STONED FROM THE UNDERGROUND 2011 - Erfurt-Stotternheim

19.08.2011 | 23:07

07.07.2011, Festivalgelände nahe dem Alperstedter See

Zum elften Male traf sich die Gemeinde. Stoner, Doomer, Psycher. Und wieder war der Besuch der vier tollen Tage ein Volltreffer!

Samstag: doch ein Kopf dran. Der Vormittag wird mit langen langen Ausflügen in die nähere bewohnte und unbewohnte Umgebung verbracht, auch, um die "fette Mieze" von der Seele zu wandern. Als wir die nahen Erfurter Vorstadtsiedlungen durchschreiten, kündigt fernes hektisches Sirenengeheul leider bereits einen schlimmen Unfall an. Im nahen See kann ein beim Schwimmen verunglückter Einundzwanzigjähriger leider nur zu spät geborgen werden. In einem Erfurter Krankenhaus verstirbt später der junge Mann. Was alles, was hier sonst so passiert und passieren wird, augenblicklich relativiert. Zum "Nebenbei" macht.

Auch von dieser Stelle: Wir trauern mit der Familie, mit den Angehörigen, das beschäftigt uns, die wir nah waren, sehr!
Daher auch bei einigen ein mulmiges Gefühl. Bis zu diesem Zeitpunkt jedoch ist nur klar, dass der junge Mann in das Krankenhaus geschafft worden ist. Der Veranstalter informiert umgehend auf der Bühne wegen dieses Vorfalls, wobei er sich teilweise auch hier dummer Zwischenrufe aussetzen muss. Manche lernen wohl nie, Feingefühl beim Feiern zu erhalten. Schade.

GRANDLOOM aus der Lausitz eröffnen kurz vor Drei. Das neue Album der drei Cottbuser wird sehr gelobt und es wird auch leibhaftig ein Eindruck davon vermittelt, welches Potential hier freigespielt wird und freigespült wurde. Die längeren Jamsessions gefallen den Anwesenden dermaßen, dass sich eine heftig mitwippende Schar in die Reihen pflanzt. Mann freut sich bereits auch hier auf die Clubkonzerte dieses Herbstes. Und die sind viel unterwegs.

Grandloom.

Ein kräftiges Stimmlein darf der beleibte Grieche und Sängergitarrist von PLANET OF ZEUS sein Eigen nennen. Das Quartett liefert geradegeschnittenen Rock'n'Stone, der viele weitere Besucher aus der Hitze in die Hitze lockt. Den umliegenden und umstehenden Gesichtern zur Folge hat die Band hier einen Volltreffer gelandet. Mir persönlich ist es dann auf Dauer und insgesamt zu eintönig, was die Erinnerung an den wirklich markanten Sänger mit seiner Hüte-ab-Stimme aber nicht schmälert.

Aufgrund einer notwendigen Pause werden GLOWSUN aus Frankreich im Zeltlager verfolgt, der Blick direkt zur Bühne und die dickwandige Lufterfüllung aber geben einen feinen Eindruck. Das Trio ist eine Überraschung heute und gibt die spindelfadenförmigen Stücke des Debüts "The Sundering" und weitere Ohrenwärmer wider. In diesem Genre genauso hervorragend wie THE EGOCENTRICS vom Vortag oder gerade eben erst GRANDLOOM.

Freizeit.

Nun ist es halb sechs - beste Zeit auch für die beste Band. Sollte sich nämlich in der nächsten knappen Stunde herausstellen: LONELY KAMELs Material ist mir ebenfalls von den beiden mir bekannten Alben Begriff und wirkt bereits aus der Röhre mitreißend wie seltenes. Kühle, abgeklärte Vorzeigenorweger: groß, milde, locker, konzentriert, bärtig, freundlich. Niedlich fast schon, wie der vollbärtige Mittelblickfänger und Drummer mit interessierten Augen einer zugegebenermaßen Fotografinnenschönheit folgt und während seiner scheppernden Darbietung Versuche unternimmt, mit freundlichem Grinsen oder Lächeln das Herz der Lockenprächtigen aufzuschließen. Oder war das seine Frau? Naja. Auf jeden Fall sind es die Norweger, die hier einschlagen wie eine Sympathiebombe, sei es durch die klassischen und dennoch verspielten Dynamikersongs oder das schier lockere Auftreten - auf jeden Fall meine Gewinner des Festivals. Die Kollegen sind übrigens auch die ersten hier, die einen reinen Blues anbieten, der trotzdem oder gerade deswegen sehr gut ankommt. Mein inzwischen bedieselter Direktbegleiter wird dadurch immer seliger, vergleicht seine Assoziationen mit dem Gefühl, auf Bäume klettern zu wollen ... lassen wir ihn hinauf. Das ist doch schön so.

SUNGRAZER. Ein Raunen hier wie dort. DIE SIND GUT! Sagt mann und frau. Dementsprechend ist das auch voll vorn. Mich aber reißen die drei Holländer heute hier nicht gerade vom Trecker, vielleicht, weil die norwegische Granate von gerade noch nicht verschwimmen möchte oder ich einfach das Set zu sagen wir mal "phlegmatisch" finde. Innerhalb des zweiten Liedes betrete ich bereits das schwatzende Rund der Mitstreiter, das sich gerade über Schwimmstufen oder ähnliches unterhält. SUNGRAZER erhalten auf jeden Fall bei mir noch eine Chance, heute ist das Abenteuer daneben gegangen. Zu tröpfelnd, zu zerbrochen die Beiträge, wie sie sich da präsentieren.

Church Of Misery.

Als der fernöstlichste Derwisch der Umgebung, das Sängerbiest von CHURCH OF MISERY bereits einen Song durchgeslugdet hat, sind auch wir wiederum ganz nah am Geschehen dran. Und die kommen mit dem Sausewind, diese Herrschaften. Teilweise ja sehr metallisch eingestellt, bolzen sich hier die vier Japaner durch ein formidables Stück Zeit. Nie ermüdend, was vor allem diesem Scharlatan der Angst, diesem umherirrenden Irren und Sangesbruder dort zu verdanken ist. Der kreist, zappelt, kniet und grinst, nachdem er mit seiner Zeigefingerpistole erst einmal die ersten dreizehn schwitzenden Reihen umgeballert hat. Scheint so ein japanisches Phänomen zu sein, wer den bekloppten BORIS-Drummer mal erleben durfte, weiß, was wir meinen.
So oder so: CHURCH OF MISERY unterhalten rein optisch und auch spielerisch-technisch mit einem vergessensunwürdigen Breitwandsoundspektakel, das den Samstag nun schon vollends belohnt.

Es folgt der "gefühlte" Headliner des SFTU 2011: MONSTER MAGNET. Dave Wyndorf, der eigentlich MM ist, musste ja zunächst Ende 2010 den Weggang des Gitarristen Ed Mundell verkraften, der ja mindestens auch MM ist. Der schrubbt nun die Saiten bei einer Band namens 9 CHAMBERS. Der Ersatzmann lässt jedoch keinerlei Schwächen erkennen. Dave Wyndorf hat so einiges durchgemacht, was ja auch schon vielstimmig und anderswo ausgewertet worden ist - mir ist es egal. Das Set ist überraschend gut, nachdem meine letzte Begegnung mit MM Jahre zurückliegt, und diese Doppeltour mit QOTSA dermaßen bescheiden ausfiel, dass es eines der sehr wenigen Konzerte bleibt, dass ich vor dem Ende verlassen musste. Einfach, weil die Show alles, der Sound nur die Hälfte und Leidenschaft gar nichts war. Au mann, das war 2000!

...Musik?

Die Band macht aber an diesem Abend vieles richtig, spielen sie nämlich auch die schnellen, überzeugenden auch alten Songs aus allen Bandjahren, dem unvermeidlichen 'Space Lord' wird mittendrin im Gig gehuldigt und sehr feine lange Versionen ganz alter Stücke zeigen die Psychedelic-Rocker-Qualitäten der Amis. Eine gelungene Geschichte, die in ihrer Konsequenz mich zumindest sehr positiv überrascht. Seitdem laufen die Alben wieder in meinem Auto.

Dave Wyndorf.

Danach wieder die Ruhe. Viele sind unentschlossen: "Bleiben oder Gehen?" Vier oder fünf auffallend buntbehemdete Männer schrauben recht lange und in sich verkehrt an ellenlangen Effektapparaturen, Visuelles wird ausgestestet, dann geht es los mit VIBRAVOID. Die fallen rein stilistisch aus dem Rahmen. Geboten werden sehr spacige, sehr astronomische und durchgebumste Sechzigerjahrepsychschlauheiten, was trotzdem in seiner Intensität viele Hörer an die Bühne bindet. Spielerisch werden die Grenzen von Stoner Rock, Psychobeat oder Orgelretro überwunden, was im Ergebnis sehr in die Ohren geht und trotz des orbitanten Stilwechsels als musikalischer Abschluss für 2011 in meinem Speicher bleibt.
Außerdem auch das vollsuffige Paket, welches vorn im Partyzelt bis gegen halb fünf in der Früh geschnürt und entschnürt wird. Kracher und Helden des Rockalltags werden lauthals mitgeschrien. Die zurücktorkelnde Community-Jugend, die dementsprechend lange danach noch mit männlichkeitssymbolischen Darbietungen die Zeltplätze nervt, wird eine halbe Stunde nach der eigenen Einkehr selbst von älteren Schlafgästen wiedererweckt, und somit Rache genommen für die gestohlene Nachtruhe nach diesem Dröhngewitterwochenende der Extraklasse. Mal wieder. Bis zum nächsten Mal.

Bühne.

Redakteur:
Mathias Freiesleben
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