Saturnus (Listening-Session) - Budapest

17.03.2006 | 13:58

02.03.2006,

Die dänischen Doomster SATURNUS sind wieder da und haben nach fast sechs Jahren Stille eine Menge düsterer Songs im Gepäck. Doch eins nach dem anderen: Vor dem Metal-Mania-Festival in Budapest wurde eine Listening-Session für das neue Werk "Veronika Decides To Die" angesetzt, und diese Gelegenheit konnte ich mir als Doom-Fan nicht entgehen lassen, hatten mich SATURNUS in der Vergangenheit doch schon immer sehr positiv mit ihrem Schaffen überrascht. Als ich in das Hotelzimmer komme, in der die Listening-Session stattfinden sollte, ist es erst mal etwas verwunderlich, dass ich die einzige Presse-Vertretung bin - und dann drängt sich natürlich gleich die Frage auf, warum in Budapest? Sänger Thomas outet sich darauf hin als riesengroßer ANATHEMA-Fan, was gleich mal mächtig Bonuspunkte einfährt und irgendwie auch in der Musik der Dänen zu hören ist.

"Ich bin froh, dass wir nach den Line-Up-Problemen es endlich etwas weitergebracht haben und nach so langem Schweigen ein neues Album herausbringen" ist Thomas sichtlich erleichtert über das baldige Erscheinen von "Veronika Decides To Die". "Die 8 Songs auf dem Album sind viel düsterer als das, was auf dem Vorgänger "Martyre" zu hören war und es ist somit eine logische Fortsetzung des ersten Albums ... Ja, eigentlich sollte das unser zweites Album sein. Langsamer, doomiger, trauriger" versucht Thomas die Orientierung des neuen Werkes zu erklären, bevor es mit dem Abspielen der Songs losgeht.

I Long
"Der Song ist einer der ältesten auf dem neuen Album und wurde schon vor etwa vier Jahren geschrieben" erklärt Thomas und zeigt somit deutlich, dass das Album eine lange Entwicklungsphase hinter sich hat. Der Song beginnt mit einem wunderschönen, langsamen Piano-Intro (das, wie alle anderen Pianoparts auch, auf einem echten Piano eingespielt wurde) und baut erst langsam Stimmung auf. Ab dem ersten Ton wird klar, dass hier Doom vom Feinsten zelebriert wird und man ohne Weiteres in die Fußstapfen der ganz Großen treten kann - und die Vergleiche zu alten ANATHEMA-Düsterwerken oder MY DYING BRIDE zwängen sich ab und zu etwas auf. Doch SATURNUS präsentieren sich trotz der Einflüsse eigenständig und bauen immer wieder unverkenntliche Erkennungsmerkmale in ihre Songs ein, wie den wehleidig gesprochenen Gesang, der immer wieder die Doomwalze unterbricht und für Ruhepole sorgt. Finstere Gitarren ziehen sich durch den Song und erzeugen eine weinende Atmosphäre, der Gesang ist mal clean, mal düster growlend, mal anklagend und traurig und gibt den Songs so immer wieder die nötige Abwechslung, um nicht in der Kunst der Langsamkeit unterzugehen. Ein wunderschön verträumter Zwischenteil mit Keyboards erzeugt eine einmalig traurige Stimmung, in die sich eine Gitarrenmelodie sanft drüberlegt. Nach dem eben erwähnten, für SATURNUS typischen, gesprochenen und ruhigen Part brechen wieder die Gitarrenriffs die Stille. Der klassische Doom/Death-Aufbau zeigt aber noch eine Steigerung und noch fiesere Growls. Die Gitarre wiederholt das Klagelied und erzeugt eine musikalische Spirale der Verzweiflung, bevor sie leise vom Klavier abgelöst wird und der Song nach fast elf Minuten endet.

Pretend
Thomas vergleicht diesen Song gleich mit 'Empty Handed' auf "Martyre", und tatsächlich findet sich bei längerem Anhören eine gewisse Ähnlichkeit. "Das ist außerdem die neueste Nummer auf dem Album, der Song wurde erst drei Wochen, bevor wir ins Studio gingen, geschrieben und soll ein wenig die Finsternis der restlichen Songs brechen" fügt der Sänger hinzu. Ab dem Intro wird klar, dass es hier etwas rockiger zur Sache geht, und es drängen sich sogar Vergleiche zu PARADISE LOST in der "Draconian Times"-Phase auf. Doch wer jetzt denkt, die Nummer wäre fröhlich, der irrt: Schon nach dem ersten rockigen Teil schlagen wieder die verträumten und langsamen Doom-Parts der Dänen durch und der Gesang wechselt sich zwischen Clean und Growls ab. Immer wieder wird der langsame Doom durch rockige Gitarren durchbrochen und verschwindet dann plötzlich in einen langsamen Piano-Teil mit Sprechgesang und sanften Gitarrenmelodien. Doch so schnell man sich an die verträumte Atmosphäre gewöhnt hat, so schnell wird der Rhythmus wieder überraschend unterbrochen und man bekommt einen cooles Zwischenspiel aus Gitarren versus Drums zu hören, wobei die Gitarre in ein langsames Solo übergeht, das sich in den Endteil des Songs zieht.

Descending
Dieser Song ist etwas Besonderes, denn wir bekommen hier ein Solo von MERCYFUL FATE-Gitarrenlegende Michael Denner zu hören! Thomas ist begeistert von diesem Solo und freut sich wie ein kleines Kind, als er die Geschichte zu der ungewöhnlichen Kooperation erzählt: "Ich war schon immer ein großer Fan von MERCYFUL FATE und vor allem von Michael Denners Soli, die einfach ganz speziell sind. Seine Soli schreien mehr und passen einfach zu unserer Musik. Eines Tages hab ich ihn einfach in seinem Plattenladen in Kopenhagen besucht und ihn gefragt, ob er denn nicht ein Solo für uns einspielen könnte und er hat gleich zugesagt. Wir haben ihm bei der Gestaltung des Solos freie Hand gelassen und das Resultat ist einfach toll geworden!"
Der Song fängt langsam mit einer Gitarrenmelodie an, die von einem Keyboardteppich abgelöst wird. Nach dem wunderschönen Einstieg wird der Rhythmus immer schneller, es rockt, es growlt, es wird finster, bedrohlich und schwer. Das Solo von Michael Denner bricht mitten in diese dunkle Musikwelt ein und fügt sich perfekt in die Stimmung des Songs ein. Er spielt die gleiche Gitarre, mit der auch der Rest des Albums aufgenommen wurde, und trotzdem klingt dieser Teil anders. Es liegt noch mehr Finsternis in der Luft und das hier ist in der Tat das dunkelste und schreiendste Solo, das ich jemals gehört habe. Es steigert sich noch weiter und dominiert den ganzen Song... Was für ein Doom-Solo! Der Gesang setzt wieder ein doch der Hörer bleibt im Bann des Solos und selbst die zurückkehrende Keyboardmelodie vom Anfang holt einen nicht wirklich aus der Trance heraus. Dann stimmen wieder die Gitarren ein und Thomas scherzt "Das Lied ist wie ein langes Gitarrensolo." Irgendwie hat er Recht. "Es ist nicht immer nötig den Gesang in den Vordergrund zu stellen, wir lassen hier die Musik sprechen." Danach lässt Thomas wieder die Gitarren sprechen, die eine tolle Klanglandschaft aufbauen und sich in Finsternis verlieren.

Rain Wash Me
Der Song folgt demselben Schema wie 'I Long' und beginnt ebenfalls mit einem schönen Piano-Intro. Das Keyboard bringt violinenartigen Sound in die Songs mit ein, was unweigerlich die Assoziation zu MY DYING BRIDE weckt. 'Rain Wash Me' ist einfach ein typischer Doom-Song mit tiefen Growls, langsamen Breaks, flüsternden Keyboards und einem dunklen Stimmungsaufbau. Nach einem kurzen gesprochenen Text explodieren die Gitarren wieder, werden von den Growls unterbrochen und enden in einem ruhigen Ausklang.

All Alone
Regenartige Geräusche läuten den Song ein, die in ein verträumtes Piano-Intro übergehen und schließlich von Akustikgitarre und Keyboard abgelöst werden. Der Song wirkt fast romantisch und wird stark von Piano-Parts dominiert. Auch der Gesang ist im Vergleich zu den restlichen Songs fast schüchtern, leise und sehr traurig. Die meiste Zeit sind die Gesangslinien sanft gesprochen und geflüstert und auch die Drums setzen erst sehr spät ein. Ja, das ist eine Doom-Ballade und ja, so etwas gibt es! "Das ist das 'Winds Of Change' von SATURNUS" bestätigt Thomas meine Balladen-Vermutung und lacht. Selbst als nach einigen Minuten die Drums einsetzen und die Gitarrenriffs sich drüberlegen, wirkt der Song süßlich und auch für ein Doom-Stück noch langsam. Nur ein kleines Solo am Ende gibt dem Ganzen etwas mehr Rhythmus und nach etwas mehr als sechs verträumten Minuten wird durch einen Akustikgitarren-Teil die Stille eingeläutet.

Embraced
Der Song wurde auch schon vor einigen Jahren geschrieben und ist eine schöne Abwechslung zum eher zarten und sanften 'All Alone'. Der typisch doomige Beginn und die schweren, finsteren Riffs werden durch erstaunlich viel Gesang, Growls und Flüstern unterstützt. Thomas erklärt: "Manchmal gebe ich der Musik gerne viel Platz, manchmal singe ich aber auch lieber mehr. Es kommt ganz auf den Song drauf an, und wir haben auch am Anfang keinen wirklichen Plan, wie wir die einzelnen Stücke jetzt gestalten. Die Songs entwickeln sich daher sehr spontan." Und so wird 'Embraced' zu einem dunklen Stück Musik, welches durch abwechslungsreichen Gesang und rockige Zwischenteile am Leben gehalten wird.

To The Dreams
Der Song fängt bedrohlich an und Keyboards legen die Melodie vor, die dann in verzweifelten Gesang übergeht. Der Einsatz der Gitarre wirkt hier fast erlösend aus der beklemmenden Stimmung des Intros und die folgende Gitarrenmelodie, die sich mit dem Piano paart, gibt dem Song eine sehr intensive, fast magische Stimmung. Der Song steigert sich in einen psychedelischen Ausklang und setzt dabei Akustikgitarren ein. "Der Gitarrenteil wurde auf einem alten Radio aufgenommen, um den Sound etwas dreckig klingen zu lassen" erklärt Thomas. "Interessanterweise haben auch schon METALLICA über dieses Radio aufgenommen, und zwar 'Fade To Black', der einen ähnlichen Effekt hat." Da kann man erstmal beeindruckt sein, denn Produzent Flemming Rasmussen hat immerhin schon mit so bekannten Bands wie die eben erwähnten METALLICA, BLIND GUARDIAN oder ENSIFERUM zusammengearbeitet...

Murky Waters
Dieser Song war vor ein paar Jahren auf einer Compilation drauf und wurde zwar mit dem selben Produzenten, jedoch mit einem anderen Drummer aufgenommen. 'Murky Waters' fängt mit einem sehr eingängigen Riff an und ist generell eher ein schneller Song. "Das ist ein guter Song, um das Album zu beenden und noch einmal den Hörer wach zu rütteln, um nicht am ende noch Suizidgedanken nach so viel dunkler Musik zu wecken" merkt Thomas grinsend an und so rockt das Album mit seiner letzten Nummer noch mal richtig los! Den Song kann man sich auch hier anhören.

Das Konzept der Texte beruht übrigens auf einem Roman von Paulo Coelho, der genauso wie das Album "Veronika Decides To Die" heißt. "Die Texte handeln von inneren Dämonen, Schmerz und einem Leben am Abgrund, daher sind die Gedanken und die Texte sehr düster" fasst Thomas die Thematik des Albums zusammen. Das Cover wurde von Travis Smith gestaltet, der sich als Fan der Band gleich begeistert zeigte und ein wirklich passendes Kunstwerk gestaltete (zu sehen auf der SATURNUS-Homepage ).

"Veronika Decides To Die" ist ein Album voller Finsternis und fesselnden Melodien, die eine eigene Welt erschaffen: Die Doom-Welt von SATURNUS, die immer wieder aufs Neue fasziniert und auch dieses Mal die Seele der Hörer bewegt.

Redakteur:
Caroline Traitler

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