Southside Festival - Neuhausen ob Eck

08.07.2007 | 18:14

22.06.2007, Festivalgelände

Das Southside Festival war mal wieder eine kontrastreiche Erfahrung. Überschattet von einem tragischen Unfall während der Vorbereitungen, bei dem ein Sanitäter ums Leben kam und ein zweiter schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, sollten 45000 Besucher ihren Spaß haben. In einer Schweigeminute am Sonntag gedachten zahlreiche von ihnen den Opfern, was größtenteils ohne unangebrachte Zwischenrufe ablief. Anschließend rief Veranstaltungsleiter Andreas Sengenbusch das Publikum zu lautstarken Genesunswünschen für den verletzen Sanitäter auf, die bis zum Donaueschinger Krankenhaus dringen sollten. Danach setzten SNOW PATROL, DIE FANTASTISCHEN VIER und die BEASTIE BOYS dem Festival, das glücklicherweise frei von weiteren Zwischenfällen, Katastrophen und Unwettern geblieben ist, ein friedliches und entspanntes Ende. Für meinen Geschmack etwas zu entspannt, da für mich der Sonntag bis auf FRANK BLACK frei von wirklich sehenswerten Auftritten bleiben sollte. Zumindest stellte sich trotz meines verweichlichten Verzichts auf Zelten das altbekannte Festivalfeeling ein. Kiloweise Schlamm an den Schuhen, das omnipräsente Urinieren gegen alles, was irgendwie einem Zaun ähnelt und allgemeine Orientierungslosigkeit, weil das Festivalgelände jedes Mal irgendwie anders aussieht, trugen einen ordentlichen Teil dazu bei. Es macht immer wieder Spaß, sich einfach an dem Anblick skurriler Gestalten zu erfreuen. Sei es nun ein grün angemalter, kahlköpfiger Kerl im Hulk-Kostüm, ein Typ, der tagelang als rosa Plüschhase verkleidet durch die Gegend lief oder ein kleiner Menschenauflauf, der eine Szene aus dem Film "300" auf dem Campingplatz nachstellte – es gab eigentlich immer etwas zu sehen, wenn man nicht gerade vor einer der Bühnen stand.

Bei unserer Ankunft auf dem Festivalgelände wurden wir von VIRGINIA JETZT! begrüßt, die nach einer Minute schon so nervtötend waren, dass ich am liebsten wieder zum Auto gegangen wäre, um still vor mich hin zu weinen, ob eines solch frevelhaften Verstoßes gegen guten Geschmack. Aber Ohren zu und durch!

Eigentlich wollte ich mir die MANIC STREET PREACHERS anschauen, von denen ich vor Urzeiten mal eine CD besaß, aber wie schon befürchtet, langweilten auch diese. Also ab in das lustige österreichische (hust, hust) "Erlebnisbierzelt", um irgendwie die Zeit bis INCUBUS, die meine Begleitung sehen wollte, zu überbrücken. Ich stellte mich auf einen weiteren unspannenden Auftritt ein, der dann jedoch überraschend gut wurde. Der Sound war für Festivalverhältnisse nahezu glasklar und Sänger Brandon Boyd bewies stimmliches Talent, indem er wirklich jeden Ton traf. Eine solide Show, die mich jetzt nicht begeisterte, aber ganz nett war. Der Sound war übrigens nur vorne gut, denn die Green Stage war den größten Teil des Festivals über zu leise.

Direkt im Anschluss folgte MARILYN MANSON, von dessen Auftritt ich nicht allzu viel erwartete, da das aktuelle Album "Eat Me, Drink Me" für mich eigentlich schon eine musikalische Beleidigung ist. Aber die gute alte Nostalgie hat mich dann doch mal hingetrieben. Passend zum weinerlich-agressiven Konzept des Albums waren die beiden Intro-Songs 'Mein Herz Brennt' von RAMMSTEIN und 'Smack My Bitch Up' von THE PRODIGY. Irgendwann betrat sogar die Band die Bühne. Es gab zahlreiche Stücke von dem neuen Album, die live noch übersteuerter klangen als aus der Dose. Die Show war ziemlich zahm. Schockieren kann man mit einem Mikrophon, das wie ein Dolch aussieht, nicht wirklich. Immerhin sah es interessant aus. Interessant war auch Mansons Lackhose, die wohl nicht sehr bequem war, denn bei so gut wie jedem Stück grabbelte er sich sowohl vorne als auch hinten in der Hose herum. Wahrscheinlich sollte auch dies schockieren, aber eigentlich wirkte es nur ein wenig peinlich. Neben den - milde ausgedrückt - grenzwertigen neuen Songs wie 'If I Was Your Vampire' und 'You And Me And The Devil Makes 3' war die Auswahl der älteren Stücke leider auch etwas unspektakulär. 'Irresponsible Hate Anthem' war zum Beispiel ziemlich gut, verlor aber durch die mangelnde Kooperation des Publikums sehr an Reiz. 'The Beautiful People' hätte ruhig mal durch irgendeinen anderen Titel ersetzt werden können. Richtig gut kamen 'The Dope Show' und 'The Great Big White World' rüber, bei denen Livegitarrist Tim Skold sein nicht unbeachtliches Können unter Beweis stellte. Bei der aktuellen Single 'Heart-Shaped Glasses' suchte Manson etwas Publikumskontakt, lief vor der ersten Reihe hin und her und ließ sich anfassen. Schließlich hüpfte er direkt vor mir auf die Absperrung, beugte sich zu mir herunter und starrte mich eine ganze Weile lang durchdringend an. Tja, was macht man in so einer Situation? Ich entschied mich für dumm glotzen und aus Neugier seine Fingerknöchel anstupsen. Der gute Mann fühlt sich an wie ein alter, abgewichster Radiergummi. Eine witzige Erfahrung, die mich aber vor ein paar Jahren mehr begeistert hätte. Immerhin hatte ich hinterher keine Albträume, auch nicht von den neuen Stücken. Der Auftritt war ja in Ordnung, jedoch wäre das nächste Mal eine weniger ausgelutschte Setlist eine ganz gute Idee.

Redakteur:
Christina Andras

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