Rock im Park/Rock am Ring - Nürnberg/Koblenz

22.07.2008 | 15:13

07.06.2008, Zeppelinfeld/Nürburgring

ROCK AM RING

Ganz früh auf dem Billing, aber ein potentieller Höhepunkt des gesamten Festivals zu sein, darf man den Schweden OPETH attestieren. Mit dem meisterlichen neuen Album "Watershed" im Gepäck kann die Band um Kopf Mikael Åkerfeldt ja auch eigentlich nichts falsch machen. Einzig die Tatsache, dass es um 17.45 Uhr natürlich taghell ist und es quasi keine sichtbare Lightshow gibt, was den atmosphärischen Longtracks ein bisschen das Gänsehautfeeling nimmt, passt nicht so recht. Die wenigen OPETH-Fans lassen sich davon natürlich dennoch nicht verdrießen und feiern die Band gehörig. Aber es ist schnell offensichtlich, dass die meisten Zuschauer vor diesem Konzert von ihnen noch nichts gehört hatten.

So gesehen und aufgrund des Faktums, dass man nach den angesagten SILVERSTEIN auf die Bühne geht, wäre es möglicherweise besser gewesen, nicht gerade mit dem einzigen "Watershed"-Song ohne klaren Gesang loszulegen. Åkerfeldt und seine Mitstreiter machen sich da aber offensichtlich nichts draus und knallen 'Heir Apparent' mit gutem Sound in die Meute. Die langen Kompositionen lassen kein Partyfeeling aufkommen und sind eher etwas zum Zuhören, egal wie sehr die Musiker auf der Bühne sich auch bemühen. So gesehen können OPETH sicher keine Horden neuer Fans gewinnen, egal, wie toll speziell 'Baying Of The Hounds' mitten im Set auch funktioniert. Es wird wohl doch noch eine Weile dauern, bis das eintrifft, was Mikael über sein Heimatland Schweden sagt: nämlich dass es bekannt sei für drei Dinge: ABBA, ROXETTE und ... OPETH.
[Frank Jäger]

An diesem Tag ist die Alternastage definitiv der bessere Anlaufpunkt für Freunde der gepflegten Aggression. Mit wenigen Ausnahmen regieren auf der Hauptbühne die sanfteren Klänge, so dass den ganzen Tag lang eine beachtliche Meute vor der zweitgrößten Bühne abrockt. Besonders bei den Shooting-Stars BULLET FOR MY VALENTINE macht sich das bemerkbar, obwohl mit RAGE AGAINST THE MACHINE gleichzeitig eine Legende auf der Hauptbühne steht. Zwei der Gründe dürften aber auch die langen Wege sein und die nervigen Wellenbrecher, die die "erste Reihe" für Leute, die nicht den ganzen Tag auf der gleichen Stelle stehen wollen und bloß nicht urinieren gehen dürfen, quasi achtzig Meter nach hinten verlegen. So bleiben viele einfach hier und lassen RAGE AGAINST THE MACHINE RAGE AGAINST THE MACHINE sein. Dafür werden sie mit einer energiegeladenen Show belohnt. Die kurzen, knackigen Metalcore-Songs der Waliser bestechen durch ihre melodischen Refrains und können dennoch mit einer satten Schaufel Härte punkten. Im Prinzip sind BULLET gar nicht überbewertet, auch wenn es durchaus merkwürdig ist, was für ein Hype um die Jungspunde gemacht wird. Zu Beginn des Gigs liegt das Augenmerk auf dem Album "The Poison", mit zunehmender Spielzeit wird auch "Scream Aim Fire" gewürdigt. Bei den Fans kommt schon zu Beginn gehörig Stimmung auf, so dass BULLET FOR MY VALENTINE zu den Gewinnern des Tages zählen. Über die Distanz von etwa einer Stunde, also fast genauso lang wie ihre regulären Konzerte auf der letzten Tour, macht dieser Gig einfach nur Spaß.
[Frank Jäger]

Wie auch immer man zu der neuen Sängerin Anette Olzon steht oder ob man lieber Tarja mag - das alles lassen wir jetzt einmal außen vor. Das wurde und wird zur Genüge diskutiert, so dass unser Fokus gleich auf den Auftritt gelegt und das ganze Hin und Her mal ignoriert wird. Die riesige Bühne wirkt auch mit NIGHTWISH nur mäßig gefüllt, auch wenn die Finnen es den Fans etwas einfacher machen, sie zu erspähen. Im Gegensatz zu den Bands davor, speziell DISTURBED und IN FLAMES, versuchen sich nicht alle Musiker in Mimikry, indem sie sich ganz in schwarz auf die ebenso schwarze Bühne begeben. Allerdings bringen die Leinwände es an den Tag: Frau Olzon trägt etwas, das verdächtig nach Strickkleid aussieht. Hat da jemand backstage zu viel Zeit? Dazu schwarze, hohe Stiefel, dass man glauben muss, eine finnische Landpomeranze hat ihren Nahkampfanzug angelegt. Irgendwie ist was Gehäkeltes kein Metal.

Davon abgesehen kracht 'Bye Bye Beautiful' gleich amtlich aus den Boxen, um zahlreiche weitere Songs von "A Dark Passion Play" nach sich zu ziehen. Das ist keine Überraschung, denn schon auf der letzten Tour wurden diese Lieder nur sporadisch durch Ausflüge in die gute, alte Tarja-Zeit aufgelockert. Leider ist das Weglassen der alten Hits, abgesehen von einem frühen 'Nemo', ganz sicher nicht die beste Idee, wenn man auf einem großen Festival spielt. Ein echtes Best-of-Set hätte hier locker vielen anderen die Schau stehlen können, aber so wird der Auftritt mit zunehmender Dauer auch zunehmend langweiliger. Die Auflockerung mit Dudelsackisten (oder wie heißt der Dudelsackspieler sonst?) ist zwar nett, aber vermag nicht die Stimmung zu erzeugen, die die anderen Acts auf der Hauptbühne verbreiten konnten. So plätschert alles angenehm vor sich hin, ist aber retrospektiv eine willkommene Pause vom Feiern. Als die Band die Bühne nach 'Wish I Had An Angel' verlässt, fehlen ein paar unverzichtbare Songs wie 'Wishmaster' und 'End OF All Hope', aber wahrscheinlich wird man sich daran gewöhnen müssen, diese nur noch gelegentlich zu hören, da Anette mit der Gesangshöhe der alten Lieder hörbar ihre Probleme hat.
[Frank Jäger]

Es dürfte mittlerweile bekannt sein, dass METALLICA anno 2008 nur noch wenig mit der von den Fans abgeschriebenen "St. Anger"-Kapelle zu tun haben. Nach jahrelangen Lippenbekenntnissen über die Rückkehr zu den Wurzeln beweisen die Vier, dass es im September, wenn das neue Album erscheinen soll, vielleicht sogar ernst sein kann mit eben dieser Rückbesinnung auf die alten Stärken.

Aber der Reihe nach: Mit einer gigantischen Leinwand als Backdrop, die gleichzeitig Simplizität und Größenwahn verkörpert, stehen die Musiker im Mittelpunkt; keine Dekorationen oder Spielereien lenken ab vom Wesentlichen, der Musik und den Stars. Gelegentliche PVAGs (Pyros von außergewöhnlicher Größe) setzen Akzente, aber davon abgesehen regieren die Riffs. Mit dem grandiosen "Ride The Lightning"-Trio 'Creeping Death'/'For Whom The Bell Tolls'/'Ride The Lightning' machen James und seine Freunde klar, wo der Thrash-Hammer hängt. Die frühe Phase einer der größten Metalbands aller Zeiten wird zelebriert, und die letzte Episode der Diskographie geflissentlich ignoriert. Der Lohn dafür ist deutlich zu hören: Fast 90.000 Besucher des Festivals gehen ab wie besagtes Haustier der Familie Schmidt.

Die Phase "Load" und "Reload" wird mit insgesamt zwei Songs berücksichtigt, dem grandiosen 'Bleeding Me' und dem völlig überflüssigen 'Devil's Dance', das den einzigen Ausfall des Auftritts markiert. Ansonsten werden ausschließlich Lieder der ersten drei Alben gespielt, mit 'Fade To Black' als einzigem weiteren ruhigeren Song. Als METALLICA dann eine kleine Pause machen, die das Ende des regulären Gigs ankündigen soll, man aber offensichtlich keine Lust hat, tatsächlich von der Bühne zu gehen, schlägt die große Stunde der Fans des schwarzen Albums. Drei Songs inklusive des natürlich unvermeidlichen 'Nothing Else Matters' werden nur durch den Ausbruch eines mittelschweren Weltkriegs zur Einleitung von 'One' unterbrochen. Damit trifft man den Nerv des Publikums auf diesem Mainstream-Festival, das die Band abfeiert.

Der Zugabenblock hat es dann noch mal in sich. Zuerst wird ein Riff intoniert und einige Zeilen eines Liedes gesungen, das bei den meisten Anwesenden sichtbare Fragezeichen auf der Stirn erzeugt. Es handelt sich um SAXONs 'Princess Of The Night', mit dem METALLICA die alten NWoBHM-Recken grüßen, die ebenfalls an diesem Tag auf dem Festival spielen, allerdings auf einer kleinen Nebenbühne. James berichtet, dass einer ihrer ersten Auftritte ein Support-Gig für SAXON war. Das Leben ist hart, jetzt spielen die Amerikaner einen zweistündigen Headliner-Set auf der Hauptbühne, und Biff und Co. haben gerade mal vierzig Minuten im Soundwave Tent. Melancholie kommt allerdings im Publikum nicht auf, denn traditionell lassen METALLICA es sich nicht nehmen, auch ein oder zwei Coverversionen zum Besten zu geben. Heute ist dies nur 'Die Die My Darling'. Danach geht es zum Endspurt mit 'Motorbreath' und 'Seek And Destroy', lauthals gesungen bis in die hintersten Reihen.

In dieser Form sind METALLICA ein würdiger Headliner. Eine brillante Songauswahl, James Hetfields Gesang so gut wie lange nicht und ein Lars Ulrich, den es nach keinem Song hinter seinem Drumkit hält, machen diesen Auftritt zu einem echten Erlebnis. Zwar wird Robert Trujillo in diesem Leben den aufrechten Gang wohl nicht mehr erlernen, aber damit scheint man sich in der Band abgefunden zu haben. Jedenfalls imitiert James seinen Bandkollegen lachend, während dieser mit merkwürdigen Verrenkungen seinen Bass bedient. Spaß und Spielfreude, guter Sound und ein Arsenal an Gassenhauern - das sind METALLICA 2008.

Setlist nach Alben, in Klammern der Platz in der Setlist:
"Kill 'Em All": No Remorse (6), Whiplash (11), Motorbreath (17), Seek And Destroy (18)
"Ride The Lightning": Creeping Death (1), For Whom The Bell Tolls (2), Ride The Lightning (3), Fade To Black (9)
"Master Of Puppets": Master Of Puppets (10)
"...And Justice For All”: Harvester Of Sorrow (4), ... And Justice For All (8), One (14)
"Metallica": Nothing Else Matters (12), Sad But True (13), Enter Sandman (15)
"Load": Bleeding Me (5)
"Reload": Devil's Dance (7)
Coverversion: Die Die My Darling (16)
[Frank Jäger]

Redakteur:
Oliver Schneider

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