You Shook Me All Night Long)

[Chris Staubach]

 

VOIVOD

Die Entscheidung der Festivalveranstalter, die altgediente Avantgarde-Thrash-Legende VOIVOD bereits am frühen Nachmittag, und damit vor den eigenen Landsleuten von KATAKLYSM und auch vor AVATARIUM auf die Bühne zu schicken, finde ich zwar unter dem Gesichtspunkt des Respekts vor den Legenden doch ein wenig fragwürdig, doch andererseits profitiere ich heute davon, denn pünktlich zum Herzschlag-Abstiegskampf meiner Stuttgarter werden die Franko-Kanadier die Bühne wieder verlassen haben, so dass ich hier nichts verpassen werde. Immerhin ist VOIVOD für mich schon im Vorfeld einer der Interessenschwerpunkte und ja, das Quartett hält, was ich mir von ihm versprochen habe.

Vom ersten Ton an liefert die Bande aus Québec eine zum Bersten mit Energie geladene Vorstellung ab. Allen beteiligten Musikern ist anzumerken, wie viel Spaß sie daran haben, hier in der heißen Sonne des Ruhrgebiets die Meute zu unterhalten. Away zaubert mit seinem bewährt reduzierten Drum-Setup eine herrlich wirren, vertrackten Groove, der trotzdem immer wieder gnadenlos auf den Punkt in den Nacken geht, während Sänger Snake Daniel wie ein Honigkuchenpferd strahlt und von einem Ohr bis zum anderen breit grinsend seine abgedreht-verstrahlten Hooks zum Besten gibt. Dazu ist Gitarrist Chewy inzwischen voll in der Band angekommen und transportiert den Spirit des leider verstorbenen Urgitarristen Piggy so authentisch und ergreifend, wie man sich das nur wünschen kann, ganz ohne dabei wie eine bloße Aushilfe zu wirken. Ja, der Mann scheint den VOIVOD-Sound zu leben und zu atmen, und wie auch seine anderen Mitstreiter, ist auch Chewy der Riesenspaß ins Gesicht gemeißelt, den er hier und heute zu haben scheint. Dem will auch der neue Basser Rocky nicht nachstehen, der im vergangenen Jahr Urgestein Blacky nachfolgte und dem das Gelsenkirchener Publikum heute einen warmen Empfang bereitet.

Ja, was soll ich sagen: Obwohl VOIVOD heute nur noch zur Hälfte aus Gründungsmitgliedern besteht, steht uns auf der Bühne eine toll eingespielte, tight agierende und ihre Musik ganz offensichtlich mit aller Hingabe zelebrierende Band gegenüber, die mit allen Fasern in der Musik aufzugehen scheint. Hier wird das Schräge, das Abgedrehte, das Schwebende zur Selbstverständlichkeit und die Band spielt sich selbst und das Publikum in einen psychedelischen Cyberthrash-Rausch, der eine wahre Wonne ist, natürlich nicht ohne auch die Phasen zu würdigen, in denen es weniger thrashig als vielmehr spacerockig zur Sache ging. Aufgrund der frühen und damit natürlich auch eher kurzen Bühnenzeit muss sich das Quartett natürlich bei der Songauswahl beschränken, doch das Unternehmen gelingt hervorragend, entscheidet sich die Band doch für ein sehr vielseitiges Programm, das bei neun Songs ganze acht verschiedene Scheiben umfasst und lediglich bei "Killing Technology" mit 'Order Of The Blackguards' und 'Overreaction' doppelt zuschlägt. Ansonsten wird die ganze Bandbreite des voivodischen Schaffens abgedeckt, vom räudig-punkigen Thrash der Frühzeit mit 'Ripping Headaches' bis zum psychedelischen Breitbandsound von 'The Unknown Knows' und 'The Prow'. Doch, man kann nicht umhin, der Band einen grandiosen Gig zu attestieren, der mit dem neuen Song 'We Are Connected' (von der Split-7"EP mit AT THE GATES) und dem obligatorischen Finale namens 'Voivod' ein geniales Finale erlebt, das nicht nur mich komplett begeistert, sondern auch den Kollegen Rohrer und Macher alle Hochachtung abringt und den Letzteren gar umgehend auf die Pirsch nach den leider rar gewordenen Alben der Kanadier treibt.

In dieser Form wünsche ich mir in jedem Fall schon in Bälde ein neues VOIVOD-Album und dazu am besten eine ausgedehnte Europa-Tour, denn es wäre durchaus schön, mal mehr als nur neun Stücke der Herren live feiern zu dürfen. Den Titel der besten Band des Festivals hat die Kapelle nämlich zweifelsfrei schon jetzt sicher, denn an dieser Spielfreude kommt nichts und niemand mehr vorbei, auch nicht mein VfB, dessen Kampf und Krampf ich in den nächsten zwei Stunden bibbernd verfolgen werde.

Setlist: Kluskap O'Kom, Tribal Convictions, Ripping Headaches, The Unknown Knows, Order Of The Blackguards, The Prow, Overreaction, We Are Connected, Voivod

[Rüdiger Stehle]

 

AVATARIUM

Die Sonne scheint, mit VOIVOD haben wir gerade den bislang geilsten Gig des Festivals in der kleinen, aber ekstatisch feiernden Menge miterlebt und sind gespannt auf das Kontrastprogramm. Komplexe Rhythmen, Prog-Thrash-Hymnen und nur auf dem Papier ins Alter gekommene Musiker werden eingetauscht gegen eine blonde Schwedin, tonnenschwere Riffs und, nun ja, auf dem Papier ins Alter gekommene Musiker. AVATARIUM ist schwer angesagt, was natürlich vor allem an der unbestreitbaren Qualität der bisherigen Outputs der Band liegt. Mit Leif Edling hat man schließlich einen prominente Initiator, dessen Songwriting-Fähigkeiten und Charisma wohl den größten Teil zum Erfolg des Gespanns beigetragen haben. Doch ausgerechnet auf ihn müssen wir heute verzichten, seine Gesundheit lässt es leider nicht anders zu, als das Tieftonfundament von einem anderen Musiker (Anders Iwers) besorgen zu lassen.

Musikalisch ist man jedenfalls bestens aufgelegt und startet mit 'Moonhorse' ganz hochklassig ins heutige Set. Mit der Kombination von massivem Doom und folkigen Akustikgitarren hat AVATARIUM auch genau den richtigen Sound geschaffen, um mit der charismatischen Jennie-Ann Smith richtig punkten zu können. Im Vergleich zu anderen Musikern muten ihre Bewegungen zwar mitunter etwas komisch an, aber wer weiß, vielleicht tanzt sie ja gerade die Akkorde während der Gesang pausiert. Nach dem fulminanten Einstieg geht es bei 'Bird of Prey' zunächst etwas gemächlicher zu, man neigt gar dazu, sich vor der Bühne richtig zu entspannen. Klasse Song, und natürlich eine fantastisch aufspielende Band, der man in Sachen Feeling und Bühnenpräsenz überhaupt keine Vorwürfe machen kann.

Damit es nicht zu entspannt wird, setzten die Schweden anschließend auf ihre Hit-Single 'All I Want', die mit einer verboten großen Portion Eingängigkeit auch die allerletzten kräuterrauchenden Hippies vor die Bühne zerrt und ich mich frage, was denn jetzt noch kommen soll. 'Deep Well' lautet die Antwort auf die innerlich gestellt Frage und allmählich fällt dann doch auf, was bislang im Rausch der faustreckenden Atmosphäre nicht aufgefallen ist: Die kalkulierte Abwechslung von CANDLEMASS-B-Seiten-Doom und folky Gitarre/Sängerin-Geklimper verläuft zur Eintönigkeit, aus der die soliden Nummern (im folgenden dann 'Pandoras Egg') nicht so recht herauskommen. Einzig die abschließende Bandhymne 'Avatarium' mobilisiert noch einmal alle Kräfte und sorgt für einen harmonischen Gesamteindruck, der im letzten Teil des Gigs für mich etwas auf der Kippe stand.

Setlist: Moonhorse, Bird of Prey, All I Want, Deep Well, Pandora's Egg, Avatarium

[Nils Macher]

 

KATAKLYSM

Von Kanada über Schweden wieder zurück nach Kanada geht die Reise mit KATAKLYSM weiter. Die Death-Metal-Combo spielt vor beachtlich vollem Haus, was man so im Vorfeld nicht unbedingt erwartet hatte. Doch mit elf Platten im Backkatalog hat man sich über die Jahre eine treue Gefolgschaft aufgebaut, die anscheinend auch beim Rock Hard Festival zahlreich vertreten ist. Ich bin jedoch noch etwas skeptisch, denn die Band ist für meine Ohren zuletzt etwas in der Mittelmäßigkeit versackt und konnte mich auch auf großen Festivalbühnen nicht unbedingt überzeugen.

'To Reign Again' gehört dann aber zu jenen Openern, die förmlich den Staub aus jeder Ritze pusten und bei bestem Sound (für diese Musik) ganz lässig deutlich machen, dass man es hier mit einer der etabliertesten Szene-Bands zu tun hat und die Franko-Kanadier nicht durch Zufall da sind, wo sie sind. Auch die Nummern der vermeintlich schwächeren Platten ('If I Was God ... I'd Burn It All', 'At the Edge of the World', 'Like Animals') zünden heute so gewaltig, dass jeder Anflug von Skepsis von Blastbeats niedergemetzelt wurde.

Und apropos Blastbeats: Es sitzt mal wieder ein neuer Schlagzeuger vor dem Doppelfußpedal (Oli Beaudoin, ex-BELPHEGOR). Dass es gewiss weniger anstrengende Drummer-Jobs als bei KATAKLYSM gibt, dürfte bekannt sein. Der Grund für die Besetzung von Schlagzeuger Nummer sechs dürfte aber woanders liegen. Richtig einen auf die Mütze bekommt man natürlich trotzdem, da machen die Mannen um Sänger Maurizio Iacono keine Gefangenen. Tempo rausnehmen? Ruhige Songs? Gibt es bei KATAKLYSM maximal in Form von breakdown-lastigen Groove-Orgien wie 'I Slither', das man im Death-Metal-Lexikon unter dem Stichwort "Nackenbrecher" als Beispiel serviert bekommt.

Doch damit nicht genug, denn man hat auch einen Song des im Juli erscheinenden zwölften Albums im Gepäck. 'Thy Serpents Tongue' kennt logischerweise noch niemand, dennoch lässt es sich die bangende Meute nicht nehmen, auch diesen Song nach allen Regeln der Kunst abzufeiern. Zum geforderten Stresstest kommt es indes zwar nicht wirklich (die Security-Menschen werden höchstens von einigen Crowdsurfern auf die Probe gestellt), mit dem finalen Doppel aus 'In Shadows & Dust' und 'Crippled & Broken' fährt die Band dann noch einmal die ganz dicken Geschütze auf.

Es liegt in der Natur der Sache, dass alte Klassiker auf Festivals zu kurz kommen, doch trotz geringen "Serenity In Fire"/"Shadows And Dust"/"In The Arms Of Devastation"-Anteils haut mich die Truppe hier aus dem Stand richtig aus den Socken. Alles richtig gemacht, KATAKLYSM. "Of Ghosts And Gods" kann kommen!

Setlist: To Reign Again, If I Was God... I'd Burn It All, As I Slither, At the Edge of the World, Push the Venom, Like Animals, Thy Serpents Tongue, Taking the World by Storm, Let Them Burn, In Shadows & Dust, Crippled & Broken

[Nils Macher]

 

SANCTUARY

Eine Band steigt und fällt mit dem Sänger. Und mir persönlich würde kein besseres Beispiel für diese These einfallen als jene Band, in der Warrel Dane im jeweiligen Moment trällert. So gab es in der Vergangenheit ebenso viele glänzende NEVERMORE- und SANCTUARY-Shows, die vor Power und Hingabe nur so strotzten wie auch langweilig daherdümpelnde, vom Gesangsniveau beinah schon unheimliche Auftritte. Doch das Rock Hard Festival darf dieses Jahr aufatmen: Dane hat einen guten Tag erwischt, der Wettergott schenkt den durch "The Year The Sun Died" wiedererstarkten Seattle-Metallern von SANCTUARY den Segen und mit einem zumindest dem Ende hin ordentlichen Sound sind die Grundpfeiler für einen guten Auftritt vorhanden.

So starten 'Arise And Purify' und 'Let The Serpent Follow Me' den Reigen, bei dem der singende und heute sehr agile Blondschopf die Menge zum Crowdsurfen und Ausrasten auffordert. Obwohl die Menge recht verhalten reagiert, tut das seiner Stimmung und der seiner Hintermannschaft keinen Abbruch. 'Seasons Of Destruction', 'Die For My Sins' und ein weiterer Brecher neuer Marke 'Exitium (Anthem Of The Living)' werden mit Wohlwollen aufgenommen, obgleich ich den gewissen Zauber, dieses Quäntchen Magie heute ein wenig vermisse. Zumindest kommt es bei älteren Hits wie der "Refuge Denied"-Opener 'Battle Angels' und der Abschluss-"Into The Mirror Black"-Doppelschlag 'Future Tense'/'Taste Revenge' auf, die auch in den hinteren Reihen des Amphitheaters mitgekrächzt werden.

Wir halten nach rund einer Stunde Spielzeit also fest, dass Dane auch schon einmal schlimmere Abende erlebt hat, ich auch des Öfteren schon unsympathischere Frontmänner gesehen haben und sich die neuen Songs gut einfügen, jedoch zumindest live nicht an die Legenden der ersten beiden SANCTUARY-Streiche herankommen. Ein absolut ordentlicher Auftritt einer Power-/Thrash-Institution, die nun aber die Bahn für die "Queen Of Metal“ und wohl "Deutschlands wichtigste Metal-Band" freimachen muss.

Setliste: Intro Ad Vitam Aeternam, Arise And Purify, Let The Serpent Follow Me, Seasons Of Destruction, Die For My Sins, Battle Angels, Exitium (Anthem Of The Living), Question Existence, Fading, Frozen, The Year The Sun Died, Future Tense, Taste Revenge

[Marcel Rapp]

 

DORO

Was war das im Vorfeld für ein Gejammer. Am Crepes-Stand beschweren sich die Banger "ach, schon wieder DORO", am "Shirts For Kids"-Stand wird diskutiert, was man in der zweistündigen Pause vor KREATOR macht, und im Biergarten wird gewitzelt, wie viel vom angekündigten "Early Days"-Konzert am Ende noch übrig bleibt. Und dann? Schon mehrere Minuten vor dem offiziellen Showbeginn ist es vor der Bühne bereits brechend voll und das weite Rund sehr gut belegt. Gelsenkirchen scheint hinter der Metal-Queen zu stehen. Da kann ja eigentlich nichts schiefgehen.

Unterstützt von enormen Soundschwierigkeiten wählt die Band mit 'Touch Of Evil' einen schlechten Einstieg. Während des Stücks bekommt der Soundmann die Gegebenheiten in den Griff und spätestens ab dem folgenden 'I Rule The Ruins' knallt es amtlich aus den Boxen. Sollte das Taktik gewesen sein, ist sie aufgegangen. Dennoch (oder gerade deswegen) muss das Sextett zu Beginn kämpfen. Trotz Pyros und etlichen Feuersäulen springt der Funke nur auf Teile der Anwesenden über. Mein Nebenmann scheint vor lauter Ekstase fast zu platzen: "Ach, wie sieht sie heute wieder geil aus!" Ungewohnt in einem weißen Oberteil gekleidet ist Doro Pesch unbestritten sehr gut bei Stimme und quirlig wie immer. Sie animiert, sie kommuniziert und strahlt bei jeder sich ihr bietenden Gelegenheit - die Düsseldorferin muss man einfach gern haben. Und auch ihre Band spielt sich wieder einmal sprichwörtlich das Hinterteil ab. Vor allem Bassist Nick Douglas und Gitarrist Bas Maas sind nicht nur optisch ein Blickfang, sondern begeistern mit großartiger Bühnenpräsenz und tollem Spiel. Die Sängerin kann sich also wieder einmal auf ihre sehr starke und gewohnt spielfreudige Hintermannschaft verlassen.

Angeküdigt werden die 70 Minuten als ein Early-Days-Konzert, bei dem die Achtziger und somit Doros Zeit mit WARLOCK im Vordergrund stehen. Und sie halten Wort. Zwar kommen mit 'Metal Racer', 'Evil' und 'Out Of Control' nur wenige Songs zum Einsatz, die sicht nicht automatisch auch im normalen Set der Düsseldorferin wiederfinden, aber diese Zeitreise macht Spaß. Songs wie 'I Rule The Ruins', 'Burning The Witches', 'Hellbound', 'True As Steel' oder 'Earthshaker Rock' sind großartige Metalsongs, die auch nach dem x-ten Mal begeistern. Bei der Ballade 'Für Immer' verlässt Keyboarder Harrison Young die Bühne, denn Nick und Luca übernehmen seinen Part. Komischerweise ist das Keyboard den kompletten Set über gar nicht zu hören, nur hier ist es wie von Geisterhand plötzlich auf der PA. Sachen gibt es. Dem heutigen Anlass angemessen kommt auch dieser Schmachtfetzen einen deutlichen Zacken kraftvoller daher, was dem Song ganz gut zu Gesicht steht.

Größere Überraschungen und Abweichungen von der eigentlichen Thematik gibt es nur mit der "Raise Your Fist"-Nummer 'Revenge' ("wir spielen es, weil es so klingt, als hätten wir es in den Achtzigern geschrieben") und der JUDAS-PRIEST-Coverversion 'Breaking The Law', das man zunächst in einer sehr starken Akustikversion und dann in einer mit deutlich mehr Umdrehungen gespielten härteren Variante darbietet. Bis zu diesem Zeitpunkt haben vor allem die vorderen Reihen und der Fan-Club zu meiner Rechten das Treiben auf der Bühne nach allen Regeln der Kunst abgefeiert; jetzt erwacht auch das Amphitheater zu neuem Leben. Und DORO legt noch einmal nach. Mit der Bandhymne 'All We Are', das zahlreiche Anwesende schon mittags bei MOTORJESUS üben durften, versetzt sie auch den letzten Zweifler in Partystimmung und sorgt damit für ein lautstarkes Ende des regulären Sets. Die beiden Zugaben 'Out Of Control' und 'Earthshaker Rock' runden eine gute und solide Zeitreise ab, die wirklich Spaß macht. Vielleicht keine Champions League, aber für das internationale Geschäft reicht das definitiv.

Sollen die ewigen Meckerer doch einfach weiter meckern. Solange DORO so rockt wie heute, ist sie für jedes Festival dieser Erde eine Bereicherung. Und dass sie es trotz eigenem Anspruches nie allen Recht machen kann, bleibt eh außer Frage.

Setlist: Touch Of Evil, I Rule The Ruins, Burning The Witches, Metalracer, True As Steel, Hellbound, East Meets West, Evil, Für Immer, Revenge, Breaking The Law, All We Are, Out Of Control, Earthshaker Rock

[Chris Staubach]

 

KREATOR

Und dann betritt eine Band die Bretter des Amphitheaters, die ihrem Status als Headliner über alle Maßen gerecht wird. Denn das Feuer, das KREATOR am heutigen Abend entfacht, schlägt auch noch Tage später meterhohe Wellen. So hat sich das Theater sehr gut gefüllt, bis in die letzten Ecken wollen die Massen eine Thrash-Walze ihresgleichen vor den Latz geknallt bekommen. Das Wetter spielt den Essenern in die Hände, der Sound ist mächtig und glasklar, die Zuschauer heiß und KREATOR spielt alles an die Wand.

Und gleich zu Beginn die Gassenhauer 'Enemy Of God', 'Terrible Certainly' und das lautstark mitgesungene 'Phobia'! Es wird klar, dass Mille und Co. auch in puncto Setliste das Beste aus ihrer Karriere für Gelsenkirchen in petto haben. Ohne langes Gefasel und unnötige Pausen schmettert das Urgestein die Quintessenz des Thrash Metals ins Publikum, das Göttergaben wie 'Endless Pain', 'Warcurse' und 'Extreme Agression' mit Kusshand aufnimmt und süchtig inhaliert. KREATOR springt in der eigenen Diskographie also munter hin und her und macht damit alles richtig.

Fette Lichtshow, tolle, visuelle Albeninszenierungen im Hintergrund und eine Band, der man in jeder Sekunde anmerkt, dass sie Bock hat, das Rock Hard Festival bekommt einen wahrhaftigen Headliner serviert. Darüber hinaus darf es sich über einen mehr als gelungenen Querschnitt fast aller Schaffensphasen freuen, sodass auch Stücke wie 'Black Sunrise', wie passend in diesem Moment, und das unnachahmliche 'Renewal' zum Zuge kommen. KREATOR brilliert auf ganzer Linie, was sich natürlich auch in den Darbietungen neuester Brecher der Marke 'Mars Mantra/Phantom Antichrist', 'From Flood Into Fire' samt beeindruckender Pyroshow und 'Civilisation Collapse' zum Vorschein kommt. Dass Mille mit seinen zwischenzeitlichen Ansagen eher zum Schmunzeln als zum Zerstören anregt, ist allseits bekannt, steht in Anbetracht der Macht, die diese Band ausstrahlt, jedoch klar im Hintergrund.

Im Zugabenteil dürfen darüber hinaus 'Violent Revolution' und 'Pleasure To Kill' nicht fehlen, die Crowdsurfer und Circlepits geben vor der Bühne noch einmal alles, Mille stachelt die Menge lautstark an und es bietet sich ein Bild nahe der Perfektion. Ja, selbst das akustische, etwas fehl am Platz wirkende Zwischenspiel von Sami kann das Gesamtbild, das durch den Hass-Doppelpack 'United In Hate' und 'Flag Of Hate' langsam zum Ende kommt, nicht trüben. Einzig und allein 'Tormentor' hat am Ende doch gefehlt, zumal das nun endgültig abschließende 'Betrayer' eher in die Mitte des Sets gepasst hätte.

Doch sei's drum, mit einigen Überraschungen im Set, einem Quartett auf dem absoluten Zenit ihres Schaffens, perfekten Rahmenverhältnissen und einer exstatischen Anhängerschaft punktet KREATOR auf ganzer Linie. Dass die Jungs eine verlässliche Größe sind, weiß man auch in den letzten Reihen des Metal-Klassenzimmers, doch dass sie sich in solch bestechender Form präsentieren und eingeschworene Thrash-Maniacs noch positiv überraschen, lässt keine Zweifel zu: Solch einen Headliner sieht man nicht häufig.

Setliste: Choir Of The Damned/Enemy Of God, Terrible Certainty, Phobia, Awakening Of The Gods, Endless Pain, Warcurse, Mars Mantra/Phantom Antichrist, From Flood Into Fire, Extreme Aggression, Suicide Terrorist, Black Sunrise, Hordes Of Chaos, Renewal, Civilization Collapse, Intro The Patriarch/Violent Revolution, Pleasure To Kill, United In Hate, Flag Of Hate, Betrayer

[Marcel Rapp]

Hier geht es zum abschließenden Festivalsonntag...

Redakteur:
Marcel Rapp

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