Subway To Sally (Listening Session) - Berlin

25.05.2005 | 12:31

19.05.2005, Treptower Park

Die akustische Verschmelzung von Feuer und Kälte als Sinnbild der menschlichen Gefühlswelt soll auf zwei Hausbooten namens "Frohsinn" und "Heiterkeit" gelingen. Mitten in Berlin am Treptower Park liegen am Ufer der Spree die beiden Kähne, auf denen die Musiker von Potsdams erfolgreichster Metal-Band SUBWAY TO SALLY zur Zeit an ihrer achten Studio-Scheibe "Nord Nord Ost" basteln, die am 29. August erscheinen soll. Sänger Eric Fish sagt: "Wir wollen den Blick im Gegensatz zu unserer letzten Platte "Engelskrieger" nicht nach außen richten, sondern wieder mehr nach innen und unsere Gefühle in den Mittelpunkt rücken. Vielleicht lässt sich die Platte als Verrührung der besten Elemente von "Hochzeit", "Herzblut" und "Engelskrieger" beschreiben."

Die Band steht nach insgesamt rund 250.000 verkauften CDs unter Erfolgsdruck. Zwar schaffte es "Engelskrieger" im März 2003 auf Platz 9 der deutschen Albumcharts, doch viele Fans waren von dem ungewohnt ruppigen und martialischen Klang verstört und vermissten das bisherige Konzept des mittelalterlichen Metal, den SUBWAY TO SALLY Anfang der 90er quasi miterfanden. Heute sagt Gitarrist Michael 'Bodenski' Boden: "Die Platte entstand vor dem Hintergrund der Terroranschläge in den USA und war eine Momentaufnahme unserer Seelenwelt - so ein Album machen wir nur einmal." Eric Fish meint dazu: "Ich habe mich immer mit "Engelskrieger" identifiziert und konnte deswegen immer mit der Kritik an dem Album umgehen, weil ich immer auch gute eigene Argumente besaß. Es war damals einfach die Zeit, solch ein Album zu produzieren. Ich denke, die Fans haben inzwischen gemerkt, wie viel uns diese Scheibe bedeutet. Seitdem ist, so denke ich, der Dissens mit ihnen geglättet. Es sind wohl nur wenige Fans insgesamt abgesprungen."

Vor diesem Hintergrund klingen die ersten Höreindrücke von "Nord Nord Ost" wie eine Rückbesinnung auf alte Stärken, ohne die neuen Einflüsse von "Engelskrieger" völlig über Bord zu kippen. Die am 18. Juli erscheinende Single "Sieben" funktioniert als flott-fröhlicher Rocker, bei dem auf typische SUBWAY TO SALLY-Weise harte E-Gitarren und Dudelsackklänge zusammenfinden. Moderner klingen Songs wie 'Feuerkind', das Nu-Metal-lastige 'Feuerland' oder 'Seemannslied', langsam-pathetische Gitarrenriffs treffen auf elektronische Rhythmus-Spielereien. Über der Musik schweben die Klänge von Violinen, Bratschen und Celli des Filmorchesters Babelsberg: Unter dem Dirigenten Bernd Wefelmeyer arbeiteten SUBWAY TO SALLY einen Tag lang mit 25 Streichern zusammen. "Wir haben erstmals klassische Musiker für uns genutzt - doch Bombast hin oder her, ohne gute Songs wäre es sinnlos", sagt Fish. Will man ihm Glauben schenken, hat er sich ganz besonders in die neuen Stücke reingehangen. "Seit Februar hänge ich nun schon auf diesen beiden Schiffen ab und mache Sessions mit den Jungs - und im Winter wird so ein Schiff nicht wirklich warm." Bodenski lacht: "Er ist sofort nach den ersten Aufnahmen krank geworden." Doch nicht nur auf den Schiffen entsteht das "Nord Nord Ost" - gleich mehrere Punkte in Berlin und Potsdam haben sich SUBWAY TO SALLY für ihren Schaffensprozess ausgesucht. "Bei dieser Arbeitsweise haben wir die Möglichkeit, dass jeder arbeiten kann, wann er Zeit und Lust hat. Der Nachteil ist natürlich, dass es so Reibungsverluste gibt, weil nicht jede Information zu jedem dringt. Aber wir gehen an jedes Album anders heran, deswegen kann die Arbeitsweise beim nächsten Album schon wieder ganz anders sein," so Bodenski. So gibt es etwa ein Studio in Kreuzberg, in dem die lauten Teile des Albums von Gitarrist und nunmehr Chefproducer Ingo Hampf zusammengeführt werden. In einem Potsdamer Vorort befindet sich der Proberaum der Band, hier werden die Ideen kreiert. Dazu kommt noch ein Studio, in dem die elektronischen Spielereien aufgenommen werden. Auf den Schiffen entstehen dagegen vornehmlich die Gesangsparts von Eric Fish, "bei Kerzenlicht singt es sich am besten", sagt der SUBWAY-Barde.

Die Texte für Eric Fishs markante Stimme kommen auf "Nord Nord Ost" wie bei allen SUBWAY TO SALLY-Platten aus der Feder von Bodenski. "Wir streiten uns zum Teil Tage lang um ein Wort - doch gerade hier auf dem Boot haben wir Zeit dazu, weil es eben kein ganz normales Studio ist und wir nicht dauernd auf die Kosten schauen müssen. Zeit ist Luxus", sagt er. Fast alle Texte werden die Themen Seefahrt, Norden und den Gegensatz von Feuer und Kälte behandeln. So bei dem endlos herzerweichend-schönen 'Feuerkind', in dem erst die frostige Atmosphäre eines Kinderzimmers beschrieben wird. Später singt Eric Fish die entscheidende Zeile: "Die Zimmer meiner Kindheit brenne ich immer wieder nieder." Bodenski erklärt den Song: "Ich wollte mich in den Kopf eines Pyromanen hinein versetzen: Ihn treibt seit jungen Jahren eine innere Kälte an, die sich auch durch das Zündeln nicht erwärmen lässt." Andere Texte wie 'Schneekönigin' - das erste Stück, das fertig war - handeln von dem Herzschmerz eines Reisenden, der zu seiner Geliebten im Norden fährt. Inszeniert ist die Fahrt in Mid-Tempo und versehen mit einem tollen eingängig-dramatischen Refrain: "Der Kompass zeigt nach Norden, ich kehr zurück zu meiner Schneekönigin", heißt es da. "Die Texte sind wieder persönlicher, privater ausgefallen - wir haben nicht die Kraft, wie noch bei "Engelskrieger" die bösen Dinge der Welt anzuprangern", sagt Bodenski.

Zudem steckt den Musikern das vergangene Jahr in den Köpfen. Da war der Vertrag mit dem neuen Label Nuclear Blast. "Bei Universal hatten wir immer das Gefühl, nur eine kleine Nummer unter vielen, vielen Bands zu sein. Bei Nuclear Blast haben wir dagegen zum ersten Mal das Gefühl, dass die Leute dort komplett auf unsere Musik stehen. Blast-Chef Markus Staiger ist schon seit Jahren ein großer Fan unserer Musik - wir müssen ihm jeden neuen Albumschnipsel als MP3 schicken", so Bodenski schmunzelnd. Doch 2004 brachte auch Unerfreuliches: Nach acht Jahren verließ Schlagzeuger David Pätsch aus "beruflichen Gründen" die Band. Inzwischen ist mit dem erst 21-jährigen Simon Michael ein neuer Trommler da, der bei den Touren zum neuen Album zu sehen sein wird und seinen Live-Einstand beim Wave Gotik Treffen in Leipzig feierte. "Er ist ein wirklich ein guter Drummer, besser als so manche Berühmtheit, die sich bei uns beworben hat", sagt Bodenski und fügt nachdenklich hinzu: "Gerade Davids Weggang zeigte, wie verletzlich unser Erfolg ist und uns wurde auch bewusst, wie viel wir überhaupt erreicht haben." Wie die neuen Stücke ankommen werden, das kann auch Bodenski noch nicht genau sagen. Einem Kumpel hat er die neuen Tracks allerdings schon vorgespielt. "Er sagte einfach: 'Back to the roots'. Das reichte mir. Manchmal machen wir uns vielleicht zu viel eine Birne." SUBWAY TO SALLY lassen es gleichwohl nicht gelten, dass der Schritt zurück zu den eigenen Wurzeln auf "Nord Nord Ost" auch eine Reaktion auf negative Kritik zum Vorgängeralbum ist. Bodenski: "Unsere Fans wollen, dass wir fröhlich, traurig, mittelalterlich, modern, schnell und langsam klingen - wir können ihnen keine Quadratur des Kreises bieten, das geht nach hinten los."

Redakteur:
Henri Kramer

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