URIAH HEEP - Münster

14.05.2010 | 13:57

15.04.2010, Jovel Music Hall

Die Bombastzauberer live unterwegs anlässlich ihres vierzigjährigen Bandjubiläums.

Münster, Jovel. Neunzehn Uhr. Frisur, Schlaghose und Sonnenbrille sitzen. Unter clownesker Vorfreude betreten wir den mitten an der Hauptstraße gelegenen geräumigen und traditionsreichen Club. Kurz zuvor wäre noch fast ein Crash mit einem blind vor sich hin rasenden Führerscheinjüngling passiert, der unter seiner Brille wohl vergessen hatte, den Staub zu entfernen. Knapp fährt man dem Unglück aus dem Wege. Glück gehabt.

In der Music Hall selbst erlebt man das mittlerweile für Siebziger-Rock-Bands übliche Ambiente: gemütliche, ja fast schon kuschelig sittsame Menschen der Kategorien Ü40/Ü50 und Beinahe-60, welche allesamt hier verklärt den good ol' Rock'n'Roll "schlicht genießen" wollen. Das wahrlich Aufregende und vielversprechend Verheißungsvolle, weil einfach so Zeitlose sind gewiss nicht die schlecht bedruckten und völlig überteuerten Shirts von URIAH HEEP, sondern das Gewusst-wie, die seichte Vorahnung, dass altes musikalisches Eisen in neuem Glanz erstrahlen würde.

Viele trinken so entspannt ihr Bier, dass man fast meinen könnte, gleich finde ein akademischer Vortrag oder eine politische Kundgebung statt. Das tut der Atmosphäre gewiss keinerlei Abbruch, und kaum sind die ersten Kehlen befeuchtet, schon legen URIAH HEEP los. Was als Erstes sowohl ins Ohr als auch ins Auge springt, ist ganz klar der brillante und differenzierte Sound sowie die eindrückliche, ohne Fehl und Tadel muntere Performance der lauter Nettigkeiten von sich gebenden, irgendwie kaum aus ihrer jugendlichen Passion herausgewachsenen "Altrocker". Mich reißt es glatt vom Hocker, wie viel Esprit eine Band zu emissionieren vermag, die nunmehr ihr vierzigjähriges Jubiläum feiert.

Hier und da sieht man wedelnde graue Haare, dort mal ein kleines unmerkliches Fältchen und von der Seite noch weitere Anzeichen des anthropophysikalischen Recyclings. Sieht man jedoch über diese Alterungserscheinungen hinweg, erlebt man eine Hardrockband, die schier grenzenlos das Publikum zu begeistern weiß. Ist man bei Nummern vom letzten Werk "Wake The Sleeper" wie 'Overload' noch etwas schüchtern und wartet förmlich auf die Glut, die das Eis zum Schmelzen bringt, zeigt man sich bei Klassikern wie 'Gypsy', 'Sunrise' oder 'Bird Of Prey' schon sehr viel berührter und seelisch ergriffener.

Bernie Shaw singt sich ins Walhalla (warum sind Sänger der älteren Generation eigentlich alle so dermaßen talentiert? Kein Vergleich zu heute.) und Mick Box, Trevor Bulder sowie Phil Lanzon gleiten mit ihren Fingern in weishaft anmutender Könnerhaftigkeit über ihre Instrumente. Auch der erst seit 2007 in das Line-up integrierte Russel Gilbrook macht hinter seinem elfenbeinweißen Drum-Set eine wirklich gute rhythmische Figur. Überhaupt staunt man nicht schlecht über die Possenreißerei und Akrobatik der Herren. Alter scheint keine Rolle zu spielen.

Die Ansagen von Shaw kommen supersympathisch rüber, man schwatzt bandintern auf der Bühne über alte europäische Tourerinnerungen und -erfahrungen und stellt einen recht freundschaftlichen Draht zum Publikum her. Toll. Ich fühle mich wärmstens aufgehoben, aufgenommen und in meiner Sehnsucht nach alter Rock-'n'-Roll-Legendenhaftigkeit aufgefangen. Geil, einfach nur schweinegeil.

Nach weiteren Highlights wie 'Gypsy' und 'July Morning' (das in Bulgarien auch ein seit 1992 stattfindendes Event bezeichnet, die Verbindung zum Song ist gar flagrant) setzt man zum üblichen "vorübergehenden Ende" an: Unter abfeierndem Geklatsche, Gepfeife und Gerufe macht man sich auf in Richtung "See you next time", bloß um auf Geheiß von "Zugabe!"-Rufen wieder sein Letztes zu geben. Und wie sollte dieses Letzte anders erscheinen als in Gestalt von 'Lady In Black' und 'Easy Livin''? Klar wie ein ungetrübter See. Hier scheinen viele es mir gleichzutun: Sozialisationsbedingt mit den Gepflogenheiten des Headbangens und Air-Guitar-Playings aufgewachsen, drängele ich mich wie im Rausch (und rauschvoll-alkoholisiert war's gewiss) direkt an die Front und praktiziere eben jene kutlischen Tanzeinlagen.

Im Schlussprogramm geben URIAH HEEP noch einmal richtig Gas, und im Feuerzeugmeer verschwundene wehmütige Mitsingpassagen verlieren sich im Schwarz der Nacht. Auch später noch schwirrt einem die Melodie der schwarzen Lady durch Kopf und Herz.

Redakteur:
Markus Sievers
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